Nur ein schlichter Hobbit (The Shaping of Samwise)
von jodancingtree, übersetzt von Cúthalion

Kapitel 3
Sams großartige Idee

Ende Juni nahm sich Sam einen Tag frei und machte sich auf den langen Weg nach Grünholm. Er wollte das neue Bewässerungssystem selbst in Augenschein nehmen. Im Frühling hatte es sich wie eine interessante Neuerung angehört, aber während die Trockenheit anhielt, fing es an, wie die Rettung des Gartens von Beutelsend auszusehen. Und wenn es in Beutelsend funktionierte, ließ ihn der Ohm vielleicht auch eines in seinem Erdbeerfeld anlegen.

Der bewässerte Garten in Grünholm stand in voller Blüte, im Gegensatz zu der verdorrten Landschaft, durch die Sam den ganzen Morgen gewandert war. Der Besitzer war ein Hobbit in den mittleren Jahren, der den größten Teil seines Lebens damit zugebracht hatte, „Erfindungen“ auszutüfteln – zum Befremden seiner Nachbarn. Er war entzückt, endlich einmal einen wohlwollenden Zuhörer zu haben und erklärte Sam bis in die kleinste Einzelheit, wie seine „Sickeranlage“ funktionierte. Als er sich an diesem Abend auf den Heimweg machte, was Sam Feuer und Flamme dafür, sie in Beutelsend auszuprobieren.

Wie vorauszusehen war, strafte ihn der Ohm mit Verachtung. „Erzähl mir nicht so’n Zeug, Faulpelz! Zu träge, Wassereimer zu schleppen, das ist dein Problem! Wasser in Röhren durch alle Gartenbeete fließen zu lassen, das hab ich noch nie gehört! Lauter Albernheiten, so was – ein Narr denkt sich’s aus, ein anderer fängt es an!“

Er saß auf der Bank neben der Vordertür, ein nasses Handtuch um den Hals gewickelt, die Füße in einen Wasserkübel getaucht. Selbst nach Sonnenuntergang war die Luft noch stickig. „Ein Döskopf, das ist’s, was du bist, Sam Gamdschie. Aber eine solche Narretei bringst du niemals durch bei Herrn Bilbo!“

Bilbo allerdings lauschte mit Interesse, als Sam ihm die Idee vorstellte. „Nun, Junge, um sicher zu gehen, dass ich das verstehe: die Rohre laufen die Gartenbeete entlang, und das Wasser sickert durch kleine Löcher? Wie kontrollierst du den Wasserfluss und hältst ihn davon ab, die Beete zu überfluten?“

„Also, schau mal, Herr Bilbo, es ist wie ein schräger Zulauf. Jedes Rohr hat ein kleines Ventil, und wenn das Ventil geschlossen ist, dringt kein Wasser mehr durch. Du machst es nur auf, wenn du willst, dass Wasser an die Pflanzen kommt.“

Sie standen im Garten und Bilbo befingerte die dürren Blätter seines Lieblingsbusches mit Stolz des Westens-Rosen. Er hatte früher in diesem Sommer Hunderte von Knospen angesetzt, aber die Trockenheit hatte alles zunichte gemacht. Die Knospen waren jetzt verschrumpelt und hingen schlaff an brüchigen Stängeln. Wenn es weiter so trocken blieb, ging der Busch vielleicht auch noch ein... Bilbo wanderte im Rosengarten herum, befühlte Blätter und knipste trockene Zweige ab. Die Büsche waren alle in schlechtem Zustand.

Als er dorthin zurückkam, wo Sam stand und auf ihn wartete, hatte er sich entschieden. „Fang an, Sam. Lass uns deine Bewässerungsanlage ausprobieren – und zuerst verlegst du sie im Rosengarten.“

Es war das Gesprächsthema in Hobbingen für den ganzen nächsten Monat. Ein paar wenige Leute sahen den Vorteil der Idee, aber allgemein hielt sich die Meinung, dass dies nur ein weiteres Beispiel wäre für Bilbos wohlbekannte Schrulligkeit.

„Mehr Geld als Verstand, das isses, was er hat.“ meinte der Alte Eichler, an den Ohm gewandt, als sie eines Abends über ihren Krügen im Efeubusch saßen.

