Der Ork der Königin (The Queen's Orc) Kapitel Zweiundzwanzig Canohandos Bein heilte, und er brachte die Krücken zu dem Heiler zurück. Einmal zog er mit den Jägern hinaus, denn die Männer der Kompanie waren überschäumend glücklich, ihn ohne Hilfe laufen zu sehen, aber er war langsam und unbeholfen, und er kehrte um, ehe sie noch mehr als eine Meile zurück gelegt hatten. „Ihr werdet keine Beute machen, wenn ich hinter euch her stolpere wie ein verwundeter Bär,“ sagte er und machte einen Scherz aus seinem Ungeschick, und er winkte ihnen, weiter zu gehen. Doch als sie außer Sicht waren, verblasste sein Lächeln und er ließ sich Zeit mit dem Rückweg. Ein Ork erholt sich nicht von solchen Verletzungen wie meine, dachte er. Bei meiner eigenen Rasse wäre ich zum Sterben zurück gelassen worden. Er biss die Zähne zusammen und setzte jeden Fuß mit Vorsicht; er versuchte, sich gleitend zu bewegen, ohne Laut. Ich werde wieder jagen, schwor er sich im Stillen. Ich werde mich nicht den Rest meines Lebens von der Beute eines anderen Jägers ernähren! Er war so konzentriert, dass er Malawen nicht bemerkte, die ihn von einem hohen Ast herab beobachtete. Gegen ihren Willen wurde sie von Mitgefühl berührt, denn sie wusste, wieso er sich mit solch schmerzhafter Behutsamkeit bewegte. Auch sie hatte das Gehen wieder lernen müssen, und sie erinnerte sich daran, wie schwer es gewesen war, das gebrochene Glied wieder zu benutzen. Der Ork konnte jetzt Treppen steigen, wenn auch unter Mühen, und er schlief wieder draußen vor Arwens Tür. Er fürchtete, sie würde wieder in ihrer Kammer bleiben, aber statt dessen verbrachte sie mehr und mehr Zeit im Freien. Während der Herbst näher kam, wanderte sie sogar noch weiter fort von den ungepflegten Gärten, und sie wollte niemanden bei sich haben, weder eine Wache noch einen Gefährten. Canohando beschattete sie mit einem gewissen Abstand. Er benutzte einen Speer als Gehstock; er dachte, dass er ihn immer noch gezielt werfen konnte, wenn Gefahr drohte, und sein Bogen hing auf seinem Rücken. Arwen wusste, dass er ihr folgte, denn manchmal wartete sie, wenn er zu weit zurückfiel, aber Elladan wies sie ab, sanft, doch unerbittlich. „Geh heim, Bruder. Du hast mich sicher nach Lórien gebracht, und ich werde nicht mehr von hier fort gehen, es sei denn durch eine einzige Tür. Kehr zurück zu Elrohir und nimm das Schiff, und bring Elrond meine Liebe und mein Lebewohl.“ Und obwohl sie jeden Tag draußen war und im Sonnenschein umher wanderte, schien sie immer bleicher und kälter zu werden, und ihre Augen waren abwesend, als blickte sie über sie hinweg auf Dinge, die sie nicht sehen konnten. Elladan weigerte sich, abzureisen, aber sie wollte ihn nicht länger bei sich haben; wenn er sich ihr näherte, sagte sie nur wieder und wieder, dass er nach Gondor zurückkehren und sich seinem Zwilling anschließen möge. Und die wenigen Elben, die in Lórien geblieben und gekommen waren, um ihr zu dienen, schickte sie fort. Canohando kniete eines Tages vor ihr nieder, Tränen in den Augen; er mühte sich, die silberne Schließe hinter seinem Nacken zu öffnen. Als er sie gelöst hatte, hielt er ihr den Juwel hin, der an seiner Kette zitterte und Lichtfunken überall im Zimmer verstreute, weil die Hände des Orks bebten. „Nimm ihn, Herrin! Du hast deinen Talisman her geschenkt, und mein Kümmerling und ich wurden dadurch gestärkt, aber jetzt brauchst du ihn selbst. Leg ihn wieder um und sei getröstet!