Der Ringträger und die Rose (The Ringbearer and the Rose)
von rabidsamfan, übersetzt von Cúthalion

Wieder war es eine Nacht der Alpträume gewesen, und die Stimmen im Flur waren eine willkommene Ankündigung des neuen Tages. Frodo lauschte kaum auf die Worte – es war genug, Rosie Cotton und ihren Brüdern dabei zuzuhören, wie sie sich auf ihrem Weg in den Morgen gegenseitig neckten, so wie jeden Morgen, seit er hier war. Bald würde sie hereinkommen, und dann würde er aufwachen müssen, aber für den Augenblick lag er da, starrte an die Decke und fragte sich, ob seine Träume wohl besser wurden, wenn dieser Tag vorüber war, oder ob sie bis zum 8. April so übel blieben. Nicht zum ersten Mal wünschte er sich, dass Sam vom Bäumepflanzen zurückkäme und damit fertig würde, Beutelsend vorzubereiten, damit sie wieder dort einziehen konnten. Er war es leid, sich den Kattuns aufzubürden. Er wollte nach Hause. Möglicherweise kehrten die süßen Träume dann zurück.

„Rosie, hast du irgend etwas von Sam gehört?“ fragte Frodo, als sie hereinkam, um die Vorhänge zu öffnen.

„Noch nicht, Herr Frodo.“ sagte sie, aber einen Augenblick später straffte sie sich und beschirmte ihre Augen mit einer Hand. „Warte. Das ist er.“

Frodo stieg aus dem Bett und trat ans Fenster. Er konnte eine ferne Gestalt sehen, die langsam den Bühl hinunter kam, ein lahmes Pony hinter sich. Sie hatte recht, es musste Sam sein, denn als die Sonne höher stieg, wurde sie von dem goldenen Harnisch zurückgeworfen, denn er immer noch trug, wenn er herumreiste, für den Fall, dass irgendeiner der Halunken zurückgeblieben war.„Ich frage mich, was mit Lutz passiert ist.“ sagte Frodo, seltsam beruhigt durch die Tatsache, dass es die Verletzung des Ponys gewesen sein musste, die Sams Rückkehr verzögert hatte. Sam würde Lutz niemals schlecht behandeln – nicht einmal, um eilig nach Hobbingen zurückzukehren.

Rosie machte einen kleinen Satz, als sie Frodo neben sich entdeckte. „Oh, Herr Frodo, bist du sicher, dass du auf sein solltest? Du hattest gestern so einen üblen Anfall.“

„Das war eine vorübergehende Sache.“ beschwichtigte er sie und lächelte angesichts ihres zweifelnden Blickes. „Wirklich. Bitte erzähl Sam nichts davon. Er würde sich nur Sorgen machen.“

„Er ist seitlich abgebogen.“ sagte Rosie; ihre Aufmerksamkeit wandte sich bei der Erwähnung von Sam wieder dem Fenster zu. Frodo fragte sich, ob sie wohl jeden Morgen in sein Zimmer kam, weil man von dort aus den besten Blick auf die Straße hatte; er war nicht der einzige, der auf Sam wartete. Aber nun, da er wusste, dass Sam in Sicherheit war, konnte er noch ein wenig länger warten.

„Er geht nach dem Ohm schauen, nehme ich an.“ sagte er voller Zuneigung. „Sam kümmert sich um die Dinge, die er liebt.“

„Nun... dann liebt er sich selbst nicht besonders.“ sagte sie und brachte das Durcheinander auf der Anrichte mit heftigen Bewegungen in Ordnung. „So müde, wie er die letzten beiden Male gewesen ist, als er nach Hause kam, sollte man denken, er macht für ein, zwei Tage Pause. Und ich weiß nicht, was ihn diesmal so lange aufgehalten hat. Er treibt sich selber an, als müsste er das ganze Auenland wieder so machen, wie es war, und als ob er der Einzige wäre, der das kann; und wenn er bloß einmal um Hilfe bitten würde, dann würde er herausfinden, dass ich...“

„Dass du ihn liebst?“ fragte Frodo in ihr plötzliches Schweigen hinein.

„Das tu ich.“ flüsterte sie. „Aber du bist es, um den er sich zuerst kümmert.“

Frodo wusste nicht, was er dazu sagen sollte. Zu seinem Erstaunen fasste sie nach seiner verstümmelten Hand und nahm sie zwischen die ihren, ganz ähnlich, wie Sam es manchmal tat, um ihm zu versichern, dass daran nichts Beschämendes sei. „Er wollte nicht sagen, was passiert ist, nur dass es dir dabei schlecht ergangen ist.“ sagte sie leise. „Er sagt, es wäre keine Geschichte zum Erzählen, und dann geht er und arbeitet umso härter, damit er ohne Träume schlafen kann. Ein Sam, dem die Worte fehlen! Mein ganzes Leben habe ich ihm beim Geschichtenerzählen zugehört, und jetzt gibt es eine Geschichte, die ich am liebsten hören möchte, und er kann es nicht ertragen, sie mir zu erzählen.“

„Heute weiß ich seit genau einem Jahr, dass er nach Hause zurückkehrt.“ fuhr sie fort. „Aber noch ist er nicht angekommen, nicht den Rest des Weges jedenfalls, oder nicht? Nicht mehr als du.“

„Wir haben kein Zuhause vorgefunden, als wir heimgekommen sind.“ hörte Frodo sich selbst antworten; seine Augen folgten der Reihe schmaler Schösslinge, die hohe Bäume sein sollten, bis hinauf zu der halb verheilten Narbe der Sandgrube auf dem Bühl. „Nicht das Auenland, von dem wir geträumt haben – dasjenige, das er in seinem Herzen behielt.“ Er lächelte das Mädchen an, das vor ihm stand, froh darüber, dass er jemanden hatte, mit dem er über Sam reden konnte. „Dich hat er auch in seinem Herzen behalten.“

„Ich wäre mit ihm gegangen, wenn er mich gefragt hätte.“ sagte sie wehmütig. „Um die Elben zu sehen und alles. Ich hab davon geträumt, seit ich ein Dreikäsehoch war. Bloß – er hat nie gefragt.“

Frodo begegnete dem Blick ihrer hellen, blauen Augen und versuchte zu lächeln. „Er konnte nicht. Gandalf ließ ihn versprechen, das Geheimnis zu bewahren. Und Merry und Pippin hatten es schon vorher erraten. Ich hätte sie alle sicher zurücklassen sollen, wenn es mir möglich gewesen wäre.“

„Dann hättest du Sam das Herz gebrochen.“ sagte Rosie. „Und die Halunken hätten ihm den Schädel eingeschlagen, als sie anfingen, den Beutelhaldenweg aufzugraben. Er wäre schneller in den Riegellöchern gewesen als Willi Weißfuß! Es gab hier keine Sicherheit, Herr Frodo – nicht, während der Feind dem Ring hinterher jagte und der Schatten die ganze Zeit wuchs.“

„Und dann kam Saruman und machte die Dinge noch schlimmer.“ sagte Frodo bitter.

„Nein,“ sagte sie, ihre Augen abwesend. „Nein, das Schlimmste kam vorher – morgens wach zu werden und das Gefühl zu haben, dass es keinen Sinn hatte, sich zu wehren. Als ob man die Veränderungen genauso wenig aufhalten könnte wie den Regen, dadurch, dass man ihm Reime entgegenbrüllt. Zu warten, dass der Winter vorbeigeht, und dabei steht die Sonne so dünn am Himmel, dass man kaum sagen kann, dass sie überhaupt scheint.“

„Ich habe nie gewusst, dass der Schatten so weit reicht.“ sagte Frodo traurig.