Der Ohm schnaubte. Es ging ihm gegen den Strich, Herrn Bilbo zu kritisieren, aber immerhin sagte er mürrisch: „Ich hätt’ nie geglaubt, dass Sam ihm die Sache aufschwatzt.“

Die Bemerkung machte natürlich die Runde, und sie bestärkte die meisten Leute noch in dem Glauben, dass Bilbo zu guter Letzt völlig übergeschnappt war. Sam Gamdschie als Gärtner einzusetzen, jung wie er war, das war schon schlimm genug. Ihm aber zu erlauben, eine derartig unerhörte Neuerung einzuführen, schien Beweis genug für Bilbos völligen geistigen Zusammenbruch.

Sam selbst war begierig darauf, jedem die neue Anlage zu erklären, der bereit war, ihm zuzuhören. Er hing im Laden des Hufschmiedes herum und redete ununterbrochen, während die langen Rohre gemacht wurden, und der geplagte Schmied stellte sie in Rekordzeit fertig, um ihn endlich loszuwerden. Er schaffte sie in einem geliehenen Karren nach Beutelsend, verfolgt von einem Großteil der Hobbinger und Wasserauer Jugend; sie versuchten, sich eines der Rohre zu schnappen, um es als Tröte zu benutzen.

Als es endlich soweit war, dass er die Anlage im Garten verlegte, hatte er einen stetigen Strom von Zuschauern, so dass er sich zuletzt wie die Hauptattraktion des Mittsommerjahrmarktes vorkam. Zu seiner Überraschung tauchte sogar Timm Sandigmann auf, um zuzusehen, wie er die Röhren um den Smial herum verteilte und am Brunnenzulauf festhakte. Sam hatte die Warnung von Bauer Kattun nach der Sache mit Rosies Taube noch in den Ohren; er behielt Timm scharf im Auge und überprüfte den Garten sorgfältig, nachdem er gegangen war. Aber es schien alles in Ordnung zu sein und er entschied, dass Timm einfach bloß neugierig gewesen war, genau wie der Rest der Nachbarschaft.

Noch vor Ende Juli war alles an Ort und Stelle. Sam öffnete den ersten Satz Ventile und schickte das Wasser auf den Weg in den Rosengarten. Bilbo und Frodo waren in diesem großen Moment anwesend, und Sam war stolz (und heimlich erleichtert) als alles genau so funktionierte, wie er es vorhergesagt hatte. Die trockene Erde um die Büsche herum wurde von der Feuchtigkeit dunkel und weich, und Sam glaubte geradezu sehen zu können, wie die Rosen das lebensspendende Wasser aufsogen.

„Sehr gut, Sam.“ sagte Bilbo. „Komm rein und lass uns etwas trinken.“

Sie gingen in die Küche, und Bilbo öffnete feierlich eine Flasche Alten Wingert. Sams Augen weiteten sich, als er die Aufschrift sah, aber Bilbo füllte sein Glas mit ziemlichem Trara und mit den Worten: „Es ist ein großer Tag, an dem meine Rosen vor der Trockenheit gerettet wurden, und nur mit dem besten Wein darf darauf angestoßen werden. Auf den Garten!“

„Und auf den Gärtner!“ fügte Frodo lachend und mit einem Seitenblick auf Sam hinzu.

Sam errötete und leerte sein Glas. „Ich mach mich lieber wieder an die Arbeit. Schön’ Dank auch, Herr Bilbo.“

Während der nächsten paar Tage begann der Garten aufzuleben, während die Rohre das Wasser in jeden Winkel trugen. Bis Mitte August hatten mehrere der späten Rosen neue Knospen angesetzt, und Bilbo ging jeden Abend herum und schnitt ein paar für seine Vasen ab. Nun erblühte der gesamte Garten, und Hobbits fanden sich sogar aus zehn Meilen weit entfernten Dörfern ein, um das Wunder zu sehen.

Natürlich gab es auch einige Eifersucht. Die Trockenheit hielt an, und für Leute, deren Gartenerde in der Hitze aufbrach, war es hart, den Anblick von einem Beutelsend zu „genießen“, das von Grün umrankt war und so üppig blühte wie ein Urwald. Aber wie sauer ihre Gesichter auch waren, so musste doch jedermann zugeben, dass Sams Bewässerungsanlage ein voller Erfolg war. Ein paar wenige begannen sogar darüber nachzudenken, eine in ihrem eigenen Garten anzulegen.

In der letzten Augustwoche machten Bilbo und Frodo einen Besuch in Bockland .

