Es liegt Sehnsucht in der See (There is longing in the sea)
von illyria-pffyffin

Leer.

Alles andere ist gleich. Die Bäume, die Splitter von Gold und Kupfer verstreuen. Die Reihe der steinernen Pfeiler. Die gewölbten Gänge, von hohen Säulen getragen, so geschnitzt, dass sie schlanken, stattlichen Bäumen gleichen. Die leeren Fenster der elbischen Behausungen auf beiden Seiten der Förde. Wasser, tiefblau, beinahe schwarz, das am Fuß der dunklen, von Stufen durchzogenen Klippen leckt. Und, weit entfernt, die goldenen Wasser der westlichen See, die in der sinkenden Sonne schimmern. Genau an diesem Tag vor einem Jahr hat alles genau so ausgesehen.

Außer, dass heute kein Schiff am mittleren Kai liegt. Der Wind trägt keine Spur vom Murmeln der Elben mit sich, das so sehr ein Teil seiner Erinnerung an diesen Tag ist. Da ist kein Gandalf, der neben Schattenfell steht und mit sanften Augen auf ihn hinunterblickt. Das ist kein Bilbo, ein träumerisches Lächeln auf seinem Gesicht, während er vom Laufsteg herabwinkt.

Und da ist kein Frodo.

Merry betrachtet den leeren Hafen. Heute ist es ein Jahr her. So lange schon? Wieso blutet die Wunde in seinem Herzen noch immer beim Anblick der verlassenen Anfurten? Zwölf Monate sind vergangen, und der Schmerz muss erst abklingen. Die Sehnsucht allerdings wird nur noch stärker.

Seine Füße straucheln auf dem mit Blättern bestreuten Weg. Heute ist es ein Jahr her. Wenn er nicht gekommen wäre, würde die Wunde heute so sehr wehtun? Wenn er nicht Frodo gesehen hätte, wie er zu Bilbo hinaufging, die Hand des alten Hobbits in die seine nahm, ihm etwas zuflüsterte und lächelte, während Bilbo lachte; wenn er sich nicht an all diese Momente erinnert und sie in seinen Träumen wieder erlebt hätte, würden die Tränen, die ihm plötzlich in den Augen brennen, wiederkehren und ihn daran erinnern, wie kalt sich seine Wangen anfühlten, als der Wind daran vorüber strich und sein Gesicht nicht länger an die Wärme von Frodos Lippen gedrückt war?

Wenn er Frodos Geschichten und Lieder im Brandyschloss nicht so sehr geliebt hätte, wenn er Frodos Feste und Zeltausflüge nicht so sehr geliebt hätte, als er älter war und seinen Vetter in Hobbingen besuchen konnte, wenn er Frodo nicht noch mehr geliebt hätte, nachdem er von seinem Opfergang wusste, wenn er Frodo nicht sogar noch mehr geliebt hätte, als sie in ein Auenland zurückkehrten, das so verändert war, dass es Frodo nicht länger ein Zuhause bot… Wenn er Frodo nicht geliebt hätte, wenn er ihn nicht liebte, würde die Sehnsucht ihm dann so wehtun?

Merry wischt sich die Tränen aus den Augen und geht die Stufen zum Pier hinunter. Dann bleibt er plötzlich stehen, schnappt nach Luft, wird noch eine Schattierung bleicher und blinzelt.  

Er rennt die Stufen hinunter und den Pier entlang – und stolpert beinahe dabei - er hält den Atem an und versucht, nicht laut zu rufen, aus lauter Angst, dass die Vision verschwindet, und ihn nur noch zerrissener von Trauer zurücklässt. Aber die Gestalt auf dem Pier wendet den Kopf, gerade als Merry auf sie zustürzt.

„Merry!”

Diese Stimme, dieses Gesicht bringt ihn zum Stehen, und Merry fühlt sich, als müsste er gleichzeitig lachen und weinen. Ein breiter Abgrund tut sich in seinem Herzen auf, und seine vorherige Heiterkeit und seine unsinnigen Hoffnungen stürzen in diese finstere Tiefe; ihm ist schwach und leer zumute. „Pip,“ stellt er mit einem schweren Seufzer fest.

Pippin gluckst, während er seine Beine über den Rand des Piers schwingt, und schaut Merry an.

„Ich dachte beinahe, du bist Frodo,“ sagt er.

