Sub Luna
von Cúthalion


Kapitel 7:
Sub Luna

Sieben Tage später

Als sie zurückkommt, ist die Nacht ist warm und klar und der Mond schwimmt als runde Silbermünze am Himmel. Sie steht mehrere Minuten vor dem Haus; sie wartet und starrt zu den Fenstern seiner Wohnung hinauf. Sie sieht keine Bewegung und kein Licht. Und doch muss er da sein; er würde sich nie irgendwo verstecken, wo seine Verwandlung jemand anderen in Gefahr bringen könnte außer ihm selbst.

„Alohomora!“ 

Die Eingangstür öffnet sich; sie schlüpft in den Hausflur und huscht mit schnellen, lautlosen Schritten die Stufen hinauf. Die Tür zu seiner Wohnung ist schon schwieriger. Wieder zieht sie ihren Zauberstab heraus, tief dankbar dafür, dass Remus ihr rechtzeitig erzählt hat, wie man die machtvollen Banne überwindet, die sie versiegeln. Die ganze Zeit zittert sie vor Angst, dass er sie richtig eingeschätzt haben könnte; wenn er beschlossen hat, das Muster zu verändern, dann bleibt ihr keine Chance mehr, hereinzukommen. 

Sie haucht das letzte Wort und berührt den Türknauf mit dem Zauberstab; die Tür schwingt auf und quietscht in den Angeln. Sie tritt ein und schließt sie so leise wie möglich. Wenn der Lärm ihn aufgeweckt hat…

Aber alles bleibt still. Sie steht in dem leeren Flur und holt tief Luft. Dies ist der Augenblick, den sie seit Wochen geplant hat, ihre größte Furcht… und vielleicht ihr größter Triumph, wenn sie nur Erfolg hat. Wenn sie nur ihren Weg in eine beängstigend andere Form hinein findet… und unbeschadet zurückkommt. In einem plötzlichen Aufblitzen der Erinnerung sieht sie ein Portrait vor ihrem inneren Auge – eine eindrucksvolle, ältere Edelfrau mit scharfen Gesichtszügen und den runden, herrischen Augen eines Adlers, ein kleines Lächeln um die Lippen. Sie trägt die reich verzierte Seide und Spitze des 18. Jahrhunderts. 

„Lady Araminta, wenn Ihr je ein Herz besessen habt… zeigt mir jetzt den Weg.“ flüstert sie. Dann strafft sie den Rücken, entleert ihren Verstand und schickt ihren Geist auf die Suche… nach schnell rennenden Beinen und struppigem Fell, nach einem buschigen Schwanz und tödlichen Fängen, nach ungezähmter Stärke und einem wilden, gelben Blick.

Nahe. So nahe. So… einfach. Merlin, sie hätte nie gedacht, dass es so einfach sein würde!

Sie spürt, wie die Verwandlung unter ihre Haut und durch ihr Fleisch strömt, bis sie davon erfüllt ist bis hinunter auf die Knochen. Ihr Bewusstsein überschlägt sich unter der schieren Gewalt und Unmöglichkeit von Fingern, die sich zu Pfoten formen, von Fell, das aus glatter Haut sprießt und der Struktur ihres Schädels, die sich vorwölbt, um die Schnauze eines Raubtieres zu bilden. Zur gleichen Zeit überflutet eine Woge völlig neuer Empfindungen ihren überwältigten Geist… Gerüche, denkt sie, lieber Gott, was für ein unglaubliches Durcheinander von Gerüchen, süß und stark und scharf und einfach zu viele davon, überall… und dann hört sie ganz auf zu denken.

*****

Die Wölfin steht reglos im Flur, den gelben Blick unverwandt auf die Tür zum Schlafzimmer gerichtet. Da, sie kann ihn spüren, ihren Gefährten, sein Aroma füllt ihr die Nüstern und lässt sie vor Sehnsucht nach seiner Nähe leise winseln. Sie schnüffelt mit wedelndem Schwanz an der Türklinke. Dann stellt sie sich plötzlich auf die Hinterbeine, aber die Vorderpfoten finden an dem glatten, lackierten Holz keinen Halt und sie rutscht mit einem kurzen, schrillen Aufjaulen aus Schrecken und Enttäuschung wieder ab. Ihr zweiter Versuch hat mehr Erfolg – dieses Mal schließen sich ihre starken Fänge um den Türknauf und tatsächlich dreht er sich. Die Wölfin läuft rasch in das Schlafzimmer, geräuschlos und ohne Furcht.

Da ist er, ein großer Wolfsrüde mit grauem Fell, auf einem Teppich vor dem Kamin zusammengerollt. Zuerst scheint er sie nicht zu wittern, aber dann, als sie sich nähert, öffnet er tiefgoldene Augen und starrt sie an. Er knurrt nicht und schnappt auch nicht nach ihr. Er gibt einen Laut von sich, der jeden menschlichen Zuhörer verdächtig an einen Seufzer erinnern würde, dann bewegt er sich auf dem Teppich ein kleines Stück beiseite, um ihr genügend Platz zu machen, damit sie sich neben ihn legen kann. Die beiden Wölfe beschnuppern einander und schlafen beinahe auf der Stelle ein…

… und in ihren Träumen überqueren sie gemeinsam taunasse Hügel und schattige Wiesen, nicht auf der Jagd, nicht auf der Suche nach frischer Beute, sondern voller Freude an der Gesellschaft des anderen, an den schweren Düften der Sommernacht und dem Glück ihres neu geschlossenen Bundes. Sie rennen, sie rennen, sie rennen… und endlich heben sie triumphierend ihre Stimmen, um den Mond zu grüßen.


Top          Nächstes Kapitel          Harry-Potter-Stories          Home