... und schwinden nicht dahin (Not fade away)
von Jael, übersetzt von Cúthalion



3. Kapitel
Das Glück wendet sich

In diesem Kapitel begegnet unsere Heldin allen Hauptfiguren und gibt ihren Namen preis.

„Habe ich die richtige Adresse?“ fragte sie sich, während sie an dem Wolkenkratzer hinaufstarrte. Das Gebäude war ein Mies van der Rohe-Design, überall schwarzes Glas und silbriger Stahl, und seine schiere Höhe reduzierte die nervöse Frau, die in ihrem blauen Businessoutfit und mit hohen Absätzen auf dem Gehsteig stand und ihre kostbare Mappe umklammerte, zu Zwergengröße. Sie überprüfte den Ausdruck noch einmal. Dies war die richtige Adresse für die Dale Toys Company, aber das einzige Logo auf dem Gebäude sagte in eleganten Silberbuchstaben gleich neben dem Haupteingang „Rivers Enterprises“. Wenn sie vorher noch nicht eingeschüchtert gewesen war, jetzt war sie es ganz bestimmt.

„Das ist so dermaßen außerhalb meiner Kragenweite,“ sagte sie sich unglückselig, während sie die Tür aufstieß und die Lobby betrat.

Das Interieur des Gebäudes war alles andere als steril. Die Lobby erstreckte sich über zwei Stockwerke, und ihre Hinterwand war mit Natursteinen verkleidet, samt einem hohen Wasserfall und umgeben von Grünpflanzen. Wie haben die das hingekriegt, dass dieser Baum hier drinnen wächst, hinter all diesem schwarzen Glas? fragte sie sich, während sie nach dem Security-Tisch suchte. Überraschenderweise war das Licht trotz der dunklen Verglasung warm und golden.

„Darf ich Ihnen helfen, Miss?“ Ein Sicherheitsmann saß hinter einem Granittisch mitten zwischen dem Grünzeug. Bei Dale Toys oder River Enterprises – oder was von beiden es auch war – gab es ganz eindeutig keinen Dresscode, denn das bleiche Haar des Mannes reichte hinunter bis auf seine Schulterblätter und überdeckte seine Ohren. Er trug eine Uniform in Schattierungen von Grün und Braun, die man nur als stilvoll bezeichnen konnte, bis hinunter zu der Aufschrift „Hal“ auf seiner linken Brusttasche. Sie konnte einen Revolver sehen, der diskret um seine Hüfte geschnallt war. Genauso diskret waren die Reihen von Sicherheits-Bildschirmen und Computermonitoren, die hinter dem Schreibtisch leuchteten.

„Ja. Ich bin für ein Bewerbungsgespräch hier. Mein Name ist Walker. Ich soll mich um 14.00 Uhr mit Mrs. Singer aus der Personalabteilung treffen.”

Er blickte auf einen seiner Bildschirme hinunter. „Sie werden erwartet. Ich lasse jemanden hinunterkommen, der Sie mit hinauf nimmt.“ Das blaue Glühen des Monitors erhellte sein Gesicht, und sie konnte nicht umhin, zu bemerken, dass er auf eine exotische Art und Weise unglaublich gut aussah. Sie gab sich selbst geistig einen Klaps. Ihr Ehemann war erst drei Monate weg und sie dachte wie ein hormonberauschter Teenager!

„Wenn Sie Platz nehmen wollen… Ah, einen Moment, hier kommt jemand, der Ihnen den Weg zeigen kann.“ sagte Hal.

Ein hoch gewachsener Mann in einer weiteren grünbraunen Uniform kam gemächlich durch die Lobby heran; er schleppte einen Eimer einen Mop und ein Schild, auf dem stand: „Cuidado: Piso Mojado“* Auf der Brusttasche des Hausmeisters stand: „Randy.“

„Randy, könnten Sie Mrs. Walker hinauf in die achtundvierzig bringen?“

„Aber sicher. Ich wollte demnächst sowieso dahin. Hier entlang.” sagte er, führte sie zu einer Reihe von Fahrstühlen und zog seine Eimersammlung hinter sich her in den Aufzug. Er wartete, bis sie eintrat, dann drückte er die Nummer des Stockwerks.

„Für ein Bewerbungsgespräch hier?”

Sie nickte. Wenn sie auch nur annähernd ihrem Trottel von einem Ehemann geähnelt hätte, wäre das der Moment gewesen, in dem sie diesem Verwalter gegenüber den Yuppie markiert und ihn ignoriert hätte (als den Untermenschen, der er war), aber Randy schien ihr nett genug zu sein. „Ja, da ist eine offene Stelle in der Kunstabteilung. Ich glaube aber nicht, dass ich eine große Chance habe.“

„Ach, kommen Sie schon. Wie können Sie erwarten, dass Sie mit so einer Einstellung irgendwas erreichen?“ Randy grinste. „Wenn die einen Kerl wie mich hier arbeiten lassen, warum nicht auch Sie?“

Sie erwiderte das Grinsen. Obwohl sie Tausende von Meilen von jeder Küste entfernt waren und sich im Lake Michigan kaum jemals eine Welle erhob, die höher stieg als drei Fuß, sagte alles an Randy: „Surfer“. Außerdem sah er sogar noch besser aus als Hal – falls das überhaupt möglich war – und auch er trug sein golden leuchtendes Haar in einer langen Mähne. Wie immer dieser Ort hieß, es gab definitiv keinen Dresscode.