„Und wieso nicht? Hier gibt’s die selbe Luft wie überall sonst.“

„Sam hat es gewusst.“ gab Frodo zu. „Er hat in Galadriels Spiegel gesehen, was vielleicht mit dem Auenland passieren könnte; dass der Ohm hinausgeworfen wird und all das. Aber es war noch ein langer Weg nach Mordor, und er entschied sich, entweder mit mir gemeinsam nach Hause zu kommen oder gar nicht.“ Frodo legte seine verstümmelte Hand gegen das Fenstersims und ließ die Sonne auf die Narbe scheinen, so wie sie auf die Narben auf dem Bühl schien. „Ich hoffte, wir hätten verhindert, dass diese Vision wahr wird.“

„Das ist es.“ sagte Rosie, als hätte man ihr plötzlich den Schlüssel zu einem Schloss in die Hand gedrückt. „Deshalb tut er das. Siehst du das nicht, Her Frodo, er denkt, er sei schuld! Deswegen will er keine Hilfe annehmen.“ Ihre Augen strahlten vor Aufregung. „Oh, das muss es sein. Du musst mit ihm reden, du musst ihm sagen, es ist alles in Ordnung. Dir wird er zuhören.“

„Aber... ich verstehe nicht.“ sagte Frodo.

„Natürlich tust du das nicht. Er versteckt vor dir, was ihm wehtut.“ sagte Rosie. „Aber wenn du bloß hinschaust, dann siehst du’s. Oh, bitte, sprich mit ihm.“ bat sie. „Bitte. Oder er macht sich irgendwann davon und wenn er zu nahe an die Grenze kommt, dann packt ihn der Wind und ich sehe ihn nie wieder.“

Trotz der Alpträume hielt Frodo das für nicht sehr wahrscheinlich – Sam war nicht die Sorte Hobbit, die ohne Schnupftuch auf der Suche nach Abenteuern fortrannte – aber sie war besorgt, und er wollte in jedem Fall mit Sam reden, also lächelte er sie an und tätschelte ihr die Schulter. „Wir können nicht zulassen, dass das passiert. Ich werde heute morgen hingehen, wenn du möchtest, aber erst einmal muss ich mich anziehen, wenn du gestattest.“

Sie küsste ihn auf die Wange, so wie sie ihre Brüder küsste, wenn sie ihr Bänder aus dem Dorf mitbrachten. „Ich hab dein Frühstück gleich fertig!“ versprach sie und tanzte förmlich Richtung Tür. „Oh, ich danke dir!“

Als Frodo die Reihe neuer Smials erreichte, die auf der Rückseite der eingeebneten Sandgrube errichtet worden waren, fand er den Ohm draußen im Morgenlicht; er mischte Erde und Mulch für die Hochbeete, die Sam gebaut hatte, damit er leichter herankam. Als der alte Hobbit Frodo bemerkte, tippte er sich an den Hut. „Guten Morgen, Herr Frodo.“ sagte er.

„Guten Morgen, Meister Gamdschie.“ antwortete Frodo.

„Wenn du nach diesem Pony suchst, dann musst du rüber zum Hufschmied gehen, weil es nämlich ein Eisen verloren hat. Aber wenn du auf der Suche nach Sam bist, der ist drinnen.“ sagte er und lud Frodo mit einer Handbewegung ein, sein neues Heim zu betreten.

„Dankeschön.“sagte Frodo und ging hinein.

Er fand Sam zusammengesunken im Sessel des Ohm, das Frühstückstablett vergessen neben ihm auf dem Fußboden. Er wandte leicht den Kopf, als Frodo aus dem hellen Morgenlicht hereinkam.

„Also... alles weg.“

Frodo dachte, Sam würde von dem Ring sprechen, bis er sah, dass Sam Galadriels Schachtel in den Händen drehte. „Es war noch ein kleines bisschen über, aber mehr konnte ich nicht tun, und dann hat Lutz ein Eisen verloren und ich musste sowieso zurück, also hab ich auf dem Weg am Dreiviertelstein angehalten und hab’s dem Wind gegeben.“ Er reichte Frodo die Schachtel und vergrub das Gesicht in den Händen. „Hoffentlich hab ich das Richtige getan.“ sagte er mit gedämpfter Stimme.

„Das hast du ganz sicher.“ sagte Frodo und öffnete die kleine Schachtel in seine Händen. Ein einzelnes Staubkörnchen hing am Boden, so winzig, dass nur sein zauberisches Glühen es verriet. Wie viele Bäume hatte Sam in diesen wenigen Monaten gepflanzt? Hunderte mindestens, wenn nicht tausende. So viele Staubkörner würden sogar in diese kleine Schachtel passen, und er hatte Sam dabei beobachtet, wie er die Kastanien entlang der Straße nach Wasserau pflanzte und eine Pinzette benutzte, um ein einzelnes Körnchen neben jeden der neuen Bäume zu platzieren. Es gab wohl kaum ein Dorf im Auenland, durch dass Sam seit dem letzten Herbst nicht gekommen war.

Kein Wunder, dass er müde war.

Frodo berührte Sam an der Schulter und für einen langen Augenblick sah er seinen Freund und Diener mit der seltsamen, neuen Klarsichtigkeit, die ein Erbe des Ringes war – nicht als Hobbit, sondern als rüde entwurzelten Baum, der flussabwärts gespült worden war, bis er eine schlammige Stelle erreichte und versuchte, dort wieder Wurzeln zu schlagen.

Die Vision verging, und als sich seine Augen wieder an das Dämmerlicht des Smials gewöhnten, bemerkte er, dass Sam bleich war und gezeichnet, und beinahe so dünn wie im letzten März. Rosie hatte Recht. Ein Windstoß würde ihn wieder auf die Straße hinaustragen.

Frodo ließ die bittersüße Versuchung noch einen Moment länger andauern. Wie wundervoll, die Beschwernisse des Auenlandes hinter sich zu lassen. Wie beruhigend, durch die Wildnis zu wandern, Sam neben sich und Lothlórien vor sich, und jeder von ihnen ohne Bürde, während sie dasaßen und ein stilles Abendessen miteinander teilten.

„Sam, du Dussel, hast du dein Frühstück schon wieder kalt werden lassen?“ Der Ohm stand im Eingang und spähte auf den halbvollen Teller zu Füßen seines Sohnes. „Gibt keinen Grund, Essen zu verschwenden.“

„Du kannst es haben, Papa.“ sagte Sam; er sprach mit der sorgfältigen Deutlichkeit, die, wie sie herausgefunden hatten, angesichts der wachsenden Taubheit seines Vaters am besten funktionierte. „Ich hatte ein bisschen Frühstück, bevor ich heute Morgen losgegangen bin.“ Er machte Anstalten, sich zu erheben, aber Frodo hielt ihn auf, und er schüttelte den Kopf, während er sich bückte, um den Teller hoch zu nehmen.

„Nicht dieses Mal.“ sagte er. „Es ist schon in Ordnung, Meister Gamdschie. Ich werde mich um Sam kümmern.“

„Schön und gut, Herr Frodo.“ sagte der alte Hobbit, ohne verärgert zu sein. „Vielleicht hört er ja auf dich, wenn er schon nicht auf die Vernunft hört.“ Er nahm sich eine Kelle, die er auf einem Regal neben der Tür liegen gelassen hatte und ging wieder hinaus.

Frodo drückte Sam den Löffel in die Hand und stellte den Teller auf seinen Schoß.

„Du musst essen, Sam.“ ordnete er an. „Wenigstens ein bisschen mehr. Und dann brauchst du anständig Schlaf. All dieses Herumreisen hat dich erschöpft.“

Für einen Moment lächelte Sam beinahe, und er kaute pflichtbewusst auf einer kleinen Portion Haferbrei herum.

„Wo bist du dieses Mal hingegangen?“ fragte Frodo, der dafür sorgen wollte, dass Sam sich genügend entspannte, um zu essen.