Und ich hätte wissen müssen, dass selbst in seinen besten Zeiten Frodo nicht so breit und hoch gewachsen war wie dieser mit Enttrunk gepäppelte Hobbit, der da jetzt mit verschränkten Beinen auf diesem staubigen Steinpier sitzt, eine Pfeife in der Hand, sagt eine Stimme in Merrys Geist. Und sein Haar hat auch nicht annähernd so golden ausgesehen wie die Locken auf Pippins Kopf.

Er setzt sich neben Pippin und schaut auf die sanften Wellen des Wassers unter ihnen hinab.

 „Er kommt nicht zurück, oder, Merry?“ fragt Pippin mit flacher Stimme; er blickt auf die verschwommene, weit entfernte Mündung der Förde hinaus.

„Nein.“ Seine Stimme kommt schroff und belegt heraus. Merry schließt die Augen und räuspert sich. „Mein, ich fürchte, das tut er nicht, Pip.“  

„Weißt du, es ist merkwürdig,“ sagt Pippin, die Augenbrauen nachdenklich zusammengezogen, „Vor einem Jahr, als Frodo gerade fort gegangen war, da habe ich mir solche Sorgen um ihn gemacht.“ 

Merry wirft seinem Vetter einen Seitenblick zu. „Hast du, Pippin?“ Ein Hauch von Sarkasmus schwingt in seiner Stimme mit. Sorgen? Das ist wohl ein bisschen schwach, oder?

„Sieben Tage später wäre es der Jahrestag gewesen, erinnerst du dich?“ sagt Pippin still und schaut Merry an. „Die Wetterspitze.“

Merry kann das plötzliche Aufkeuchen nicht verbergen, das ihm aus der Kehle kommt; sein Kopf beginnt, heftig zu pochen.

„Du denkst doch nicht, dass es ihm dort drüben schlecht ergangen ist, oder?“ fragt er durch zusammen gebissene Zähne. Seine Finger krampfen sich um eine Falte seines Elbenmantels, um den plötzlichen Schauder zu maskieren, der ihm durch den Körper rinnt. „Wag nicht einmal, das zu denken, Pip, denn wenn er dort keine Ruhe gefunden hat, wenn es ihm nicht wieder gut geht…“

Er kämpft gegen den wütenden Schmerz in seiner Brust; seine Kehle zieht sich zusammen, um das plötzliche Schluchzen zu blockieren, das erschreckend schnell von irgendwo tief in ihm aufsteigt. Er macht die Augen zu und versucht, wieder zu atmen. Dann hört er ein leises Rascheln und schnappt nach Luft, als er einen starken Arm um seine Schulter spürt, der ihn an die solide Wärme drückt, die Pippin ist.

„Er hat all das dort gefunden, Merry; all die Ruhe und Heilung, die er braucht… er hat sie gefunden.“ Trotz der heftigen Überzeugung und der lindernden Qualität von Pippins Worten fällt Merry auf, dass seine Stimme zittert. „Ich weiß es. Deshalb mache ich mir auch keine Sorgen mehr um ihn. Ich weiß, er ist jetzt glücklich.“

Wie kannst du bloß so sicher sein, Pip? Merry öffnet die Augen und starrt seinen Vetter an. Oh, ich brauche diese Gewissheit, ich brauche sie. Daran zu denken, dass Frodo fortgeht, ohne das Versprechen, dass er sich jemals wieder erholt und wieder frei ist von der Finsternis seiner Vergangenheit, das tut einfach zu weh. 

„Woher weißt du das, Pip?“ fragt er heiser. Sag es mir. Mach diesem Schmerz ein Ende.  

„Als Frodo gerade fort gegangen war, habe ich ihn dauernd in meinen Träumen gesehen; er sah immer so aus wie zu der Zeit, als wir nach Hause kamen, wenn er dachte, wir würden ihn nicht anschauen. Traurig, ziemlich verloren, verwirrt und voller Schmerz,“ sagt Pippin leise. Merrys Atem kommt mit einem langen, zischenden Geräusch, und Pippin streichelt sachte seinen Arm. „Aber wann immer ich in letzter Zeit von ihm träume, dann sehe ich Frodo so, wie er war, bevor all das anfing. Ich träumte von dem Tag, als ich auf dem Jahrmarkt verloren ging und er mich fand. In meinem Traum hat er gelacht, Merry, und irgendwie wusste ich, dass – wo immer er jetzt auch sein mag – sein Lachen genauso ist: frei und glücklich. Ich habe von der Zeit geträumt, als er an meinem Geburtstag in die Smials kam und wir getanzt haben, und ich weiß, dass er nicht länger Schmerzen hat und dass er jetzt tanzen kann, von Herzen, so wie er es mit mir zusammen getan hat. Ich habe von der Nacht geträumt, als wir im Sommer zelten waren und er dieses Stück von dem elbischen Lied gesungen hat, das Bilbo ihm beigebracht hat. Erinnerst du dich daran, Merry?“  