„Eine positive Einstellung ist alles, sage ich immer,“ fuhr Randy fort, als teilte er eine tiefgründige Lebensweisheit mit ihr. Der Aufzug summte, als die beiden sich Richtung Himmel bewegten. „Sagen Sie mir mal was,“ meinte er, hielt seinen Unterarm hoch und untersuchte ihn gründlich, wobei er seine Hand hierhin und dorthin drehte. „Sieht das hier für Sie solide aus?“

Sie blinzelte. Das war eine höllisch merkwürdige Frage, und für einen Moment fragte sie sich, ob es wirklich so eine gute Idee war, sich mit diesem Kerl allein in einem Aufzug zu befinden. Er ragte leicht über die 1, 95 m hinaus, und, grob ausgedrückt, er war ganz schön kräftig. Aber sie nahm an, dass Hal etwas von seinem Job verstand. „Ähm… mir kommt es völlig solide vor. Sagen Sie mal, macht Dale zufällig Drogentests?“

Randy schüttelte den Kopf. „Nee. Drogentests gibt’s überhaupt keine. Ich meine, wenn der Job an Sie verschwendet ist und Sie die Sache vergeigen, dann sollten Sie bei Mr. Rivers nicht nach viel Sympathie suchen. Aber suchen Sie auch nicht nach der Sorte Person, die so etwas machen würde.“

„Das ist schön zu wissen.“ Es war wirklich schön zu wissen. Sie bekam es verdammt satt, für das bloße Vorrecht, Versicherungsformulare auszufüllen, jeden Monat in einen Becher zu pinkeln. „Ich vermute, das heißt auch: keine Lügendetektoren für die Angestellten.“

„Teufel, nein,“ lachte Randy. „Die haben wir hier nicht nötig.“ Der Aufzug kam zum Stehen und die Türen glitten mit einem munteren Ding! zur Seite. „Da sind wir, achtundvierzigster Stock: Personalabteilung, Kurzwaren, Haushaltswaren und Damenunterwäsche.“

Sie hielt ihre Mappe noch fester und holte tief Atem. „Also, wünschen Sie mir Glück. Das scheint ein netter Platz zum Arbeiten zu sein.“

„Ich glaube nicht, dass Sie Glück nötig haben werden,“ sagte Randy mit einem rätselhaften Lächeln, als die Tür sich zwischen ihnen schloss.

Dies hier ähnelte keiner Büroflucht, die sie je zuvor gesehen hatte. Die Wände hatten eine warme, erdige Farbe und waren mit Wandbehängen und asiatischer Kunst bedeckt. Dezent getönte Orientteppiche machten die Fußböden aus Hartholz weicher. Alles schien darauf kalkuliert zu sein, dass es Frieden und Bequemlichkeit hervorrief. Wer hatte die Einrichtung dieses Gebäudes geschaffen, und wie viel Geld war dafür drauf gegangen? fragte sie sich.

Eine hoch gewachsene, schlanke Frau wartete im Flur und streckte ihr eine langfingrige Hand entgegen. „Ich bin Linda Singer. Sie müssen Mrs. Walker sein. Kommen Sie hier entlang,” sagte sie, führte sie in ein Büro, von dessen Fenster aus man den See überblickte, und lotste sie zu einem Sessel. Linda setzte sich hinter einen Schreibtisch, wo eine Kopie des Lebenslaufes ausgebreitet lag. „Zuerst einmal, wie soll ich Sie nennen? Ihr Lebenslauf sagt M. Susan Walker. Passt Ihnen Susan?“

Sie zögerte. Das mit dem M. Susan war Michaels Idee gewesen. Er dachte, es sähe auf einem Lebenslauf professioneller aus als ihr ungewöhnlicher erster Name; er sagte immer, der klänge so, als wäre sie von Hasch rauchenden Hippies getauft worden. Tatsächlich hatte er kurz vor dem Ende damit angefangen, sie ,Sue’ zu nennen, was sie verabscheute… immer dann, wenn er es nicht über sich brachte, sie zärtlich mit ,Schatz’ oder ,Liebling’ anzusprechen. Aber jetzt erkannte sie, dass er ihr noch einen weiteren Teil ihrer Seele gestohlen hatte, als er ihr den Gebrauch ihres Namens verweigerte. Über die letzten sechs Jahre hinweg war sie mehr und mehr zu einem Geist verkommen, und es war Zeit, dem ein Ende zu machen.