Sam schluckte schwer. „Ich war oben in Waldende – was sie nicht umhauen konnten, haben sie versucht zu verbrennen, aber ich nehm mal an, es war um die Jahreszeit zu nass. Da gibt’s immer noch Plätze, wo du stehen und schauen kannst, ohne zu sehen, was sie angerichtet haben.“ Er grub den Löffel wieder in den Haferbrei und betrachtete ihn einen Moment, ehe er ihn sorgsam hinlegte. „Wenigstens so lange du dich nicht umdrehst.“ Er hob die Augen zu Frodo; ein Flehen um Verständnis lag darin. „Ich hab heute schon was gegessen.“

Frodo dachte an all die Frühstücke, die er kaum abgerührt hatte und unterließ es, Sam zu schelten. „Wenn du sicher bist, dass du keinen Hunger hast, Sam...“ sagte er und nahm den Teller zurück.

„Ich brauch bloß ein Nickerchen.“ Sam stemmte sich aus dem Sessel hoch und stolperte in Richtung Schlafzimmer. Frodo folgte ihm und war ihm dabei behilflich, den schweren Harnisch loszuwerden. Sam war zu müde für mehr als einen Protest der Form halber, und Frodo wischte ihn beiseite.

„Das macht mir nichts aus, Sam. Du kannst nicht in all dem Zeug schlafen.“

„Auf dem Weg hab ich’s getan.“ sagte Sam und schwankte sachte auf der Stelle hin und her. „Spielt keine Rolle.“

Frodo hängte den Harnisch sorgfältig über eine Stuhllehne und schob Sams voll gestopfte Satteltaschen beiseite. So wie der Raum aussah, hatte Sam kaum genug Zeit darin verbracht, um einen Eindruck zu hinterlassen. Nur der Elbenmantel hing säuberlich an seinem Platz. Alles andere befand sich noch immer in Bündeln oder auf wirren Haufen, die darauf warteten, gewaschen zu werden. Frodo gab es auf, nach einem Nachthemd zu suchen und wandte sich wieder zurück zu Sam.

Sam hatte den Schwertgurt herunter bekommen; er presste die Scheide mit Stich darin gegen seine Brust. Tränen strömten ihm über das Gesicht. Frodo nahm das Schwert, legte es auf den Stuhl und manövrierte seinen erschöpften Freund zum Bett. „Was ist los, Sam?“ fragte er, als er endlich dafür gesorgt hatte, dass Sam sich hinlegte.

„Es ist Gollum.“ sagte Sam und drehte seinen Kopf auf dem Kissen zur Seite, als würde er sich schämen, auch nur soviel gesagt zu haben.

Gollum? Frodo saß sehr still, während die Erinnerungen an Sméagol vor seinen Augen tanzten. „Was ist mit ihm?“ fragte er, als er wieder sprechen konnte.

„Heute vor einem Jahr ist er gefallen, Herr Frodo, und bis jetzt hat überhaupt keiner um ihn getrauert.“ Sam schauderte unter Frodos Hand... so wie der Berg unter verborgenen Qualen erbebt war.

„Und trauerst du nicht jetzt um ihn, Sam?“ sagte Frodo und zog die Decke hoch bis zu Sams Schultern. „Er ist nicht vergessen, Sam, ich verspreche es dir.“

„Aber er ist weg,“ klagte Sam, „Und das hätte nicht so sein müssen, oder Gandalf wäre nicht mit drei Adlern zum Berg gekommen anstatt bloß mit zweien. Und das ist mein Fehler. Ich hab nie darüber nachgedacht, wie weh Worte tun können.“ Für einen Moment richteten sich seine Augen auf das Fenster, wo man den Ohm sehen konnte, der zwischen den Blumenbeeten herumstakste. „Manchmal frag ich mich... er war irgendwie so still auf den Treppen... wenn ich ihn nicht einen Kriecher genannt hätte...“ Sam rollte sich zu einem engen, verzweifelten Ball zusammen und versuchte, sein Schluchzen zu verbergen, und alles, was Frodo tun konnte, war, zu bleiben, ihm die Schultern zu reiben und zu warten, dass der Sturm vorüberging. Es dauerte nicht lange; Sam war allzu erschöpft. Bald streckte er sich, ausgelaugt bis auf ein paar wenige Schauder, und erwartete mit trockenen Augen Frodos Urteil.

„Ich habe ihn zuerst und am schlimmsten verletzt, beim Teich von Henneth Annûn.“ erzählte Frodo, und um des verlorenen Sméagol willen gestand er es laut. „Er wäre vielleicht immer noch zu mir gekommen, wenn ich ihm die Wahrheit gesagt hätte, aber ich habe ihm diese Gelegenheit nie gegeben.“ Er benutzte sein Taschentuch bei Sam. Seine eigenen Tränen brannten heiß in seinem Inneren, aber er würde nicht.... er konnte nicht weinen.

„Du hast es nicht böse gemeint.“ sagte Sam und er tätschelte schwach Frodos Hand, als könnte er trotz der Erschöpfung, die ihn überwältigte, seine Not spüren. „Und du bist aus tiefem Schlaf aufgeweckt worden, und es war das erste gute Bett, das du seit langer Zeit zu sehen bekommen hattest.“

„Du wurdest auf der Treppe genauso geweckt.“ erinnerte ihn Frodo. „Es tut nicht gut, sich zu fragen, was hätte sein können, Sam. Wir haben unser Bestes getan.“

„Ich will’s glauben, wenn du es tust.“ murmelte Sam und versank tiefer in den Kissen.

Frodo wartete, aber Sam sagte nichts mehr, und sein Atem wurde leiser. „Es war nicht dein Fehler.“ flüsterte er, als er sicher war, das Sam schlief. „Nichts von alledem.“

Erst, als er hinausgegangen und den ganzen Weg bis zu der Steinmauer gelaufen war, die den Rand des alten Bühls und den neuen Garten bezeichnete...erst da war es ihm möglich, zu weinen. Jetzt machten die Träume Sinn, einen schrecklichen Sinn, und er konnte sie nicht länger verdrängen. Also saß er im Wintergras, lehnte sich an die kalten Steine der Mauer und weinte; er wusste nicht, ob um Sméagol, um Sam, oder um sich selbst. Und nach einer Weile fand Rosie ihn dort, und sie nahm ihn wortlos in die Arme und ließ ihn an ihrer Schulter weinen.

Sie wartete, wiegte ihn sanft und rieb ihm den Rücken, um ihn zu beruhigen. Der Ohm stapfte glücklich in seinem Garten herum – es würde genug Zeit bleiben, um zu Sam zu gehen – jetzt konnte sie sich genügend Zeit für Frodo nehmen.

Er ließ nie zu, dass jemand ihn weinen sah; nicht seit nach der Schlacht, als Elma Straffgürtel zwei ihrer Söhne in den Reihen der erschlagenen Hobbits fand, und da hatte das ganze Dorf geweint. Er verbarg seinen Tränen, sogar vor sich selbst. Aber sie war diejenige, die das Bettzeug wechselte, und sie wusste, dass es nicht Schweiß war, von dem sein Kissen morgens so oft klamm war.

Selbst bevor er fortging, war er davor zurückgescheut, zuviel von seinem Herzen zu zeigen; schnell mit einem Lied bei der Hand, einer Geschichte oder einem Lachen, aber still im Kummer. Ein Edelhobbit in mehr als einem Sinne, das war Herr Frodo, auch wenn die meisten in Hobbingen und Wasserau dachten, er sei ein bisschen zu gebildet, als gut für ihn war. Es hatte mehr als ein Mädchen gegeben, das ein Auge auf den Herrn von Beutelsend geworfen hatte... nur um festzustellen, dass sie vergessen worden war, um etwas Poesie oder um eines Buches willen, das er in den Picknickkorb gesteckt hatte. Sie konnte sich daran erinnern, wie Angelika Braunlock einmal gesagt hatte, es wäre kein Spaß, hinter einem Hobbit her zu sein, der hübscher war als sie selbst, und der das wahrscheinlich auch bleiben würde. Besser, man trat zurück und genoss den Anblick aus der Ferne.

Aber seit er zurückgekommen war, sah man ihm jedes Jahr seines Alters an. Neue Linien hatten sich in seine feine, helle Haut gegraben, und neue Trauer in seine Augen. Ihr Vater dachte, das sei nur recht so, sie wusste es, und er respektierte Frodos Urteil um so mehr dank der Silbersträhnen in seinem Haar. Aber er fühlte sich schwach an in ihren Armen, wie ein Kind, frisch genesen von einem langen Fieber.