Sterne über uns; kühles Frühlingsgras unter unseren Decken; brennendes Holz, das im Feuer knistert; Frodos Stimme, tief, weich und warm, wie sie diese elbischen Worte sang, die in sich schon Musik waren, wie kann ich das vergessen, Pip? „Das ist schön, Frodo. Wovon handelt es?“ hast du schläfrig gemurmelt. „Es ist das Lied der Hochelben, Pip,“ antwortete Frodo. „Ich kenne ihre Sprache kaum, genauso wie Bilbo. Aber er hat mir die Bedeutung der ersten paar Zeilen erklärt; er meinte, sie wären einfach genug. ,Es liegt Sehnsucht in der See…’“

Pippin hält seinen Vetter dicht an sich gedrückt und vergräbt seine eigenen, stillen Tränen in Merrys Locken, während Merrys Schluchzen an seiner Schulter bricht. 

Das Wasser schlägt zischend gegen die Basis der steinernen Pier. In der Entfernung klagt eine Möwe. Ein kräftiger Windstoß hebt die trockenen Blätter von ihren Rastplätzen und zerrt sie kreiselnd in den Staub.

Pippin gibt ein kurzes, atemloses Glucksen von sich, während er sich von Merry löst und sich das Gesicht mit dem Ärmel wischt. „Erinnerst du dich, wie Lobelia kam, um den Kaufvertrag von Beutelsend abzuschließen?“

Merry nickt; noch traut er seiner Stimme nicht so recht.

„Er war ach so höflich, unser Frodo; er bot Lobelia etwas zu trinken vom Seitentisch an und redete die ganze Zeit hochnäsig über gewisse Hobbits, die sich selbst als wohlgeboren ansähen, während sie nicht imstande wären, guten Wein zu schätzen, wenn sie ihn fänden.“ Wieder gluckst Pippin; seine Augen blicken weit abwesend in liebevolle Erinnerungen hinein.

Merry schnaubt und schüttelt den Kopf. „Und natürlich musste Lobelia so tun, das grässliche Zeug, das Frodo ihr andrehte, wäre ganz einfach der seidigste, üppigste Rotwein, den sie je getrunken hatte. Sie wollte sich nicht einmal träumen lassen, dass sie nicht zumindest als Weinkennerin herüberkäme, oder? Ich weiß nicht, wie Frodo es fertig brachte, diesen ausdruckslosen, ziemlich gelangweilten Blick beizubehalten, während ich fast geplatzt bin bei dem Versuch, nicht über Lobelias Gesichtsausdruck zu lachen. Ihre Grimasse… erinnerst du dich an die?“

Merry verzerrt das Gesicht zu einer heftigen Grimasse von Pein und Abscheu, blinzelt rasch und schielt.

Pippin lacht laut. „Ja! Oh ja! Und an dem Abend, beim Essen, als du ihm Erbsen serviert hast, da hat er diese Grimasse perfekt nachgemacht, bis zum allerletzten Lippenkräuseln.“

Merrys Lachen erklingt und hallt in dem leeren Hafen wider. „Ja. Und weißt du noch, wie er Sandigmann dazu gekriegt hat, zu glauben, dass er vorhätte, ein paar von Bilbos Schätzen auszugraben?“

„Nein,“ sagt Pippin mit einem Stirnrunzeln, „das weiß ich nicht. Wann war das denn?“

„Oh, vor ein paar Jahren. Ich muss gerade erst jährig geworden sein, und ich war eine Weile bei Frodo zu Besuch. Ich glaube, Sandigmann muss damals angefangen haben, mit den S.-B.’s gemeinsame Sache zu machen, und er tat seine Arbeit sehr gründlich; er schnüffelte Frodo so lange hinterher, bis Frodo mitbekam, dass er beobachtet wurde. Also hat Frodo mir und Sam eines Abends, als er sicher war, dass Sandigmann sich in Hörweite befand, erzählt, dass er vorhätte, ein paar von Bilbos Schätzen von einem geheimen Ort auszugraben.“

„Aber ich dachte…“ unterbricht Pippin.