„Nein. Ich bin keine Sue. Susan ist mein mittlerer Name, nach einer Großtante von meinem Vater. Mein Taufname ist Mariposa, was ein ausgezeichnetes Argument dafür ist, diese exotischen Babynamen-Bücher von schwangeren Frauen fernzuhalten,“ sagte sie mit einem raschen, kläglichen Lachen. „Aber meine Freunde nennen mich Posey.“

„Dann nenne ich Sie auch Posey,“ sagte Linda. „Obwohl ich glaube, dass es ziemlich reizend ist, nach einem Schmetterling zu heißen. Wo ich herkomme, ist es nicht ungewöhnlich, nach einer Blume oder irgendeinem anderen schönen Ding aus der Natur benannt zu werden. Kann ich Ihnen etwas zu trinken anbieten? Fruchtsaft oder Quellwasser?“

„Etwas Wasser, dankeschön.“ Posey war ziemlich dankbar, als sie einen Becher voll Mineralwasser entgegennahm. Die Nervosität machte ihr den Mund trocken.

„So, Posey,“ sagte Linda, „dann sagen Sie mir doch, weshalb Sie für Dale Toys arbeiten wollen.“

Noch ehe es ihr bewusst wurde, stellte Posey fest, dass sie dieser freundlichen Frau völlig freimütig Antwort gab. „Ich wollte endlich einmal etwas tun, worin ich gut bin, anstatt bloß hinter einem Computerterminal die Zeit totzuschlagen. Und ich bin gut in künstlerischen Dingen, auch wenn ich es nie auf die Kunstschule geschafft habe. Ich muss ehrlich mit Ihnen sein – ich fürchte, ich verschwende Ihre Zeit. Ich habe noch nicht einmal das College beendet.“

„Ich war überhaupt nicht auf dem College,“ sagte Linda gelassen, „genauso wenig wie Mr. Rivers. Alles, was uns hier kümmert, ist, dass Sie Ihren Job beherrschen, und dass Sie ihn gut machen.“

„Mr. Rivers?“

„Ja. Aaron Rivers, unser Eigentümer. Dale Toy Company ist eine Tochtergesellschaft von Rivers Enterprises, gemeinsam mit dem Ithilien-Landschaftsdienst, Abendstern-Juwelen und verschiedenen anderen Firmen, von denen Sie gehört haben mögen oder auch nicht.“

Bei der Erwähnung des Namens horchte Posey gleich zweimal auf. Der Name Aaron Rivers kam ihr bekannt vor. Obwohl er ihr nicht wirklich geläufig war, hatte sie ihn schon früher nennen hören, und beinahe immer im selben Tonfall wie die Namen von Bill Gates und Howard Hughes. Rivers hatte den Ruf, reicher zu sein als Gott, und doppelt so öffentlichkeitsscheu. Den Gedanke, dass er eine Spielzeugfabrik besaß, fand sie irgendwie eigenartig, obwohl die Juwelen haargenau zu seinem habgierigen Image passten.

Dann traf sie die zweite Welle des Begreifens. Dale Toys! „Die Klötzchen!“ rief sie entzückt.

Als Kind von gebildeten Eltern war Posey mit jeder Menge ,lehrreichem’ Spielzeug traktiert worden; das Spielen mit den meisten davon machte ungefähr soviel Spaß wie eine Mahlzeit aus Tofu und Spinat. Aber diese Dale-Klötzchen waren eine Quelle kreativer Ablenkung gewesen, die bis fast in ihre Teenagerjahre angehalten hatte und noch ein bisschen weiter, wenn sie sie heimlich wieder herausholte, um fantastische Burgen und Festungen zu konstruieren, deren einziges Limit ihre eigene Vorstellungskraft war. Da hatte es auch eine Holzeisenbahn gegeben, deren Einzelteile in unendlichen Kombinationen zusammenpassten, und… „Und die Malbücher! An diesen Malbüchern habe ich mir die Zähne ausgebissen! Die Bilder waren immer so wunderschön, und ich kam mir immer wie ein richtiger Künstler vor, wenn ich sie ausgemalt habe. Ich glaube, das ist der Grund, warum ich überhaupt angefangen habe, mich für Kunst zu interessieren.“ Sie brach verlegen ab, während Linda mit stillem Vergnügen über ihren Enthusiasmus lächelte.

„Es freut mich zu hören, dass Sie mit unseren traditionellen Erzeugnissen vertraut sind. Wir versuchen allerdings, im Fluss zu bleiben, und das ist es, wo wir junge Talente einbringen möchten.“

„Ist denn nicht jedes neue Talent jung? Ich meine, das Design dieser Klötzchen gibt es schon seit mehr als hundert Jahren, nach dem, was ich gelesen habe. Meine Mutter sagte, sie hätte in einigen derselben Bücher gemalt, als sie ein Kind war, damals in den Fünfzigern. Wenn es gut ist, warum es dann ändern?“

„Wir wollen nicht so sehr etwas ändern als vielmehr auf der Vergangenheit aufbauen, wenn Sie so wollen. Wenn es gut ist, dann kann man es noch besser machen. Die Erfindung von heute ist der Klassiker von morgen.“

Posey seufzte. „Ich sehe nicht, wie ich etwas verbessern könnte, womit ich aufgewachsen bin.“ Dann gab sie sich einen weiteren geistigen Klaps – so setzt du die Bewerbung in den Sand, Mädel!