Endlich richtete er sich ein wenig auf, und sie kam mit dem Schürzenzipfel an sein Gesicht. „So... so ist’s recht... alles wird wieder gut.“ murmelte sie, als wäre er einer ihrer Neffen, der über ein aufgeschrammtes Knie weinte.

„Das wird es nicht.“ sagte er, „nicht, wenn Sam das Auenland verlässt.“

„Verlassen? Sam?“ Es stach in ihren Augen. „Warum sollte er fortgehen?“

„Weil du Recht gehabt hast, Rosie. Du hast gesehen, was ich nicht sehen wollte. Ein Windstoß...“ Er schluckte, einmal und noch einmal, als bekäme er die Worte nur schwer durch seine Kehle. „Wenn der Ohm nicht wäre, dann wäre er schon gegangen.“

„Nein, nicht doch.“ sagte sie. „Wieso sollte er gehen?“

„Er trauert.“ sagte Frodo. „Er trauert um Gollum, und um die Bäume im Auenland, und überall, wo er hinschaut, sieht er etwas, das ihn daran erinnert, was er nicht getan hat, und dann vergisst er das, was er getan hat. Er wird gehen. Es wird zu sehr wehtun, hier zu bleiben. Es sei denn...“ Seine Augen suchten ihr Gesicht, als forschte er nach etwas, das nur er allein sehen konnte. „Wirst du ihn heiraten, Rosie?“

„Ihn heiraten?“ rief sie. „Wie kann ich ihn heiraten, wenn er mir nicht einmal den Hof machen will?“ Das war die Frage, die sie sich seit November hunderte von Malen gestellt hatte, und es wurde nicht besser dadurch, dass sie sie wieder stellte. Sie hatte solche Hoffnungen gehegt, als Sam auf ihren Hof kam mit dem feinen neuen Harnisch und allem, aber nach der Schlacht und dem Tod von Saruman schien er kaum noch etwas anderes wahrzunehmen als die Arbeit, die getan werden musste. „Wie kann ich ihn heiraten, wenn er geradewegs an mir vorbeischaut?“

„Sorg dafür, dass er dich sieht.“ drängte Frodo. „Lass ihn nicht fortgehen.“

Er versuchte ein Lächeln, aber es erreichte seine Augen nicht. „Ich weiß, dass ist nicht die Art, wie solche Dinge behandelt werden. Er sollte derjenige sein, der spricht. Aber das kann er nicht, es sei denn, er ist sich sicher, dass er bleibt, und er wird nicht bleiben, es sei denn, er ist sich sicher, wo sein Platz ist.“

„Aber ich weiß nicht einmal, ob er mich überhaupt heiraten will!“ protestierte Rosie.

„Als wir Bruchtal das letzte Mal verließen, wollte er.“ sagte Frodo mit einer Sicherheit, die ihr verängstigtes Herz wärmte. Und jetzt lächelte er wirklich. „Ich habe gehört, wie er auf dem Ritt nach Bree geübt hat, sich dir zu erklären. Wäre Saruman nicht gewesen, ich glaube, er hätte schon längst um deine Hand angehalten.“ Er seufzte ein wenig und griff nach dem Edelstein, den er an einer Kette um seinen Hals trug. „Aber so, wie die Dinge ihren Lauf genommen haben... Ich kenne ihn, Rose Kattun, ich kenne ihn besser als mich selbst. Von seinem Standpunkt aus hat er dir nichts zu bieten, was du nicht besser woanders fändest. Das Gold, das Bilbo ihm gegeben hat, ist für die Wiederhestellung des Beutelhaldenweges ausgegeben worden, deshalb hat er kein eigenes Dach über dem Kopf.“

„Als ob mir das was ausmachen würde!“ sagte Rosie.

„Sam macht es etwas aus.“ erklärte ihr Frodo. „Und dann ist da dieses Gerede. Merry und Pippin bekommen scheinbar nicht viel davon zu spüren, aber sie haben dieser Tage immer genug zu lachen. Und ich bin der Neffe des Verrückten Beutlin, und ich hatte niemals einen Ruf, mit dem man etwas anfangen konnte. Aber Sam – für einen Hobbit, der das Auenland verlassen hat und zurückgekommen ist, wird es hart. Er hat diese Narren gehört; ich habe sie selbst gehört, sie sind nur allzu bereit, zu glauben, wir hätten jeglichen Hobbitsinn verloren, den wir jemals besessen haben. Wie kann er dich bitten, ihnen Gesprächsstoff zu liefern? Aber oh, er braucht dich, Rose.“

Sie verwarf auch diesen Einwand. Wenn sie sich darum kümmern würde, was die Klatschbasen sagten, dann säße sie wohl kaum im Sonnenschein, die Arme um Frodo Beutlin gelegt. Aber es gab andere Dinge zu bedenken, die schwerer zu umgehen waren, bevor sie Sam Gamdschie heiraten konnte. „Und würdest du nicht eifersüchtig sein, wenn ich zuviel von seiner Zeit haben will?“

Frodo schüttelte den Kopf. „Es ist anders herum, Rose. Das einzige, was mich hier hält, ist Sam. Alles andere nutzt nichts, egal, wie sehr ich mir wünsche, dass es anders wäre.“ Er berührte sanft ihre Wange, so dass sie nicht wegschauen konnte. „Ich wäre niemals eifersüchtig darauf, dass du Sam liebst. Nur dankbar dafür, dass du ihn heilst.“

Sie senkte den Kopf. „Ich war so eifersüchtig auf dich, während ich darauf gewartet habe, dass Sam zurückkommt. Und manchmal spür ich das immer noch.“ Es war schwer, es zuzugeben, und noch härter, fortzufahren. „Aber die seltsamste Sache ist, dass es anders wird, wenn ich ihn mit dir zusammen sehe. Es ist, als wär ich eifersüchtig auf die Sonne, weil sie nachts den Mond scheinen lässt. Ich könnte genauso gut eifersüchtig auf das Auenland sein, bloß, weil es jemanden braucht, der drum herum Bäume pflanzt.“

„Ich bin weder die Sonne noch das Auenland.“ sagte Frodo, von ihren Worten erschüttert.

„Für Sam schon.“ sagte sie, und sie stellte fest, dass es ihr Herz erleichterte, es zu akzeptieren. Aber Frodo krümmte die Schultern, als hätte ihm jemand eine schwere Bürde auferlegt, und er schüttelte abwehrend den Kopf.

„Nein,“ sagte er, „nein. Denn Sam ist das Auenland, und wenn ich die Sonne bin, dann gehe ich unter. Elrond hat mich in Bruchtal geheilt, Galadriel hat mich in Lothlórien in meiner Trauer getröstet, und Gandalf hat mich in Ithilien vom Tod zurückgeholt. Nur durch die Macht der drei verbliebenen Ringe ist mir die Gnade von ein paar Jahren mehr geschenkt worden, und die Drei schwinden dahin. Sie werden Mittelerde bald verlassen.“

„Ich verstehe nicht.“ sagte sie; sie hatte das Gefühl, als hätte sich eine Wolke vor die Sonne geschoben. Sie wollte nicht begreifen. Aber sie musste.

„Ich kann nicht sein, was Sam braucht. Ich sterbe, Rose. Ich habe es gesehen, und ich weiß, es ist wahr. Wenn die Drei Mittelerde verlassen, dann wird alles, das mich vor der Kälte, der Trauer und dem Schatten bewahrt, dahin sein, und ich werde tiefer und tiefer hineinrutschen in Schmerz, in Bitterkeit und in den Tod. Und es wird nichts geben, das Sam tun könnte, um mich zu retten.“

„Aber das würde ihn zerbrechen!“ protestierte sie.

