Hin und wieder zurück - in einem Jahr
von Saphira


September 3018

Es ist siebzehn Jahre her, seit Bilbo bei seinem viel besprochenen Abschiedsfest einfach so in einem Lichtblitz verschwand. Bis dahin wusste Frodo nicht einmal, dass es diesen Ring überhaupt gab.

Jetzt liegt er kühl und schwer in seiner Hand. Die flammende Schrift ist verschwunden, aber er kann es hören, das Wispern des Bösen. Fast kann er spüren, wie es die Hände nach ihm ausstreckt. Und plötzlich wünscht er sich, all das von sich zu schieben. Dass sein Schicksal einem anderen zuteil werden soll - und doch wieder nicht. Er kann hier nicht bleiben. Schon allein um des allgemeinen Friedens willen muss er gehen.

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Oktober 3018

 Er weiß genau, was diese schwarzen Burschen von ihm wollen. Sie sind hinter Ihm her. Und obwohl seine Freunde ihr möglichstes tun, ihn zu beschützen, weiß Frodo, dass sie gegen diese Ausgeburten des Bösen nichts ausrichten können. Sie werden bekommen, was sie haben wollen, und seine Fahrt wird enden, noch ehe sie richtig begonnen hat. Es ist, als ziehe eine unsichtbare Macht in dem Ring sie zu sich hin, und er kann sie sehen, geisterhaft und verschwommen. Der letzte Rest Selbsterhalt, den er aufzubringen vermag, trägt ihm den Stich der schwarzen Klinge ein.

Und die Welt vergeht in Schmerz, unendlicher Dunkelheit und bitterer Kälte.

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November 3018

Sobald er den Ring auf den Steintisch gelegt hat, ist in der Ratsversammlung die Hölle los. Elben, Menschen, Zwerge und ein Zauberer diskutieren erbittert darüber, was mit dem Ring zu tun sei. Ob er ein Fluch oder Segen ist, wie man ihn einsetzen kann. Doch auch wenn Frodo nicht viel weiß, begreift er doch, dass sich der Ring nicht benutzen lässt. Aber dann lassen ihn die lauten Stimmen und das leise Flüstern des Ringes zu einer Entscheidung kommen. Er hat es angefangen, er muss es auch weiter führen.

„Ich nehme den Ring!“

Und die Augen aller richten sich auf ihn.

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Dezember 3018 

Eigentlich hatte er sich vorgestellt, den Ring hier zu lassen, unter der Obhut von Elrond und seinem Volk, aber nun muss er einsehen, dass dies nicht möglich ist. Viele schöne Stunden hat er verbracht vor den Kaminen in der Halle des Feuers. Hat sich amüsiert mit Liedern, Geschichten und Gelächter. Hier konnte Frodo fast vergessen, zu welcher Aufgabe er ausgesucht wurde, seine Schmerzen und Sorgen, und hinein fallen in die weiche Wärme eines ehrlichen Willkommens.

Doch an einem kalten Dezemberabend wird er hinaus gestoßen in eine ihm völlig fremde Welt, um zusammen mit seinen acht Gefährten das Böse zu vernichten.

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Januar 3019

Es war seine Entscheidung gewesen, durch die Minen von Moria zu gehen. Weil er sich sicher gewesen war, dass diese Route weniger gefahrvoll sein würde als die über den Berg. Scheinbar hatte er sich gründlich getäuscht. Aber jetzt ist die Brücke über die Schlucht zerbrochen und das Monster in die Tiefe geschleudert. Doch die feurige Peitsche schlängelt sich noch einmal zurück und reißt Gandalf mit sich an den Rand. Atemlos beobachten seine Freunde die fruchtlosen Versuche des Zauberers, sich in Sicherheit zu ziehen.

Er wirft einen letzten Blick zurück.

„Flieht, ihr Narren!“ 

Dann lässt er los, Frodos Schrei in den Ohren.

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Februar 3019

Boromir musste verrückt geworden sein. Genau genommen war er es schon gewesen, als er bei Elronds Rat den Ring für sich beanspruchen wollte.

„Wenn du mir den Ring nur leihen würdest...“  

Frodo wusste, dass Boromir nicht er selbst war. Was würde geschehen, wenn er ihm den Ring überließ? Was würde Boromir damit machen? Oder eher, was würde der Ring mit ihm machen?

Plötzlich sah er keinen anderen Ausweg. Noch während Boromir mit ihm rang, um an den Ring zu kommen, steckte Frodo das kühle Gold auf seinen Finger und verschwand.