“ Doch Arwen nahm ihm den Stein ab und befestigte ihn wieder um seinen Hals. „Seit mein Estel gestorben ist, gibt es keinen Trost mehr für mich. Du kannst den Juwel fort geben, Lieber, wenn du jemanden findest, der ihn braucht so, wie Frodo es getan hat aber für mich hat er nicht länger einen Nutzen.“ Es kam eine Zeit, als sie nicht einmal mehr des Nachts in das Haus zurückkehrte, sondern draußen schlief, wo immer sie sich auch am Ende des Tages befand. Elladan kam einmal mehr und versuchte, vernünftig mit ihr zu reden, aber sie wollte nicht auf ihn hören. Endlich sorgte er dafür, dass zwei Männer und meist war er selbst einer von ihnen sie während des Tages im Auge behielten, und wenn sie für die Nacht Halt machte, dann stellten sie einen Pavillon für sie auf, der ihr ein Dach bot, und bereiteten eine Mahlzeit vor. Sie ließ es zu, aber nur Canohando konnte sie dazu bringen, dass sie etwas aß, und auch nur sehr wenig. Der Winter brach an, oder jedenfalls bezeichnete Elladan ihn so, obwohl es dem Ork so vorkam, dass der Herbst über seine Jahreszeit hinaus andauerte; die Nächte waren kühl genug für zusätzliche Decken, aber die Tage waren sonnig und angenehm. Die Mallorns waren ein Wunder flirrender, goldener Blätter an den silbernen Zweigen, und als Canohando plötzlich aus dem Schatten der Bäume hervortrat, sah er ein Stück voraus den großen Hügel von Cerin Amroth. Weiße und gelbe Blumen schimmerten in dem Gras ringsumher. Arwen machte sich bereits auf den Weg den Hügel hinauf, aber sie ging langsam; sie wirkte in der Tat erschöpft, und niedergedrückt von Trauer. Canohando kam an den Fuß des Hügels und blieb unsicher stehen; er wusste nicht, ob er ihr seine Schulter als Stütze anbieten sollte. Er war jetzt wieder sicher auf den Füßen, obwohl das Bein ihm von Zeit zu Zeit immer noch Schmerzen bereitete. „Komm, mein Schatten, kannst du mit mir ganz nach oben steigen? Von den höchsten Zweigen aus werde ich dir mein Lothlórien zeigen, und das, was jenseits davon liegt.“ Er ging vorwärts, froh über ihre Einladung, und er lieh ihr seinen starken Arm, um ihr den Hang hinauf zu helfen. Doch auf der Leiter, die in den Baum führte, war sie behänder als er; sie schwankte und knarrte unter seinem Gewicht, bis er liebend gern wieder auf festem Boden gewesen wäre. Einmal blickte er hinunter, und danach hielt er die Augen fest auf seine Herrin gerichtet, fünf oder sechs Sprossen über ihm. Als er allerdings erst einmal auf das hohe Flett hinaus trat, vergaß er seine Furcht. Lothlórien breitete sich unter ihm aus, ein Feld aus Mithril und Gold, und in weiter Entfernung glänzte der Fluss wie geschmolzenes, fließendes Silber. „Schau in den Norden,“ sagte Arwen, und sie drehte ihn herum. „Das ist, wohin du reisen musst, wenn du von hier fort gehst, westlich der Berge nach Bruchtal, und dann weiter in Frodos Land. Das denke ich, ist der sicherste Weg für dich, denn es sind wenige im Tal geblieben, die dich hindern könnten, und jeder, den du dort findest, wird das Wort von Arwen Undómiel in Ehren halten.“ Sie langte in einen Brokatbeutel an ihrem Gürtel und brachte ein kleines Stück Pergament zum Vorschein, aufgerollt und zusammen gebunden. „Ich habe eine Karte für dich machen lassen, Lieber. Und siehst du, ich habe etwas auf die Rückseite geschrieben eine Mitteilung, dass du mein Ritter bist und mit meiner Erlaubnis das Auenland betreten darfst, denn es wird bewacht. Zeig dies jedem, der dein Recht in Frage stellt.