„Das würde es.“ sagte Frodo zustimmend. „Ich habe ihn allein umherziehen sehen, wie Gollum, von allem beraubt, das er liebte.“ Er seufzte und rieb mit dem Daumen über seine Narbe. „Ich hatte gehofft, es wären nur Alpträume,“ flüsterte er und verschloss die Augen vor der Vision. „Aber ich kann ihm das ersparen, wenn ich mit Gandalf und den anderen gehe. Das habe ich auch gesehen – eine Zukunft, während derer Sam im Auenland bleibt, und er ist heil und es geht ihm gut, viele Jahre lang.“

„Weil du ihn verlässt?“ Sie glaubte das nicht. Aber Frodo lächelte sie an.

„Weil er etwas findet, das ich ihm nicht geben kann.“ sagte er.

„Mich?“ flüsterte sie, in der Hoffnung, dass seine Träume die ihren leiten würden.

„Ein Kind.“ Er nahm ihre Hände in die seinen. „Ich würde dich nicht anlügen, Rose Kattun. Wenn du dich entscheidest, ihn zu heiraten, dann mag es wohl Zeiten geben, in denen du dich als die Zweitbeste fühlst, weil du Sam nicht so nötig brauchst wie er dich braucht. Du wirst ihn so lieben müssen, wie er mich geliebt hat, während er die ganze Zeit wusste, dass ich den Blick schon vorher auf Bilbo – und ja, sogar auf den Ring – gerichtet hielt. Vielleicht wäre ich ohne Sams Fürsorge untergegangen, aber sie war immer da und ich habe sie als selbstverständlich hingenommen. Erst jetzt begreife ich, wie viel sie mir bedeutet hat.“

Sie konnte nicht antworten. Sie musste nachdenken. „Aber wenn du gehst... wenn du gehst, bevor das Baby kommt... er wird dir folgen, oder nicht? Er würde dir bis auf den Mond folgen. Und dann wäre ich ganz allein.“ Es würde schlimmer wehtun als das letzte Mal, wenn sie Sam für sich gewann und ihn erneut verlor.

Frodo stützte das Gesicht in seine Hände. „Ich hatte gedacht, im kommenden Herbst zu gehen.“ gab er zu. „Wenn die Blätter sich wieder golden färben. Aber ich werde Elrond eine Nachricht schicken und ihm sagen, dass ich nicht gehen kann, bis ich sicher bin, dass Sam geheilt ist. Bilbo...“ Seine Stimme wurde schwer. „Bilbo kann vielleicht ein weiteres Jahr durchhalten. Und selbst wenn er es nicht tut... es ist ja nicht so, dass er den Alten Tuk nicht schon geschlagen hätte, oder?“

„Oh Herr Frodo,“ sagte sie und zog ihn wieder an sich, „Oh mein Lieber, mein Lieber. Wenn es dir so viel bedeutet, dann werde ich Sam Gamdschie natürlich heiraten.“

„Ich danke dir.“ sagte er ihrer Schulter.

Sie spürte Gelächter in sich aufwallen wie ein Lied, genauso wie vor einem Jahr, und sie ließ es frei in das helle Sonnenlicht. „Alles, was ich jetzt tun muss, ist, es Sam zu sagen!“

Ihr Gelächter löste das seine, und seine eigene Freude überraschte ihn. Sie verstand. Sie verstand, und jetzt würde alles sich zurechtfinden. Er umarmte sie ganz fest und genoss das verzückte, prickelnde Schwanken zwischen Gelächter und Tränen, denn er war nicht allein. Und dann wurde sein Blick von einer seltsamen Bewegung eingefangen. Löwenzahnblätter bewegten sich kriechend über das Gras. Frodo starrte wie eingefroren an Rosies Schulter vorbei, als er begriff, dass er einer Pflanze dabei zusah, wie sie sich ihren Weg aus dem Boden bahnte. „Rose?“ sagte er. „Schau.“

„Nein, du musst schauen.“ sagte sie, ihre Stimme heiser vor Ehrfurcht.

Er drehte sich um und sah die Schösslinge entlang der Straße sich nach oben recken, die schmalen Finger der Zweige in der Brise wehend, als würde der Wind sie überall hin blasen. Schon zeigten sich kleine Knospen, aus ihren Muttertrieben herausschwellend, als müssten sie an einem Tag so viel erreichen wie sonst an zwanzig.

Es war Zauberei.

„Sam!“ schrie Frodo und hetzte zurück Richtung Beutelhaldenweg, mit Rosie auf den Fersen. Sam musste dies hier sehen!

Und bei seinem Schrei kam Sam aus dem Smial herausgestürzt, Stich gezogen und auf einen Angriff vorbereitet. Er hielt verwirrt inne, als er das breite Grinsen auf Frodos Gesicht sah. „Was ist los?“ fragte er, und dann sah er die Bäume, und die Klinge fiel aus seinen tauben Fingern.

Das Goldgrün des Frühlings-Wachstums glitt über das Gras und erweckte Gänseblümchen auf seinem Weg. Farbe flutete Sam ins Gesicht und Tränen traten ihm in die Augen. „Oh, Herr Frodo.“ flüsterte er. „Herr Frodo. Schau, was die Herrin für uns getan hat!“

„Du hast es getan, Sam!“ sagte Rosie; ihre Augen leuchteten. „Du hast ihr Geschenk mit dem ganzen Auenland geteilt!“ Bevor er sich bewegen oder etwas sagen konnte, nahm sie sein Gesicht in beide Hände und küsste ihn. Und Sam, verblüfft über alles Denken hinaus, vergaß die Bäume anzustarren und starrte stattdessen sie an.

Frodo lachte und bückte sich hastig, um das Schwert aufzuheben, bevor einer von ihnen darüber stolperte. „Was ist mit dem kleinen Samen, Sam?“ fragte er, obwohl er glaubte, die Antwort zu kennen. „Wo hast du diesen Teil vom Geschenk der Herrin eingepflanzt?“

„Die Festwiese!“ rief Sam aus, erwischte Rosies Hand und rannte los. „Lass uns nachschauen gehen!“ Er machte ein paar Schritte, dann hielt er an und drehte sich um. „Herr Frodo?“

„Geht nur.“ sagte Frodo und deutete auf die Klinge in seiner Hand. „Ich werde das hier erst einmal forträumen, dann hole ich euch ein.“ Er konnte nicht aufhören zu lächeln; Sam war noch benommen, aber die Unzufriedenheit war von ihm abgefallen wie ein alter Mantel. Rosie lächelte zu Frodo zurück und er nickte leicht, damit sie wusste, dass er sich mit dem Nachkommen Zeit lassen würde.

*****

Sie gingen Hand in Hand die Wiese hinauf; das Gras kitzelte an ihren Füßen, während es wuchs, und während sie liefen, sah Sam, dass sich an der Stelle, wo der Festbaum gestanden hatte, ein dünner Stab aus Silber erhob. Er war schon so groß wie er selbst und Zweige wuchsen aus dem Hauptstamm und deuteten verheißungsvoll die Gestalt des Baumes an, der kommen würde. Sie traten dicht genug heran, um ihn zu berühren, aber noch wagte er es nicht, aus Angst davor, aufzuwachen, so dass der Traum floh.

„Was für ein Baum ist das?“ fragte Rosie und lehnte sich gegen ihn, so dass er nicht anders konnte, als die Arme um sie zu legen, während er antwortete.