„Nein, nein, hör zu,“ sagt Merry und  lächelt breit. „Also sind Frodo, Sam und ich am nächsten Tag sehr früh losgezogen; wir haben so getan, als wollten wir nicht, dass irgendjemand wüsste, wohin wir unterwegs waren. Aber Frodo stellte sicher, dass Sandigmann und Lotho höchstpersönlich uns folgten. Er nahm uns auf eine Wanderung mit, die Hügel hinauf und hinunter. Als wir müde wurden, haben wir an einem Bach Rast gemacht; wir sind so ein bisschen herumgewatet und haben im Wasser gespritzt, bevor wir weitergingen. Wir ermahnten einander, leise zu sein und erinnerten uns strengstens daran, heimlich zu tun…“

Das Lächeln auf Pippins Gesicht wird breiter, als er anfängt zu begreifen, was hinter Frodos Plan steckte.

„Wir sind durch die Wälder gestapft, durch sumpfige Niederungen und dann noch einen weiteren Hügel hinauf, wo wir zu Mittag aßen und ein Nickerchen machten,“ fährt Merry genüsslich fort.

Pippin kichert. „Ich kann mir vorstellen, was Sandigmann in seinem Versteck gesagt haben muss: ,Kommt schon, ihr faulen Hobbits. Los jetzt, bewegt euch!’“  

Merry lacht. „Ah. Kannst du dir vorstellen, was er wohl am Ende von diesem langen Marsch gesagt hat, als wir um Bauer Westbergs Hof einen Bogen gemacht und auf freiem Feld angehalten haben, wo es keinen Platz zum Verstecken gab als die Misthaufen hinter der Scheune? Und nach all dem Ärger war alles, was er uns ausbuddeln sah, ein paar wilde Lilien.“

„Oh! Wilde Lilien!“ stöhnt Pippin, bevor er brüllend anfängt zu lachen. „Oh, dieser hinterhältige Beutlin!“

„Er ist gnadenlos mit ihnen umgesprungen, glaub mir,“ fährt Merry fort. „Er hat mich und Sam den größten Teil des Nachmittags herumlaufen lassen; wir haben uns in Weizenfeldern versteckt, sind auf Bäume geklettert und haben den beiden dabei zugeschaut, wie sie uns gesucht haben…“

„Armer Sandigmann!“ gackert Pippin.  

„Und am Ende des Tages führte uns Frodo eine Abkürzung und wir waren wieder in Wasserau, nur ein paar hundert Meter weg von der Straße hinauf nach Hobbingen,“ sagt Merry. „Natürlich sind wir nicht geradewegs nach Hause gegangen. Wir haben im Grünen Drachen Halt gemacht, und wer kam wohl zufällig gerade herein, als wir mit dem Abendessen fertig waren? Sandigmann, und Lotho; sie sahen ein bisschen kleinlaut aus, muss ich sagen, und dazu ganz schön zerkratzt, schlammig und unglücklich.“

Pippin kippt auf den Rücken und lacht wiehernd hinauf in den Himmel.

„Oh,“ schnauft er, als er versucht, sich aufzusetzen. „Oh. Diese Elben. Sie wussten nicht, was sie getan haben, als sie Frodo haben mitsegeln lassen, damit er bei ihnen lebt. Oh.“ Er sinkt wieder zurück und hämmert hilflos auf dem staubigen Stein herum, während das Gelächter seinen ganzen Körper schüttelt.

„Ja, Pip.“ Merry lächelt. „Ich habe Angst um diese Elben.“

Pippin wischt sich die Augen und setzt sich auf; er gluckst immer noch. Dann überzieht plötzliche Dunkelheit sein Gesicht, und er seufzt und schaut hinunter auf seine baumelnden Füße. „Vielleicht,“ beginnt er mit einem halbherzigen Versuch, witzig zu sein, „wenn er diese Elben mit seinen Possen in den Wahnsinn treibt… vielleicht schicken sie ihn dann wieder nach Hause.“ Merry starrt ihn an; der hohle Klang von Pippins Stimme alarmiert ihn.