“ Er nahm und öffnete es; er berührte es wie einen seltenen Schatz. „Zeigst du mir, wie man es liest, Herrin? So etwas wie das hier habe ich noch nie gesehen.“ Und für einen Augenblick wurde sie aus der Wolke ihrer Trauer gerissen; sie lachte ein wenig über ihre eigene Verblüffung. „Du kannst nicht lesen, Canohando? Nein, vergib mir, wieso habe ich angenommen, dass du es kannst? Wenn ich es gewusst hätte aber jetzt ist es zu spät, dich Buchstaben zu lehren. Nun, schau auf die Karte. Siehst du, hier sind die Berge, und der Große Fluss im Osten. Folge dem Strom, bis du zur Furt kommst, und dort wendest du dich die Straße entlang nach Westen...“ Geduldig brachte sie ihm bei, die kleine Karte zu lesen und zeigte ihm, wo das Auenland darauf markiert war, weit weg westlich. Endlich rollte sie sie wieder zusammen und drückte sie ihm in die Hand. „Steck sie jetzt weg, und wenn ich gegangen bin, dann gehst du auch. Du musst das Auenland finden, Lieber, und du musst über Bruchtal reisen. Etwas wartet dort auf dich... nicht nur Elrond allein ist mit der Gabe der Voraussicht beschenkt worden...“ Nach diesem Tag unternahm Arwen keine Wanderungen mehr. Sie brachte die Zeit auf dem hohen Flett zu sie lud den Ork kein zweites Mal ein, mit ihr hinauf zu steigen oder sie streifte rastlos über das mit Elanor und Niphredil gesprenkelte Feld, die Arme schlaff an ihren Seiten hängend, die Augen auf den weit entfernten Horizont gerichtet. Canohando wachte vom Rand der Wiese über sie; er saß gegen einen Baumstamm gelehnt und machte Pfeile, obwohl sein Köcher bereits voll war. Seine Hände banden die Spitzen automatisch an die Schäfte, und er hatte nur einen flüchtigen Blick für sein Werk übrig; seine Augen folgten der Königin in ihrem unermüdlichen Hin und Her über das Feld, und sein Gesicht war tränennass. Nach einer Weile wandte sich Arwen ab und fing wieder an, den Hügel hinauf zu steigen, aber als sie die Kuppe erreichte, ging sie nicht zu der Leiter; sie legte sich im zweifachen Kreis der Bäume nieder, als wollte sie sich ein wenig ausruhen. „Gut,“ murmelte Canohando. „Letzte Nacht hat sie fast überhaupt nicht geschlafen.“ „Du beobachtest sie selbst dann noch, wenn sie schläft!“ sagte eine anklagende Stimme neben ihm;er blickte ohne Überraschung auf und sah Malawen. „Ich bin ihr Schatten, Elbchen,“ sagte er. „Ich habe geschworen, über sie zu wachen.“ Sie betrachtete ihn, den Kopf schräg gelegt, und ihr Ton war voller Spott. „Du hast geweint. Wer hat je davon gehört, dass Orks Tränen haben?“ Noch während sie das sagte, durchrieselte sie ein Schauder der Furcht, und doch konnte sie dem Versuch nicht widerstehen, ihm einen Köder zu bieten. Närrin! Er ist ein tödlicher Feind kannst du ihm davon laufen, wenn er aufsteht und hinter dir her kommt? Aber Canohando machte keinerlei Bewegung in ihre Richtung. „Ich habe Tränen,“ sagte er. „Besitzen Elben Mitgefühl, oder ist diese Gabe nur den Halbelben geschenkt worden?“ „Die meisten Elben schon. Ich habe meines im Krieg verloren.“ Ihre Augen begegneten sich, doch seine schienen geradewegs durch ihre gespielte Tapferkeit zu schauen, und sie wandte hastig den Blick ab. „Du hättest es nicht aufgeben sollen,“ sagte er zu ihr. „Etwas ist falsch, wenn ein Ork Mitleid kennt, während ein Elb es nicht tut.