„Es ist ein Mallorn-Baum,“ sagte er und sah das goldene Schimmern an den Rändern der neu geformten Knospen. „Ein Mallorn,“ wiederholte er, als der Baum nicht verschwand. „Ich hätte heute morgen das ganze Auenland dafür gegeben, noch einmal einen zu sehen, und hier ist er.“

„Ein Mallorn-Baum?“ sagte sie, während ihr Entzücken wuchs. „Wie die Bäume von Lothlórien?“

„Ja.“ sagte er, und dann wunderte er sich, woher sie das wusste. „Wer hat dir von Lothlórien erzählt?“

„Ich hab Herrn Peregrin davon sprechen hören, und von Frau Galadriel.“ Sie warf ihm einen aufreizenden Blick zu und hielt seine Arme dort fest, wo sie waren. „Er sagte, sie wäre das hübscheste Mädchen, das man je gesehen hätte.“

Sam spürte seine Müdigkeit verfliegen wie eine vom Wind fort geblasene Wolke an einem Sommermorgen. „Nun, sie ist wunderschön, das ist mal sicher,“ neckte er zurück, als wären sie beide wieder Kinder die sich gegenseitig mit Erdbeeren bewarfen, nachdem sie ihre Bäuche gefüllt hatten. „Aber nicht das hübscheste Mädchen, das ich je gesehen habe...“

„So, und wer ist es dann?“ fragte sie mit einem Kichern.

Er tat, als würde er darüber nachdenken. „Also gut... da war immerhin die Königin, und Éowyn von Rohan, und jetzt, wo ich daran denke, Fräulein Päonie Beutlin war ein schöner Anblick – auf eine gewisse Alte-Damen-Weise, natürlich.“

„Sam!“ sagte Rosie, und er tippte sie auf die Nase.

„Nach Schmeicheleien fischen darfst du nicht!“ schalt er sie, aber die Worte erinnerten ihn an Gollum, und sein Lächeln geriet ins Schwanken.

Bevor er in Trauer versinken konnte, drehte sie sich im Kreis seiner Arme herum, umarmte ihn ihrerseits und legte ihren Kopf auf seine Schulter. „Wolltest du wirklich wieder einen Mallorn-Baum sehen?“ fragte sie.

„Wollte ich.“ sagte er ihr; wieder betrachtete er das Wunder, das neben ihnen wuchs, und nun wagte er, die Hand auszustrecken und seine glatte, feste Rinde zu berühren. Er war wirklich. Er war wirklich, und sie war es auch. „Jetzt sind heute schon zwei von meinen Wünsche wahr geworden.“ sagte er; er fragte sich, ob es wohl möglich sei, diesen Moment in seiner Süße auf ewig zu bewahren.

„Zwei Wünsche?“ sagte sie und wandte ihm ihr Gesicht zu. „Welches war der andere?“

„Einen Kuss von dir.“ sagte er und spürte, dass sie ihn umso fester hielt.

„Aller guten Wünsche sind drei.“ sagte sie, ihr Atem war wie eine flüsternde Brise auf seinem Gesicht.

„So ist es.“ sagte er und neigte den Kopf, um den dritten wahr zu machen.

*****

Epilog: 6. April 1420

Es hatte kein vergleichbares Geburtstagsfest gegeben, seit die Schwierigkeiten begonnen hatten, und jedes Kind in Hobbingen oder Wasserau, das imstande war, durch eine Hecke zu kriechen, war aufgetaucht, ob die Eltern nun eingeladen waren oder nicht. Ein paar der Eltern waren ebenfalls einfach so erschienen, aber da sie mit Brot kamen oder mit zugedeckten Schüsseln als Ergänzung für das Mittagessen, wurde niemand wieder fortgeschickt. Ein paar Stückchen Band waren der Preis für die Rennen und Spiele gewesen, und man würde den Kuchen in ziemlich kleine Stücke schneiden müssen, aber trotzdem lachten die Leute. Die Hälfte aller Instrumente in Hobbingen war zur Festwiese geschleppt worden von Musikern, die mit nichts mehr belohnt werden würden als mit der Gelegenheit, beim Tanz zuzuschauen.

Frodo saß auf dem Stumpf des Festbaumes und bewachte den Korb mit den Geburtstagsgeschenken. Er vermisste den alten Baum, aber sein Stumpf war ein guter Platz, um die Wiese zu überblicken. Ein paar Fuß weiter stand der Mallorn. Er war jetzt beinahe zwölf Fuß hoch und die Knospen hatten sich gerade an diesem Morgen geöffnet und entfalteten goldene Blüten, die einen angenehmen Duft verbreiteten und wie Leuchtkäfer-Laternen flimmerten, sogar im hellen Tageslicht.

Ein paar der waghalsigeren Hobbits kamen an diesem Tag, um ein wenig Zeit mit ihm zu verbringen – einer davon war Bauer Kattun – und sie hatten Mühe, ihre Augen von diesen Blüten abzuwenden. Frodo seinerseits hatte Mühe, seine Belustigung für sich zu behalten. Im Licht der vergangenen zwölf Tage fiel es selbst den respektabelsten Hobbits schwer, zu leugnen, dass es Elbenzauber gab. Und der Mallorn-Baum hatte über alle Zweifel hinaus bewiesen, dass sie sich irrten.

Aber nur wenige Seelen trauten sich heran, und die meiste Zeit konnte Frodo einfach dasitzen und war es zufrieden, zu beobachten. Merry und Pippin hielten neben dem Bierfass hof, das sie zusammen mit den Möbeln aus Krickloch mitgebracht hatten. Verschiedene hübsche Hobbitmädchen hatten sich versammelt, um ihren Geschichten zuzuhören, und ein paar weniger hübsche ebenfalls. Ohm Gamdschie hatte eine ganze Anzahl seiner Freunde um sich geschart und verbreitete sich über die Tugenden von gut verrottetem Dünger für Blumenbeete.

Sam hatte sämtliche Spiele und Rennen überwacht, und es endete damit, dass er auf einem umgedrehten Eimer thronte, umgeben von Kindern, die ihn großäugig anstarrten, während er den Schnee und die Stürme auf dem Caradhras beschrieb. Rosie saß auf seinem Knie, ebenso gefangen von der Geschichte wie nur eines von den Kleinen. Frodo war sich sicher, dass die Ankündigung ihrer Hochzeit nicht überraschend kommen würde, so oft hatte Sams Hand an diesem Tag die ihre gesucht.

Für einen Moment schloss er die Augen; er erinnerte sich, wie schamvoll Sam seine Absichten eingestanden hatte, und an die Erleichterung, die sein Gesicht aufleuchten ließ, als Frodo ihn eingeladen hatte, seine Braut nach Beutelsend zu bringen. Er sagte, er sei „entzweigerissen“. Aber nicht länger gebrochen, dem Himmel sei Dank. Dem hellhaarigen Mädchen aus Frodos Träumen würde sich ein kleiner Bruder hinzugesellen, wenn alles gut ging. Es würde gut gehen. Sam brauchte einfach jemand anderen, für den er sorgen konnte... Seine Hand suchte aus eigenem Antrieb nach dem Edelstein, den Arwen Undómiel ihm geschenkt hatte.

„Ho, Frodo!“ Pippins gut gelaunte Stimme riss ihn aus seinen Gedanken. Sein Vetter drückte ihm einen Humpen in die Hand, krabbelte den Baumstumpf hinauf und setzte sich neben ihn. „Was ist in dem Korb?“

„Geschenke.“

„Ja, aber was für Geschenke?“ Pippin stibitzte eines der zusammengedrehten Papiertütchen und sah selbstzufrieden aus; dann merkte er ernüchtert, dass Frodo nichts getan hatte, um seinen kleinen Raubzug zu verhindern. „Nicht schwer genug für eine Münze.“ Er schüttelte das kleine Paket. „Salz?“

„Samen.“ erklärte ihm Frodo; er hätte es sowieso bald genug herausgefunden. „Blumen aus Ithilien. Die Farbe des Bandes sagt dir, ob du es in die Sonne oder in den Schatten pflanzen sollst.“ Frodo war sich nicht sicher, ob Sam in diesem Jahr irgendjemandem ein Geburtstagsgeschenk schuldete, aber Sam bestand, als er dem Fest erst einmal zugestimmt hatte, darauf, seine Samenvorräte aufzuteilen; er meinte, das würde ihm die Arbeit ersparen, sie alle selbst einzupflanzen.