„Wir nehmen den Ponywagen.“ teilte Bilbo Sam mit. „Dann kommen wir Ende der Woche zu Fuß nach Hause und Rory Brandybock kann den Wagen zurückfahren, wenn er nächsten Monat zu meinem Geburtstag kommt.“

„Ich möchte, dass du den Garten in Ordnung hältst, Sam. Wenn wir von Bockland zurückkommen, müssen wir gleich mit den Vorbereitungen für das Fest anfangen.“

Sam nickte mit einem Schauder der Vorfreude. Verschiedene seltsame Pakete und ein paar vollständige Karrenladungen mit geheimnisvollen Bündeln waren den ganzen Sommer über in Beutelsend angekommen. Er wusste, dass sie allesamt mit Dem Geburtstag zu tun hatten – dem gemeinsamen von Bilbo und Frodo – aber er hatte nichts damit zu schaffen. Seine Aufgabe war der Garten.

Allerdings - nun, wo das Fest näherkam, würde er sehr wohl einiges damit zu schaffen haben. Es würde ein Fest sein, das draußen stattfand, und es würde eine Menge zu tun geben für den Gärtner von Beutelsend. Sogar während er das Pony anspannte und die beiden verabschiedete, kreisten seine Gedanken um die Dinge, die erledigt werden mussten, damit alles für ihre Rückkehr vorbereitet war.

An diesem Tag schuftete er wie zehn Hobbits, und er war fast zu müde, sich auszuziehen, als er ins Bett fiel. Er hatte nur ein paar Stunden geschlafen, als ihn irgend etwas hochschrecken ließ. Er lag mit hämmerndem Herzen in der Dunkelheit. Ein zweites Donnerdröhnen krachte beinahe genau über seinem Kopf, und ein Blitz erleuchtete den Raum. Es folgte ein Augenblick atemloser Stille, dann strömte der Regen nieder. Die Trockenheit war vorüber.

Er kullerte aus dem Bett und kämpfte sich in seine Kleider. Die Bewässerungsrohre – er musste sie schließen! So, wie der Regen jetzt herunterkam, würde sich der Garten mit der zusätzlichen Bewässerung in einen See verwandeln. Er rannte den ganzen Weg nach Beutelsend und rutschte im Schlamm aus, als er sich den Hügel hinaufkämpfte. Der Wind rüttelte ihn durch und schien aus allen Richtungen gleichzeitig zu kommen, und zuckende Blitze enthüllten Bäume, die sich bogen und schwankten, als würden sie von Riesen geschüttelt.

Der Garten war bereits überflutet; der Regen prasselte zu schnell nieder, als dass der Boden ihn aufsaugen konnte. Sam rutschte und schlitterte, als er den Weg zu den Röhren ertastete und im Dunkeln herumfummelte, um die Ventile zu finden, die den Zufluss vom Brunnen unterbrechen würden. Sie waren fest und schwer zu drehen, und als er sie endlich alle geschlossen hatte, schlotterte er vor Kälte und Erschöpfung, und seine Hände und Arme schmerzten bis hinauf zu seinen Schultern.

Er schloss das letzte Ventil, schnitt den Zufluss ab und taumelte den Hügel hinunter. Endlich daheim, ließ er seine schlammigen Kleidungsstücke in einem Haufen auf dem Fußboden zurück, wickelte sich in eine Decke und sank ins Bett, ohne auf den Sturm zu achten, der immer noch um den Smial herumtobte. Er wachte erst lange nach Tagesanbruch wieder auf, als der Ohm gegen seine Tür schlug und ungeduldig nach seinem Frühstück verlangte.

Donner und Blitz hatten aufgehört, aber der Regen rauschte immer noch herunter und verschleierte jeden Blick aus den Fenstern. Sam hörte sein scharfes Trommeln auf der Regenhaube, die den Kamin schützte, und ein heftiger Wind schickte gelegentliche Rauchwolken hinunter ins Zimmer. Nach dem Frühstück ließ er sich mit einem Buch dicht am Feuer nieder.

„Hast du nichts Besseres zu tun?“ fragte der Ohm gereizt.

Sam seufzte. „Es gibt nichts, was ich bei diesem Wetter tun könnte. Hör dir bloß mal diesen Wind an! Da gibt’s ´ne Menge aufzuräumen, wenn der Sturm vorbei ist, also lass mich jetzt ein bisschen in Frieden lesen.“

Der Sturm hielt vier Tage lang an, und Sam kochte ihre Mahlzeiten, wusch das Geschirr ab und saß mit seinem Buch am Feuer. Es war der letzte Frieden, der ihm für einige Zeit vergönnt sein sollte.


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