“ Sie dachte plötzlich, dass er gar nicht so hässlich war, dieser Ork. Das Licht unter den Bäumen war gedämpft und unruhig; es ließ seine Haut dunkel wirken, nicht grau, und selbst die schwere Linie der Brauen sah kraftvoll aus, und irgendwie nobel... Er ist wie ein wilder Fürst, dachte sie, aber dann rief sie sich streng zur Ordnung. Wild, doch kein Fürst er ist ein Ork! Sie drückte die Hand an ihre vernarbte Wange. „Orks haben kein Mitleid!“ schnappte sie, aber Canohando nickte. „Die meisten nicht. Ich fand meines, als der Krieg vorüber war.“ Ihre Lippen kräuselten sich, aber dann überkam sie Neugier. „Wie? Und was tust du hier, bei Arwen Undómiel?“ Sie wunderte sich plötzlich, dass sie nie zuvor gefragt hatte; es war ganz sicher merkwürdig genug, dass dieser Ork Undómiel folgte, und dass die Königin es erlaubte! Als Antwort hielt Canohando den Juwel an seiner Kette hoch. „Ich trage ihr Geschenk,“ sagte er, und Malawen beugte sich vor, um es zu berühren; sie starrte voll Staunen auf das liebliche Ding, das selbst in den Schatten noch leuchtete. „Aber das ist keine Antwort,“ widersprach sie. „Wo hat ein Ork Mitleid gelernt? Du musst der Einzige sein, seit Morgoth seinen Drachen gegen die Söhne von Finarfin aussandte, bei der Belagerung von Angband!“ Canohando hob die Augenbrauen. „Eines Tages musst du mir davon erzählen, Elbchen. Du wärst ein Geschichtenerzähler, der es mit dem Braunen aufnehmen kann, denke ich. Aber ich bin nicht der Einzige meiner Art, der Mitleid kennt da war Lash, der mir das Leben rettete. Zuerst habe ich von ihm gelernt, und dann von Neunfinger.“ Sie schüttelte verwirrt den Kopf. „Hast du nie gehört, wie der Krieg zu Ende ging, Kleine?“ Sein Ton war sanft. „Es war nicht das Aufeinanderprallen von Heerscharen, es war ein Halbling, der sich bis an den Rand des Verderbens schleppte und verwundet und gebrochen fort getragen wurde. Aber er warf die Heere von Mordor nieder, und als er geheilt war, kam er wieder zurück in mein Land. Er wendete mich zum Licht und schenkte mir den Juwel der Herrin, und so kam ich, um sie zu finden und ihr Schatten zu sein.“ „Der Ringträger... Frodo von den Neun Fingern...“ stammelte sie ehrfürchtig. „Dann hast du von ihm gehört.“ Sie nickte. Natürlich. Wer hatte überall im Westen nicht das Lied über den Ringträger gehört, voller Schrecken und voll von Wundern? Sie hatte es gehört, aber sie hatte nie geglaubt, dass es wahr sei. „Du hast ihn wirklich gekannt?“ verlangte sie zu wissen. „Ich kannte ihn. Oh, er war wirklich genug, Elbchen!“ Er lächelte sie an, doch dann seufzte er. „Wenige sind geblieben,die ihn kannten; es ist jetzt alles Legende. Die Herrin liebte ihn und hat ihn betrauert...“ Er glättete den Schaft des Pfeiles, an dem er arbeitete; nun blickte er auf zu dem Hügel. So scharfäugig er auch war, alles, was er von der Königin sehen konnte, war ein Streifen Blau... der Saum ihres Schleiers, den ein Windhauch vom Gras hob. Malawen stellte keine Fragen mehr, aber sie ging nicht fort. Sie setzte sich zu ihm, ohne sich die Mühe zu machen, außerhalb seiner Reichweite zu bleiben, zupfte ein paar lange Grashalme aus und fing an, sie zu flechten; sie fügte immer neue Halme hinzu, bis sie einen Zopf hatte, der länger war als ihr ausgestreckter Arm. Der Ork fiederte den Pfeil und steckte ihn in seinen Köcher, und irgendwo im Gebüsch stimmte ein Vogel sein Abendlied an. Ein Duft nach Holzrauch hing in der Luft; jemand hatte das abendliche Kochfeuer angezündet. „Zeit zu gehen.