Pippin wenigstens schien von der Aussicht angetan zu sein, dass es etwas auszupacken gab; er steckte das Päckchen zurück in den Korb, blickte über die Wiese wie ein König auf seinem Thron und ließ die Beine baumeln. „Ein großartiges Fest, nicht wahr? Warum bist du nicht da unten und gibst den Bürgermeister?“

Frodo lachte und nahm einen Zug von dem kühlen Bier; gewärmt von Pippins leichtherziger Hänselei. „Es ist Sams Fest.“ antwortete er im selben Tonfall. „Ich dachte, ich lasse ihn die ganze Arbeit machen.“

„Er hat genug Arbeit getan.“ sagte Pippin leise. Dann warf er Frodo einen Blick zu, setzte sein Lächeln wieder auf und hob seinen Humpen. „Immerhin, er sieht besser aus als vorher. Was hast du getan – hast du ihm einen Ziegelstein über den Schädel gezogen, damit er endlich Schlaf bekommt? Oder hast du ihn einfach mit Rosie Kattun in einem Zimmer eingeschlossen?“ Frodo war sich nicht sicher, was er darauf antworten sollte, aber das tat nichts zur Sache, denn Pippin hob das Gesicht mit einem mutwilligen Grinsen aus seinem Krug. „Nein, es muss der Ziegel gewesen sein.“ beantwortete er seine eigene Frage. „Mit Rosie hätte er wohl kaum irgendwelchen Schlaf gekriegt, oder?“

„Peregrin Tuk!“ Frodo tat., als sei er schockiert, und das war nicht so schwer, wie es aussah. Wie hatte er so blind sein können, wenn selbst Pippin bemerkt hatte, dass Sam müde war... Aber es war unmöglich, sich länger bei seinen eigenen Unzulänglichkeiten aufzuhalten, wenn Pippin auf diese Weise kicherte. Er gab auf und lachte ebenfalls.

„Was wirst du tun?“ fragte Pippin, als sie sich erholt hatten. „Baust du ihnen noch einen Smial im Neuen Weg?“

Frodo schüttelte den Kopf. „Nein. Ich habe sie eingeladen, mit mir in Beutelsend einzuziehen.“

Pippin hob eine Augenbraue. „Das wird nicht ganz so einfach, meinst du nicht?“ In den Groß-Smials oder im Brandyschloss, wo Dutzende von Hobbits zusammenlebten, war es normal, dass die Bediensteten Quartiere in der selben Höhle hatten, aber in Hobbingen war das eher unüblich; abgesehen von ein paar älteren Edelhobbits, die dauernde Pflege brauchten, konnte er sich nicht an ein einziges Beispiel erinnern.

Frodo zuckte die Schultern. „Leichter für Sam, als die ganze Zeit hin und her zu rennen. Und nahe genug, dass er ein Auge auf den Ohm haben kann, ohne sich mit der Zunge des alten Hobbit herumschlagen zu müssen.“ fügte er still hinzu.

Pippin nickte; seine eigenen Eltern begriffen nicht, warum er sich zu Hause nicht mehr einfügte, und sie waren nicht annähernd so taub und stur wie Ohm Gamdschie. „Ich dachte, Sam wollte eine eigene Höhle, und ein bisschen Garten.“ sagte er. „Das war es, was die Herrin ihm angeboten hat, nicht?“

„Ja.“ sagte Frodo. „Aber das ist nicht, was er jetzt will, und bis es soweit ist, kann er in Beutelsend bleiben.“

„Was ist mit der Braut? Was denkt sie über diese Vereinbarung?“

„Rose Kattun und ich verstehen einander. Das sollten wir auch, nachdem ich die letzten fünf Monate bei ihrer Familie verbracht habe. Sie will Sam genauso sehr glücklich sehen wie ich.“

„Nun... ja, aber was machst du, wenn es jahrelang so weiter geht? Ich meine - sie werden Kinder haben.“

Frodo lachte. „Beutelsend wurde für Kinder gebaut, Pippin. Was glaubst du, warum es dort so viele Zimmer gibt? Nur, weil der alte Bungo und Belladonna außer Bilbo keine Kinder hatten, bedeutet das nicht, dass sie keine wollten.“ Er erinnerte sich daran, wie Bilbo ihm von diesem lang vergangenen Kummer erzählt hatte, kurz nachdem er gekommen war, um in Beutelsend zu leben... in einer stürmischen Nacht, als die Höhle ihm leer und geisterhaft vorgekommen war nach all den Jahren im Schloss. Sie hatten zum Trost Saatkuchen mit dicker Sahne und Marmelade gegessen, und er war in dem Sessel im Empfangszimmer eingeschlafen. Bilbo hatte ihn mit einem Mantel zugedeckt, der nach Pfeifenkraut und Pfefferminze roch, und der kratzte, wo der raue Stoff sein Gesicht berührte. Er konnte sich noch immer an die Berührung der Hand seines Onkels auf seinem Kopf erinnern, einer Segensgeste gleich, als er in die Träume hinüber glitt. „Sie haben es versucht, mehr als einmal. Aber er war der einzige, der lang genug lebte, um einen Namen zu bekommen.“

„Du vermisst ihn, nicht wahr.“sagte Pippin. Es war keine Frage.

„Jeden Tag.“ Frodo seufzte, dann lächelte er und langte nach oben, um Pippin das Haar zu zerzausen. „Wie auch immer, Bilbo hat Kinder immer gemocht. Ich kann mich noch daran erinnern, wie ich ihm geholfen habe, all dieses Spielzeug einzupacken, das er für seinen einundelfzigsten Geburtstag besorgt hatte. Er hat für jedes Kind in Hobbingen und Wasserau etwas Besonderes ausgesucht, sogar für die, die Angst vor ihm hatten. Und für sämtliche Zwölf-Meilen-Vettern. An sonnigen Nachmittagen erzählte er immer Geschichten und verteilte Gebäck im Garten. Du solltest dich daran erinnern.“

„Nur ein bisschen.“ gab Pippin zu. „Ich war erst zehn, als Bilbo fort ging. Das ist es, woran ich mich erinnere.“ sagte er und nickte zu dem Geschichtenerzähler hinüber, der zeigte, wie Legolas seinen Bogen im Kampf gegen die Warge spannte. „Sam, der Geschichten erzählt – alles über Bilbo und Elben und Trolle und Zwerge und Drachen.“ Er legte den Kopf schief und krauste die Nase. „Er hat mir allerdings kein Gebäck geschenkt. Bloß die ausgedünnten Karotten und solche Sachen. Und er hat mich auch noch dafür arbeiten lassen!“

„Hat er?“ Frodo war entzückt. Er hatte nie geahnt, dass Sam es fertigbrachte, Pippins Schmeicheleien zu widerstehen. Das hatten nicht viele geschafft, als Pippin klein war.

„Nun... was glaubst du wohl, wieso ich jedes Mal, wenn wir zu Besuch kamen, so schmuddelig geworden bin?“

„Ich dachte einfach, du magst Dreck!“ lachte Frodo.

„Mochte ich auch.“ Pippin zwinkerte. „Und ich mochte den Gedanken daran, wie wütend Perle werden würde, und dann musste sie versuchen, es vor ihrem jüngsten Verehrer zu verbergen.“ Die Erinnerung an alte Spitzbübereien glitzerte in seinen Augen. „Aber am meisten mochte ich das Helfen. Sam war der einzige, der jemals meinte, ich wäre groß genug dafür.“

„Wolltest du deswegen immer mit dabei sein, wenn deine Schwestern zu Besuch kamen?“ Frodo hatte sich das jahrelang gefragt. Er war erfreut genug gewesen, Eglantine Tuk und ihre Töchter Beutelsend als Ausgangspunkt für die Ehemänner-Jagd zur Verfügung zu stellen – jedenfalls, nachdem Perle einmal entschieden hatte, dass er nicht zur Beute gehörte.