Linda lachte. „Ob Sie gut genug sind, das lassen Sie am besten unsere Sorge sein. Wir sind lange genug im Geschäft, um zu wissen, was wir tun.“ Sie schaute auf, als die Tür sich öffnete. „Zeit, dass du auftauchst, Gary. Posey, das ist Gary Brooke, der Chef der künstlerischen Abteilung. Wenn ihm Ihre Mappe gefällt, dann wird er Ihr Vorgesetzter sein.“

Oh Jeesus, dachte Posey, noch so ein Hingucker. Der Kopf der künstlerischen Abteilung war ein weiteres dunkelhaariges Modell wie Linda, groß und dünn. Das Haar war lang und überdeckte die Ohren. Hatten diese Leute noch nicht bemerkt, dass die Achtziger vorbei waren? Nicht dass sie sich beschweren wollte, denn dieser Look stand ihm. Vielleicht war es irgendwas im Wasser oder in der Luft des Gebäudes, das dafür verantwortlich war; in diesem Fall hoffte Posey inständig, dass sie den Job bekam, denn so gut wollte sie auch gern aussehen.

„Schön, schauen wir mal, was Sie hier haben,“ sagte Mr. Hingucker, während er anfing, die Zeichnung in ihrer Mappe durchzublättern. Sie hatte das schreckliche Gefühl, dass sie nackt vor höheren Wesen auf und abparadierte, aber ihm schien zu gefallen, was er sah. „Ooooh – kay. Wir wollen es Leif vorlegen.“

„Wer ist Leif?“ fragte sie hilflos, als sie alle aufstanden. Ihr fiel auf, dass Linda diskret das Glas in die Jackentasche steckte, aus dem sie das Mineralwasser getrunken hatte.

„Leif Aransen, der Vizepräsident unserer Firma. Ich nehme Sie mit in den neunundvierzigsten, damit Sie ihn treffen. Betrachten Sie das als Ihr zweites Bewerbungsgespräch. Ich hoffe, ein kleiner Fußmarsch macht Ihnen nichts aus,“ sagte Gary; er führte sie zum Notausgang und die Treppe hinauf.

Ihre Füße schmerzten höllisch in den engen Pumps, aber für eine Chance, diesen Job zu kriegen – und mochte sie noch so klein sein – wäre sie durch hundert Treppenhäuser gelaufen und hätte dabei noch gelächelt. Sie folgte Brooke beherzt über die Stufen und gestattete sich nur dann zu humpeln, wenn er ihr den Rücken zuwandte.

„Sind Sie in Ordnung, Mrs. Walker?“ fragte er, als er den Notausgang für sie aufhielt und zum ersten Mal bemerkte, dass sie mehrere Schritte zurücklag.

Sie war nicht in Ordnung. Er war die Stufen hinaufgeeilt, als wären sie gar nicht da, während sie außer Atem war und anfing zu schwitzen. „Mir geht’s gut,“ log sie. „Bloß ein bisschen nervös vielleicht.“

„Weil Sie Leif begegnen? Nicht doch. Ich kenne ihn seit langer Zeit – ich war mit ihm in Ith – Italien, und ich kann Ihnen versichern, er beißt nicht. Ich verrate Ihnen ein Geheimnis – Ihre Zeichnung hat ihm gefallen. Sehr. Sie würden nicht glauben, durch was für einen Dreck wir uns in den letzten paar Tagen haben wühlen müssen.“ In Glens Tasche piepste es; er zog den Pager heraus und verzog das Gesicht. „Mist noch mal! Ich muss sofort nach unten. Es ist das Eckbüro, am Ende des Ganges. Die Tür steht offen. Er erwartet Sie.” Er verschwand, noch bevor sie protestieren konnte.

Sie konnte das Eckbüro kaum verfehlen, und wie versprochen war die Tür offen. Posey klopfte schüchtern gegen den Türrahmen und spähte hinein. Fast alle verfügbaren Wände wurden von Bücherregalen eingenommen. Es überraschte sie nicht, dass die meisten dieser Regale tatsächlich mit Büchern gefüllt waren, aber ein paar davon enthielten auch Modelle der üblichen Dale-Spielsachen. Posey erkannte das hölzerne Eisenbahnset wieder und die Klötzchen, zusammen mit einem Irrgarten aus Marmor. Die übrigen freien Wände waren mit Photographien von Gärten bedeckt und mit etwas, das aussah wie gerahmte Bilder aus den Malbüchern. Eines davon war ein Bild von einer Gruppe mittelalterlich aussehender Herren und Damen, die über eine Wiese ritten, mit drei hohen, weißen Türmen im Hintergrund. Posey erinnerte sich, dass sie genau dasselbe Bild ausgemalt hatte, als sie sieben Jahre alt war.

Der riesige Schreibtisch, der auf den See hinausblickte, war leer. Stattdessen saß ein blonder Mann mit Pferdeschwanzfrisur, einem grünen Sweater und Khakihosen in einer Ecke über einen Computermonitor gebeugt, und seine Finger flogen über ein Gamepad. „Eine Sekunde, ich bin gleich bei Ihnen.“ Er blieb auf den Bildschirm konzentriert, wo sich jede Art von Chaos abspielte. „Aaaach – nein… Verdammt! Schön, das war’s, ich bin tot. Das Spiel ist vorbei.”