Pippin schüttelt den Kopf und betrachtet wehmütig das Stück der offenen See weit vor ihnen. Er kramt in seiner Jackentasche herum und zieht einen kleinen Lederbeutel heraus.

 „Das hier,“ erklärt er Merry,“ ist der Grund, wieso ich hier bin.“ Er zieht die Kordel auf und schüttelt eine Handvoll feines Pfeifenkraut heraus; es ist dunkel und duftet süß.

Er küsst das Blatt sanft, zerdrückt es in der Handfläche und wirft die Überreste in das glitzernde Wasser.

Merry beobachtet ihn, während Pippin seine schillernden, grüngoldenen Augen mit einem Blick hebt, der Merry herausfordert, über diese unerwartete Geste zu lachen. Merry seufzt und steckt die Hand in die Tasche.

„Und ich hab die hier,“ sagt er zu Pippin und zeigt einen in ein Taschentuch gewickeltes, reichlich verschrumpeltes Häufchen Pilze, das aussieht wie hellbraune Spitze. „Frodos Lieblingssorte.“ Merry zuckt die Achseln, nicht imstande, mehr zu sagen. Er hebt die Pilze an die Lippen, dann schleudert er sie in einer Geste, die die von Pippin widerspiegelt, hinunter ins Wasser. 

Sie schauen zu, wie die sanften Wellen die Pilze schaukeln lassen, feucht und dunkel geworden, während sie neben den schwarzen Krümeln treiben, die vom Pfeifenkraut übrig sind.

„Bitte sehr, Frodo,“ wispert Pippin. „Ich hoffe, sie finden ihren Weg zu dir. Ein Stückchen vom Auenland, und von uns.“

Noch während er die Worte spricht, beginnt er leise zu schluchzen, und Merry nimmt ihn sachte in die Arme und reibt seinem Vetter tröstend den Rücken.

„Manchmal denke ich an dieses Schiff, von dem Legolas gesagt hat, dass er es eines Tages baut,“ flüstert Pippin gegen seine Brust. „Meinst du, dass wir vielleicht…“

„Vielleicht, mein Lieber, vielleicht,“ sagte Merry und spürt den scharfen Kitzel von Tränen in den eigenen Augen. „Obwohl ich nicht sehe, wieso wir das Auenland verlassen sollten, ausgerechnet für unseren sturen, schwerfälligen Vetter…“

„Merry!“ Pippins Schnauben klingt immer noch mitleiderregend einem Schluchzen ähnlich. „Du hast nie so etwas gesagt, als wir uns verschworen haben, dass wir mit Frodo mitgehen.“

„Ah, aber Pippin… du vergisst, dass es eine sehr wichtige Reise war, die er da vorhatte, und er hat uns gebraucht, oder er wäre auseinander gefallen, und das lange, bevor er überhaupt in Bree ankam.“

Gelächter blubbert Pippins Brust hinauf und wärmt Merry die Schulter.

 „Tatsächlich war es sehr selbstsüchtig von ihm, uns mit all den Reparaturen sitzen zu lassen, die gemacht werden mussten, nach all dem, was die Rüpel angerichtet hatten… während er ging, um bei den Elben zu bleiben, meinst du nicht?“ sagt Merry sanft in Pippins Locken hinein. „Immer einer, der bloß an sein eigenes Vergnügen denkt, unser Vetter.“

Pippin vergräbt sein Gesicht noch tiefer in Merrys Mantel. „Er fehlt mir trotzdem immer noch, Merry,“ murmelt er.

Merry schließt die Augen und drückt Pippin fester an sich. „Genau wie mir, Pippin,“ sagt er leise. „Es gibt keinen wie ihn, und wir haben Glück, dass wir ihn gekannt haben… und dass wir ihn lieben.“

Die Sonne steht tiefer am Himmel, als sie sich endlich voneinander lösen und sich auf den Weg zum Hafeneingang machen. Das Meer seufzt und murmelt noch immer sachte hinter ihnen; das Wasser ist ruhelos und von zahllosen Wellen durchfurcht. Dicht am Fuß der steinernen Pier treibt ein einzelnes Blatt auf der glänzenden, saphirblauen Oberfläche; das goldene Herbstlaub eines Mallorn-Baumes.

 FINIS


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