Er hörte noch, wie Boromir hinter ihm fluchte, während er unsichtbar davon rannte.

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März 3019

Aus irgend einem Grund vertraute Frodo Gollum sein Leben an. Vielleicht, weil er sich daran erinnerte, was Gandalf in Moria gesagt hatte.

„Auch Gollum hat vor dem Ende noch eine Rolle zu spielen. Aber ob zum Guten oder zum Schlechten vermag nicht einmal ich voraus zu sehen.“ 

Sam vertraut ihrem Weggefährten nicht, nennt ihn Schleicher und noch Schlimmeres.

Und obwohl Frodo weiß, dass Gollum vom Ring angezogen wird, lässt er sich von ihm führen, mitten ins Schwarze Land.

Er hat ihm angeboten umzukehren, doch der Drang nach dem Ring macht sie zu unfreiwilligen Verbündeten, bis hinein in das Herz des Schicksalsberges.

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April 3019

Es fühlt sich merkwürdig an, jemand zu sein, den die Leute ehrfürchtig anschauen, über den sie tuscheln. Auf seinen Gängen durch die Stadt kommt Frodo mehr als einmal an Menschen vorbei, die ihm die Hand schütteln wollen, ein paar freundliche Worte mit ihm wechseln oder an Verkaufsständen, an deinen sie ihm etwas zu essen anbieten, als wäre er ein Fürst. Aber er hat nur die Pflicht getan die ihm auferlegt worden ist.

Doch auf dem Feld von Cormallen kann er nicht anders als zu lächeln, als die Menschen um ihn herum auf die Knie sinken und den Ringträger und seine Gefährten preisen.

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Mai 3019

Bei ihrer ersten Begegnung hatte er sich ihnen als Streicher vorgestellt, ein großer, schmutzig gekleideter Mann, der ihnen auf der Fahrt mehr als einmal das Leben gerettet hatte.

Bis zur Ratsversammlung in Bruchtal war Frodo über Aragorn nur klar, dass er ein Freund Bilbos und Gandalfs war, nicht aber, dass ihm ein ganzes Königreich zustand.

Er war Aragorn, Arathorns Sohn, König von Gondor.

Doch als er jetzt als einer der Ehrengäste des neuen Königs bei dessen Krönung zugegen war, wurde ihm klar, dass sich noch eine Prophezeiung erfüllt hatte.

Der, der die Krone verlor, war wieder König.

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  Juni 3019

Der weiße Baum war vertrocknet, schon seit vielen Jahren. Und doch hatten die Menschen von Gondor es nie gewagt, das Wahrzeichen ihres Königreiches vom Brunnen im Hof der Zitadelle zu entfernen.

Der verdorrte Baum sprach von Mutlosigkeit, fand Frodo, wenn er am Rand des Brunnens saß und las.

Doch der Tag kam, an dem es Erneuerung geben sollte, für den Baum wie auch für die Hoffnung in den Herzen der Menschen.

Der König fand einen Sämling und pflanzte ihn an die Stelle des alten, wo er schnell und schön wuchs.

Sieben Sterne, sieben Steine und ein weißer Baum.

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Juli 3019

Wie lange Aragorn auf diesen Augenblick gewartet hatte, konnte Frodo nur schwer ermessen. Doch er fühlte sich erinnert an die Geschichte von Beren und Lúthien, die Aragorn eines Abends besungen hatte.

Aber nun hatte Gondor nicht nur einen König, sondern auch eine Königin, die strahlender und liebreizender war, als man es sich vorstellen konnte.

Die Menschen der Stadt grüßten und priesen sie, die Barden und Dichter sangen Loblieder auf ihre Schönheit, die der von Lúthien in nichts nachstand... so sagten wenigstens die wenigen, die sich damit auskannten. Und der Ringträger gab ihnen im Stillen Recht.

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August 3019

Der Weg zurück war friedvoller gewesen, als Frodo gedacht hatte. Doch vielleicht lag es daran, dass ihn niemand mehr jagte, und vielleicht auch an der großen Zahl mächtiger Verbündeter, die mit ihm reisten. Immerhin ritt der König von Gondor höchstselbst mit ihnen, ebenso wie die Herrin Galadriel und Herr Elrond von Bruchtal.

Um feindliche Übergriffe musste man sich nicht sorgen.

Doch wohl um den Abschied. Denn als sie nach Isengart kamen, trennte sich König Elessar von ihnen.

„Lebt wohl, meine Freunde,“ verabschiedete er sich.  „Aber es ist kein Abschied für immer.“ 

Und Frodo glaubte ihm.


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