Posey schnappte nach Luft. Er war zu atemberaubend, um wahr zu sein. Ein Mann von dieser grazilen Schönheit musste so schwul sein, wie der Tag lang war, und was für eine Verschwendung, sagte sie sich. Er hielt ihr eine Hand hin, um die ihn ihre Mutter, die Klavierlehrerin gewesen war, beneidet hätte – diese langen Finger konnten leicht elf Tasten überspannen. Zu ihrer Überraschung war es ein kraftvoller Händedruck.

„Und wie lang ist der Tag?“ fragte er und blickte verwirrt drein. „Sie müssen Mrs. Walker sein.“

„Bitte nennen Sie mich Posey,“ sagte sie und versuchte, einen klaren Gedanken zu fassen. „Entschuldigen Sie bitte, aber das Spiel, das Sie gerade gespielt haben, war das…?“

„War es, aber falls Sie sich wundern, das war Recherche, keine Faulenzerei,“ sagte er leichthin. „Ich will, dass Dale Toys seine eigene Linie von Videospielen entwickelt, und ich probiere die Konkurrenz aus, um zu sehen, was ein Spiel zum Erfolg macht.“

„Äh… ist das nicht eines der gewalttätigsten Spiele auf dem Markt? Das, das die Gutmenschen immer als Beispiel für alles anführen, was mit unserer Gesellschaft schief läuft?“

„Wenn Sie es wiedererkennen, dann müssen Sie es ein- oder zweimal selbst gespielt haben.“ Als sie einfältig nickte, fuhr er fort: „Also, dann müssen Sie doch zugeben, dass es ziemlich cool ist.“

Sie musste lachen. Statt des Industriemagnaten, den zu treffen sie erwartet hatte, kam er ihr mehr wie eines der typischen, intelligenten Computer-Kids vor. Er sah nicht viel älter aus als fünfundzwanzig, wenn überhaupt. „Ich dachte, Dale Toys sollte den goldenen Standard von gutem, ganzheitlichem Spaß setzen. Spielsachen, die gut für einen sind.“

Er zog einen Stuhl für sie heran und bedeutete ihr, sich zu setzen. „Ich habe eine Theorie darüber, wenn Sie die Geduld dafür aufbringen. ,Spaß’ und ,gut für einen’ müssen sich nicht zwangsläufig ausschließen. Computer und Videospiele sind wunderbare Dinge, um uns zu lehren, wie man grundlegende Probleme löst. Wenn Sie zuerst keinen Erfolg haben, dann gehen Sie zurück und versuchen es auf andere Weise, bis Sie es hinkriegen. Selbst die Gewalt ist nicht notwendigerweise eine schlechte Sache. Ich habe gekämpft, und ich kann Ihnen sagen, dass es das Natürlichste ist, wie ein verängstigtes Kaninchen zu erstarren, es sei denn, Sie sind ihr bereits in kleinen Dosen ausgesetzt worden.“

„Waren Sie drüben im Irak?“ fragte sie, und als er den Kopf schüttelte, fuhr sie fort: „Kosovo? Somalia? Doch nicht Desert Storm?“

„Ähm… ich bin ein bisschen älter, als ich aussehe. Sie haben wahrscheinlich nicht davon gehört oder interessieren sich dafür.“ Er warf ihr ein rätselhaftes Lächeln zu. „Ich habe diese Politiker nie verstanden, die Videospiele zensieren und V-Chips** in unsere Fernseher stecken wollen, um jeden Hauch von Gewalt aus dem Leben der Gegenwart zu verbannen - und dann drehen sie sich um und geben ihre Stimme dafür ab, Kinder zum Kampf in fremde Kriege zu schicken.“

„Ich denke trotzdem nicht, dass es gut für irgendwen ist, sich seinen Kick zu holen, indem er Fußgänger überfährt und Cops erschießt.“

„Punkt für Sie,“ stimmte er zu. „Deshalb mag ich dieses hier noch mehr.“ Er hielt eine andere CD-Hülle mit einem bekannten Logo hoch.

„Oh ja, das ist eins meiner Lieblingsspiele!”

„Richtig. Es gibt hundert Wege, jedes Level zu überwinden, und man verliert Punkte, wenn man einen Zivilisten oder einen Cop tötet. Tatsächlich bekommt man umso mehr Punkte, je weniger Leute man tötet und je weniger Lärm man veranstaltet. Natürlich ist diese Figur ein Mörder, und das ist ein gewisses Problem. Wir wollen nicht, dass die Kids glauben, das wäre eine gute Idee.

Worauf ich aus bin, ist ein Spiel, das Spaß macht, das einen herausfordert, sein Hirn und seine Findigkeit zu benutzen, um durchzukommen, dessen Grafik qualitativ hochwertig aussieht und das eine Hintergrundgeschichte hat, die – moralisch gesprochen – keinen schlechten Geschmack im Mund hinterlässt.“

„Ich habe nicht die geringste Ahnung davon, wie man Computercodes schreibt!“ protestierte sie.