“ Canohando stand auf und lief quer über die Wiese, um die Königin zu wecken. Malawen blieb, wo sie war und beobachtete ihn. Sie stellte fest, dass er ging, ohne zu hinken. Erneut drängte sich ihr seine Ähnlichkeit mit einem wilden Häuptling auf; von hinten sah er aus wie ein Mensch, mit breiten Schultern und kraftvollen Beinen, das eine ein wenig dünner als das andere, ein letztes Überbleibsel seiner Verwundung. Sein Haar hing ihm in vier dicken Zöpfen über die Schultern. Jetzt hatte er die Königin erreicht; Malawen sah, dass er sich vorbeugte und zögernd eine Hand ausstreckte. Und dann fiel er urplötzlich auf die Knie. Er krümmte sich fast bis zum Boden, und dann hob er den Kopf, und ein schrecklicher Schrei durchdrang die Abendstille, ein Schrei so voller Leid und Verlust, dass er Malawen unwillkürlich aufspringen und los rennen ließ. Sie erreichte den Hügel dicht vor Elladan, gemeinsam mit einer kleinen Gruppe Soldaten; sie hatte nicht gewusst, dass so viele Männer in der Nähe Wache hielten. Dann kam Canohando den Hügel wieder hinunter, Arwen in den Armen; ihr Kopf hing herab wie eine Lilie auf einem gebrochenen Stängel. Elladan bewegte sich auf den Ork zu; Malawen schien es, als hätte sich die Zeit verlangsamt, und jede Regung sei so förmlich und gemessen wie ein feierlicher Tanz. Der Elbenfürst streckte die Hände aus, und der Ork hielt seine Bürde noch ein wenig fester; für einen Augenblick dachte sie, er würde sich weigern, den Leichnam der Königin loszulassen. Aber dann senkte er den Kopf und erlaubte, dass Elladan sie ihm abnahm. Sie legten Arwen auf das Bett in dem Pavillon aus Seide, in dem sie ihre Nächte verbracht hatte, und Elladan schickte alle fort und bereitete ihren Körper selbst für das Begräbnis vor, während einer der Männer eilig nach Caras Galadhon zurückkehrte, um den Rest der Kompanie der Königin zu alarmieren. Aber Canohando saß draußen, während die Dunkelheit sich neigte, den Kopf auf die Brust gesunken, betäubt in seiner Trauer. Malawen war ihnen zu dem Pavillon gefolgt, still und unbemerkt. Sie hörte, wie die Männer versuchten, Canohando zu überreden, dass er ans Feuer kam, dass er sich etwas zu Essen holte, aber er beachtete sie nicht, teilnahmslos wie ein Stück Holz. Endlich legten sich die Soldaten schlafen, und das Feuer brannte nieder, aber der Ork hatte sich nicht weg gerührt von dort, wo er saß. Sie kam und stand neben ihm. Die Nacht hüllte sie ein wie eine Decke; ein Glimmen von Kerzenschein kam aus dem Pavillon, wo Elladan über seiner Schwester die Totenwache hielt, aber das war alles. Malawen konnte den Ork atmen hören... raue, unregelmäßige Atemzüge, als ob er leise weinte... und mit einem Ruck löste sich etwas in ihr. Das verloren geglaubte Mitleid füllte sie plötzlich aus wie hervorbrechendes Schmelzwasser, und sie kniete sich vor ihn hin, tastete im Dunkeln nach seinen Händen und drückte sie an ihre Lippen. „Oh, Canohando, es tut mir Leid! Es tut mir so Leid für dich! Was kann ich tun - “ Sie küsste die rauhäutigen Hände und klammerte sich daran fest, und dann weinte sie... sie weinte um ihn, um Arwen Undómiel, um ihren eigenen Schmerz, ein Sturzbach des Kummers, der sich ungezählte Jahre hindurch in ihr aufgestaut hatte. Und seine Hände schlossen sich um ihre Finger, und er ließ seine Stirn darauf ruhen, und seine Tränen benetzten sie. Und dann öffnete er die Arme und sie kroch hinein und weinte an seiner Schulter, und er hielt sie an sich gedrückt und schluchzte, so laut und schmerzhaft, dass sie sich gefürchtet hätte, wäre sein Leid nicht ein so vollkommenes Spiegelbild ihres eigenen gewesen.
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