Pippin zuckte die Achseln. „Ich wollte einfach kommen.“ sagte er, als hätte er nie zuvor darüber nachgedacht. „Ich glaube, ich habe immer darauf gehofft, dass etwas Zauberhaftes passiert, wie bei dem Fest. Wie Gandalfs Feuerwerke. Ich habe immer noch das Pony zum Aufziehen, das Bilbo mir gegeben hat. Nebenbei gab es immer die Chance, dass du vergisst, die Speisekammern abzuschließen. Zuhause haben sie das nie vergessen.“

„Und da habe ich gedacht, du kommst meiner glänzenden Gesellschaft wegen.“ protestierte Frodo lachend.

„Ich hatte Angst vor dir! Wenigstens, bis ich ein bisschen älter wurde und begriffen habe, dass du bloß gegrummelt hast, weil Primmie ständig auf Männerjagd war. Aber vor Sam habe ich mich nie gefürchtet. Ich hab ihm alle meine aufgeschrammten Knie gezeigt.“ Er zuckte angesichts seines ernsthaften Tonfalles die Schultern. „Hör mir bloß zu. Ich klinge, als wäre ich hundert Jahre alt und Sam stünde am Rande des Grabes. Bloß, weil er eine Freundin gefunden hat.“

„Daran ist nichts verkehrt.“ sagte Frodo.

„Wieso sucht du dir dann keine?“ fragte Pippin ein bisschen zu scharf, und dann errötete er unter Frodos Blick. „Tut mir leid. Merry hat mich hier heraufgeschickt, um sicherzugehen, dass du beim Tanzen mitmachst.“

„Pippin, ich bin zweiundfünfzig, und ich fange an, auch so auszusehen. Wieso denkst du, irgendein Hobbitmädchen würde mit mir tanzen wollen?“

„Du bist reich. Und berühmt. Und du siehst nicht alt aus, nicht wirklich. Nun - älter als vorher, aber das ist in Ordnung. Und Merry wird tanzen, und ich wette, er sucht sich eine Frau, und ziemlich bald wird alles anders, und ich wünschte...“ Er zog seine Unterlippe zwischen die Zähne und starrte hart zu Boden.

Frodo berührte seinen Arm. „Du wünscht dir, es würde sich nichts ändern.“

Pippin nickte. „Es ist nicht der Teil mit der Freundin, der mir Kopfschmerzen bereitet. Es ist das Heiraten. Sam ist immerhin bloß ein bisschen älter als Merry. Normalerweise macht es mir nichts aus, jünger zu sein, aber jetzt schon... weil ich sehen kann, wie sehr Sam mit Rosie zusammen sein will, und ich kann das nicht verstehen. Ich wünschte, wir wären auf Caras Caladhon.“ sagte er. „Du und ich, und Sam und Merry, die sich um uns kümmern. Der Mallorn-Baum macht es nur noch schlimmer, weil er mich daran erinnert. Wenigstens kannst du Sam bei dir haben – Merry wird in Bockland bleiben müssen, wenn er erst einmal eine Frau gefunden hat, und dann muss ich ganz allein nach Hause gehen.“

„Und wer sagt, dass du keine Frau findest?“ fragte Frodo.

„Du hast es nie.“ Pippin studierte ihn und wartete auf eine Antwort.

„Ich hatte den Ring.“ sagte Frodo, überrascht, dass es ihm möglich war, darüber zu sprechen. „Ich denke nicht, dass er Rivalen geduldet hätte.“

„Mach nicht den Ring dafür verantwortlich.“ sagte Pippin. „Du wolltest Bilbo bloß so ähnlich sein wie möglich. Er hatte den Ring nicht, bevor er beinahe in deinem Alter war, und er hat nie geheiratet. Hat die Mädels einfach nicht bemerkt.“

„Oh, das hat er wohl.“ Frodo lachte. „Er wollte sich nur nicht auf eine einzige festlegen!“

„Bilbo?!“ rief Pippin aus. „Wirklich?“

„Frag deine Tante Petunia und schau, ob sie rot wird.“ forderte Frodo ihn heraus. Er lächelte. „Wir hatten ein paar sehr interessante Gespräche, als ich in das Alter kam, in dem ich die Mädchen bemerkte.“

„Aber wenn Bilbo ein solcher Schürzenjäger war, wieso hat er dich dann kommen lassen, um bei ihm zu leben? Ich meine, das muss die Dinge doch schwieriger gemacht haben.“

Frodo schaute beiseite, in Richtung der Straße, die nach Beutelsend hinaufführte. „Ich habe ihn das einmal gefragt, und er sagte, dass er, obwohl er äußerlich nicht so sehr gealtert sei, doch innerlich älter wurde. Nach einer Weile waren die Mädchen, die er seit Jahren kannte, selber alt und die, die es nicht waren, sahen für ihn allesamt wie Kinder aus. Nebenbei, er war neunundneunzig, als er mich aufnahm. Er brauchte seinen Schlaf.“

Pippin stützte sein Kinn auf die Hände und seine Ellbogen auf die Knie; er beobachtete, wie Sams Publikum „Ooh!“ und „Aah!“ machte bei seiner Beschreibung von Gandalfs Feuerwerk und dem Sieg über die Warge. „Vielleicht, wenn ich älter bin.“ räumte er ein. „Vielleicht. Wenn ich jemals ein Mädchen finde, das macht, dass ich mich so fühle wie Sam heute.“

Frodo schaute ebenfalls hin; er fragte sich, ob Pippin die Elbenlichter sehen konnte, die in Sams Haar tanzten. Zwölf Tage hatten nicht ausgereicht, um die Spuren zu tilgen, die der vergangene Winter auf Sam hinterlassen hatte – die Linien des Kummers waren allzu tief eingezeichnet, und seine Handgelenke und Knöchel sahen immer noch dünn aus – aber jetzt war eine Stärke in seiner Haltung und in seinen Bewegungen, die von der erneuerten Erde sprach. Das Geschenk der Herrin war durch seine Poren in ihn eingesickert, und sie heilte ihn, so wie sie die Bäume heilte. Als könnte er den Blick seines Herrn spüren, schaute Sam den Hügel hinauf und begegnete seinen Augen mit einer kurzen Besorgnis, die sich in ein leuchtendes Lächeln verwandelte, als er sah, dass es Frodo gut ging. Aber er streckte die Hand aus, und Rosie war da, um sie zu nehmen, und Frodo lächelte beide an.

„Finde ein Mädchen, die dich so anschaut, wie Rosie Sam anschaut.“ sagte er zu Pippin, während Sam anfing, sich den Hügel hinauf zu arbeiten, in Richtung des Korbes mit Geschenken; hier und da hielt er an, um mit seinen Gästen zu reden oder um sich zu bücken, damit er die sorgsam einstudierten Geburtstagsgrüße der kleinen Hobbits entgegennehmen konnte. „Finde ein Mädchen, dass dich sieht, dann wird es dir gut ergehen.“

„Denkst du, das ist möglich, Frodo?“

Frodo blickte hinaus auf die Welt vor ihm; er sah die Bäume entlang der Straße, die neue Blätter trieben, und das überströmende Grün, das freudig die Narben des vergangenen Jahres auslöschte. Ein Ausbruch sorglosen Gelächters von weiter unten drang an sein Ohr, und er lachte, als er sah, wie sich Merry übertrieben galant vor einem Schwarm Mädchen verneigte, während sie sich fröhlich gegenseitig das Privileg streitig machten, den Hügel hinauf eskortiert zu werden. Es war keine Bosheit in ihnen, keine Verzweiflung in dem wohlverdienten Aufstand, den die älteren Hobbits wegen der Manieren der jüngeren machten, keine Angst in irgend einem der Gesichter, die er vor sich sah. Das Auenland wurde gesund, und sein Volk wurde es ebenfalls. Frodo nahm einen tiefen Atemzug von der parfümierten Luft und wandte den Kopf, um das Wunder der Mallorn-Blüten ein weiteres Mal anzuschauen. Er hatte sich nicht mehr so sicher und vollständig gefühlt, seit er in Ithilien erwacht war.

„Ich glaube, das muss so sein, Pippin.“ sagte er, und dann lächelte er seinen jungen Vetter an. „An manchen Tagen denke ich, alles ist möglich.“

ENDE


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