„Das müssen Sie auch nicht. Dafür haben wir die technische Abteilung. Was ich von meiner künstlerischen Abteilung brauche, sind Leute mit Vorstellungskraft und der Begabung, eine ausgedachte Welt glaubwürdig zu machen. Ich würde keine realistische Zeichnung hinbekommen, und wenn mein Leben davon abhinge, und das ist der Grund, weshalb Sie hier sind. Ich mochte Ihr Blatt.“

Er zog einen Ausdruck des Scans heraus, den sie ihm geschickt hatte und legte ihn auf den Tisch. „Haben Sie zufälligerweise das Original dabei? Ich würde es wirklich sehr gern haben, wenn das der Fall wäre. Ich würde mich auch freuen, dafür zu bezahlen.“

„Seien Sie nicht albern,“ sagte sie, nahm das Original aus ihrer Mappe und reichte es ihm hinüber. „Es ist bloß eine Seite Computerpapier und eine Zeichnung mit einem Zweier-Bleistift. Behalten Sie es.“

„Aber genau das ist der Punkt. Sie können zeichnen, mit einem echten Stift auf echtem Papier, und es sieht nicht so aus wie jedes Stück gewöhnlicher Computerkunst, das wir diese Woche bekommen haben. Ich glaube, wenn ich Sie um einen Berg bitte, eine Höhle oder einer riesige Spinne, dann können Sie mir eine geben, die nicht aussieht wie ein mieser Comic-Strip.“

„Ich kann es versuchen – das ist alles, was ich Ihnen versprechen kann.“

„Mehr kann niemand von Ihnen verlangen.“ Das Telefon zirpte, und Leif entschuldigte sich, um abzunehmen. Während er sprach, starrte Posey höflich aus dem Fenster und tat so, als würde sie bei der einseitigen Unterhaltung nicht zuhören. „Hallo… Schon? Na ja, es ist trotzdem eine Sperre. Anweisung von oben… Nur aus Neugier, was waren die Ergebnisse?” Er warf ihr einen raschen Seitenblick zu und lächelte. „Ah! Das dachte ich mir.” Er verabschiedete sich rasch und legte auf. “Nun, Mrs. Walker, haben Sie irgendwelche Fragen?”

Hatte sie irgendwelche Fragen? Wo sollte sie anfangen? “Ich nehme an, meine erste Frage wäre, wann ich von Ihnen etwas über ein weiteres Gespräch höre, Mr. Aransen.“

„Das werden Sie nicht.“ Ihr Gesicht verfiel. “Ein weiteres Gespräch ist nicht notwendig. Sie sind eingestellt. Und ich bin Leif. Ich habe mir nie viel aus Formalitäten gemacht, das ist eher etwas für meinen Vater.”

„Ihren Vater?”

„Hat man Ihnen das nicht gesagt? Aaron Rivers ist mein Vater. Ich mag ja ein Eckbüro bekommen, aber mein Vater kriegt die Geschäftsführer-Suite. So ist es immer gewesen, und so wird es immer sein. Und ich verrate Ihnen ein Geheimnis – das finde ich völlig in Ordnung so.“

Na, das erklärte eine ganze Menge, dachte sie. Warum jemand Mitte Zwanzig der Vizepräsident einer Firma war, und warum sein Büro an ein riesiges Spielzimmer erinnerte. Die unterschiedlichen Nachnamen verwirrten sie ein wenig. War Leif das Ergebnis einer kurzen, frühen Ehe, von der Leif den Namen eines Stiefvaters mitgenommen hatte? Oder vielleicht gar keine Ehe? Unter den Reichen und Berühmten waren schon merkwürdigere Dinge passiert, und es ging sie nichts an. Alles was zählte, war der Gehaltsscheck, solange der Job dauerte. „Wie bald können Sie anfangen?“

„Sobald Sie mich brauchen.“

„Gut… melden Sie sich morgen bei Linda und sie hilft Ihnen, sich zurechtzufinden. Natürlich können Sie tragen, was Sie möchten,“ sagte er mit einem beziehungsreichen Blick auf ihr Kostüm und ihre Pumps, „aber ich würde Ihnen stark bequeme Berufskleidung empfehlen. Ich glaube, dass die Leute bessere Arbeit leisten, wenn sie sich tatsächlich bewegen können, ganz abgesehen davon, dass ihnen nichts wehtut.“ Um den Punkt zu verdeutlichen, hielt er einen Fuß hoch, der in einem Autofahrer-Mokassin steckte und wackelte fröhlich mit den Zehen. Er hatte lange Beine, die zu seinen Fingern passten, und er war, wie sie bemerkte, unglaublich biegsam.

Ja! dachte sie und hob im Geist beide Daumen. Keine Strumpfhosen mehr!

„Hier ist eine Kopie Ihres Arbeitsvertrages, mit Zusatzleistungen und Gehalt. Gibt es ein Problem?“ sagte er, als sie angesichts des Betrages die Augen aufriss. „Nicht genug?“

Halt bloß den Mund, du dumme Kuh, und mach dir das hier nicht kaputt, sagte sie sich. „Nein, es ist sehr gut. Äußerst großzügig, wirklich.“

„Sie könnten feststellen, dass Sie auch von einigen anderen unserer Firmen Anweisungen erhalten – vor allem von Ithilien-Landschaftsdienste. Ich hoffe, Sie mögen Pflanzen, Mrs. Walker.“

„Posey,“ verbesserte sie. „Vor allen, wenn von mir erwartet wird, Sie Leif zu nennen. Und ich mag Pflanzen sehr gern.“

„Gut. Vielleicht entwerfen Sie irgendwann auch Juwelen. Es hängt alles davon ab, worin Sie gut sind. Wir werden das Gehalt dann irgendwann neu verhandeln, je nachdem.“

Auch damit hatte sie nicht das geringste Problem.

„Oh – Posey? Sie haben doch noch eine Frage. Es steht Ihnen mitten ins Gesicht geschrieben, seit Sie hier hereingekommen sind,“ sagte Leif spitzbübisch. „Sie haben eine Antwort verdient.“

Oh bitte, betete sie, hoffentlich hat er die Sache mit dem Schwulsein nicht mitgekriegt!

„Das Haar? Lang, fließend, flachsblond und bis über unsere Ohren? Es… es ist ein Teil unserer Religion.”

Sie nickte höflich. Ein religiöser Brauch. Natürlich. Hier, im multi-kulturellen Chicago, war sie an jede Menge Turbane und Yarmulkes gewöhnt. Und daheim in Wisconsin, in Richland Center, hatte es sogar Amish gegeben, mit diesen fransigen Bärten. Es war alles ein Teil des Kodex der Midwestern-Nettigkeit – man gab nie Kommentare über die Religion von jemandem ab. Man akzeptierte sie einfach, ohne Fragen zu stellen, egal wie fremdartig sie auch sein mochte – obwohl sie sagen musste, dass dieses lange Haar einer von den ästhetischeren Bräuchen war, die sie schon zu Gesicht bekommen hatte.

„Dann bis morgen,“ sagte er.

Ich bin in einen Traum geraten, sagte sie sich, als sie das Büro verließ und sich auf den Weg hinunter zur Straße machte. Sie gestattete sich keinen Moment den Gedanken, dass das alles ein ganz kleines bisschen zu einfach gewesen war.

*****

So weit, so gut, der erste Tag war halb vorbei. Sie hatte sich pünktlich um neun bei Linda Singer gemeldet und eine rasche Führung durch das Gebäude bekommen… oder wenigstens den Teil, der sie etwas anging. Die Kantine und ein Fitness-Center für die Angestellten samt Umkleideräumen und Duschen befanden sich im dritten Stock. Die nächsten zwanzig Stockwerke nach oben waren der Produktion und dem Versand für die Spielzeugfirma gewidmet, obwohl Linda sie informierte, dass es rings um den Globus auch noch an anderen Orten Spielzeugfabriken gab. Oberhalb davon befanden sich Büros der verschiedenen Rivers-Tochterfirmen, von denen es viele gab, eine Fluglinie und die Schiffslinie Whitestone eingeschlossen, zusätzlich zu den Juwelieren und der Landschaftsfirma, die sie schon kannte. Die Büros des Ithilien-Landschaftsdienstes nahmen das oberste Stockwerk ein, direkt unterhalb vom 47. Stock, der die künstlerische Abteilung beherbergte.

Posey hatte ein Labyrinth aus Würfeln von der Art erwartet, an die sie gewöhnt war, aber die künstlerische Abteilung war eine angenehme Überraschung. Sie war geräumig und offen, und die einzelnen Arbeitsplätze wurden durch Druckertische oder Kästen mit Grünpflanzen voneinander getrennt. Die meisten hatten einen direkten Ausblick durch die Fenster und Tageslicht, und die, bei denen es nicht so war, befanden sich an Wänden mit Büchern oder Kunstwerken.

„Wie kann man in einer hässlichen Umgebung kreativ sein?“ hatte Gary gesagt, als er ihr Erstaunen bemerkte. Ihr eigener Arbeitsplatz stand vor den Bücherregalen. „Zur Inspiration, wenn Sie es brauchen,“ hatte Gary ihr erklärt, aber sie konnte durch einen Schleier aus Farn nach Osten auf den See schauen.

Sie hatte einen Zeichentisch und einen Schreibtisch mit einem Computer und Zusatzgeräten, einen guten Scanner eingeschlossen. Sie verbrachte den Morgen damit, die Kunstbücher in den Regalen und die Software in ihrem Computer zu erforschen.

Als die Mittagszeit kam, nahm sie den Aufzug hinunter zur Kantine. Sogar dieser Ort war von einer angemessenen Ästhetik. Die langen Tische im Stil eines Refektoriums waren aus Holz anstatt aus Plastik, und die Beleuchtung indirekt. Das Essen war einfach, aber gut; es bestand aus verschiedenen Brotsorten, kaltem Fleisch und Käse, und aus einer großen Auswahl an frischem Obst und Gemüse. Eine Registrierkasse gab es nicht – die Mahlzeiten waren in ihrem Gehalt inbegriffen, und Linda hatte ihr gesagt, dass sie früher kommen und dort frühstücken konnte, und dass sie länger bleiben konnte, um dort auch noch zu Abend zu essen, wenn sie es wollte.

Sie nahm sich ein Tablett und einen Teller, den sie mit Nussbrot, Hühnchen und einem Stück Goudakäse belud. Eine Flasche Mineralwasser kam noch dazu.

Aber jetzt erlebte sie einen dieser Highschool-Momente. Gruppen von Arbeitern aus den Firmenstockwerken saßen an den Tischen, aber sie zögerte, sich in einen bereits etablierten Kreis von Freunden zu drängen. Ein paar von ihnen plauderten munter auf Spanisch, andere sprachen Polnisch, und noch andere Arabisch… und keine dieser Sprachen konnte sie verstehen. Schüchtern ging sie an allen vorbei und setzte sich allein in eine Ecke.

„Wie hat Ihnen Ihr erster Morgen bei uns gefallen?“ sprach eine sanfte Stimme sie von der Seite an. Es war Linda, und Posey war dankbar, ein vertrautes Gesicht zu sehen. „Darf ich mich zu Ihnen setzen?“

„Natürlich.“ Lindas Gesellschaft war wie Wasser in der Wüste. “Es ist alles ein bisschen überwältigend. Ich bin kein Snob, aber niemand von denen scheint Englisch zu sprechen.“

„Die meisten unserer Fabrikarbeiter sind Einwanderer. Und nein, nicht deswegen, weil man sie für weniger Geld anheuern kann.“ Linda hielt inne und Posey war ganz kurz beschämt, denn genau das hatte sie gedacht. „Mr. Rivers war der Sohn eines Einwanderers, und es gefällt ihm zu sehen, dass Neuankömmlingen eine Möglichkeit gegeben wird, sich ein anständiges Leben aufzubauen.“

„Das ist erfrischend,“ sagte Posey. „Zu schade, dass nicht alle Arbeitgeber in den Großstädten so denken. Chicago hat viele Einwanderer, und es ist viel zu einfach, sie auszunutzen.“

„Ich wünschte, Sie würden das all den Leuten erzählen, die zu glauben scheinen, wir hätten irgendeine Schwindelei im Sinn, wenn wir Mindestlöhne und Zusatzleistungen bezahlen.“ Linda lachte. „Wir bekommen mehr Besuche von der Steuerbehörde als alle anderen Arbeitgeber in der Gegend zusammen genommen, oder so scheint es jedenfalls.“

„Eigenartig, dass du das erwähnst, Linda,“ sagte ein jugendlicher Mann in einem braunen Tweedanzug, der ein Tablett mitbrachte und sich neben sie setzte. „Großer Ärger heute Morgen im obersten Stock… nur dass es diesmal ein Besuch der Einwanderungsbehörde war. Sie haben Kemal von unten aus der Eingangs- und Lieferabteilung mitgenommen. Sie sagten irgendwas darüber, dass es ein Problem mit seinem Arbeitsvisum gäbe.“

„So ein Blödsinn, Glenn! Ich habe seine Papiere selbst überprüft.“ Linda klang verärgert. „Das ist furchtbar – Fayah bekommt in drei Wochen ihr Kind. Werden sie ihn ausweisen?”

„Nicht, wenn Aaron in der Sache etwas zu sagen hat. Er hat Sid und Morrie sofort darauf angesetzt. Die beiden haben Kemal bis heute Abend wieder draußen, oder spätestens morgen. Natürlich hat das Ganze Aarons Laune nicht gerade verbessert.“ Er seufzte. Dann hellte sich sein Gesicht auf. „Wer ist das denn? Ich glaube nicht, dass wir uns schon vorgestellt worden sind.“

„Das ist Posey Walker aus der künstlerischen Abteilung. Posey, darf ich Ihnen Glenn Butler vorstellen? Er ist Mr. Rivers persönlicher Assistent.”

Glenn sah nicht ganz so umwerfend gut aus wie Gary oder Leif, aber sein Lächeln glich das mehr als wieder aus. „Künstlerische Abteilung, was? Ich hoffe, Sie mögen Pflanzen. Leif wird Sie dazu kriegen, Gärten zu entwerfen, ehe Sie sich’s versehen.”

„Ich mag Pflanzen wirklich sehr gern. Aber im Moment ist es geplant, dass ich Spiel-Hintergründe zeichne. Der erste scheint so eine idyllische Landschaft zu sein, mit kleinen Häusern, die in die Seiten der Hügel eingebettet sind. Dabei gibt es jede Menge Pflanzen.“

Glenn schüttelte sein dunkles Haar. Offenbar war er noch ein weiterer Anhänger dieser geheimnisvollen Religion bei Rivers. Seine schiefergrauen Augen zeigten ein warmes Zwinkern. „Ach, Leifs Videospiel. Dale Toys macht sich auf den Weg ins 21. Jahrhundert. Schöne neue Welt! Mir fällt es noch immer schwer, mich daran zu erinnern, in welchen Zeitalter wir gerade sind.“

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* Cuidado: Piso Mojado – Vorsicht: nasser Fußboden!

**Violence Chip – muss seit 2000 in jeden US-Fernseher eingesetzt werden, wo er als für Kinder ungeeignet gekennzeichnete Sendungen mit zu viel Gewalt oder zu deftiger Sprache blockieren soll.


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