Der Ork der Königin (The Queen's Orc) Kapitel Sechsunddreißig Als sie in der Morgendämmerung zum Lager der Hobbits zurückkehrten, fanden sie Radagast vor, der auf einem Holzblock neben dem Kochfeuer thronte, gelassen seine Pfeife rauchte und Fordibras dabei zusah, wie er Frühstück machte. Das Zelt war auf der Erde zusammen gesunken, und die anderen Hobbits waren eifrig damit beschäftigt, zusammen zu packen; sie machten sich zum Aufbruch fertig. Malawen ging zu Farador hinüber und half ihm, die Zeltstangen aus dem Boden zu ziehen und zu Bündeln zu schnüren. Doch Canohando setzte sich neben Radagast auf den Holzblock, ohne ihn anzusehen. Fordibras blickte auf und machte eine beiläufige Bemerkung, aber dann entdeckte er den Ausdruck auf dem Gesicht des Orks und beugte sich wieder über seine Kocherei. Canohando holte einen kleinen Wetzstein aus dem Beutel an seinem Gürtel. Er zog sein Messer und fing an, es zu schärfen; das leise Zischen von Stein auf Metall war so gleichmäßig wie ein Herzschlag. Es dauerte mehrere Minuten, ehe er sprach. „Lass meine Gefährtin in Ruhe.“ Er blickte auf und hielt die Augen des Zauberers fest. „Du bist mein Freund, alter Mann, und einer der Mächtigen. Doch zwischen uns treten sollst du nicht.“ Radagast hustete, wedelte sich Rauch aus dem Gesicht und klopfte seine Pfeife an dem Holzklotz aus. „Du hast Recht, Canohando; vergib mir.“ Er lächelte den Ork an, die Augen voller Zuneigung. „Ich würde euch gerne bei uns haben, wenn wir segeln. Euch beide. Aber ich werde nicht wieder versuchen, sie zu überzeugen; ihr müsst die Angelegenheit selbst klären.“ Der Ork nickte. Er hielt sein Messer hoch, inspizierte es von beiden Seiten, bevor er es wieder in die Scheide gleiten ließ und steckte den Wetzstein weg. „Brauner, du bist ein Heiler. Was ist mit dem Fieber im Land der Halblinge?“ Fordibras blickte jäh auf. „Du bist ein Heiler, nicht wahr? Das hatte ich vergessen. Kannst du uns helfen, Herr?“ „Ich will es versuchen,“ sagte der Zauberer. „ich erinnere mich nicht, je einem Fieber begegnet zu sein, wie du es beschreibst, und das verkrüppelte Glieder zurück lässt. Ich denke, ihr solltet am Besten nach Bruchtal weiter reisen und Elronds Bücherei durchsuchen; ich hoffe, ihr findet dort einiges Wissen, das uns anleitet. Aber ich war bereits auf dem Weg ins Auenland; hattet ihr in diesem Jahr schon einen Krankheitsfall?“ „Zwei.“ Die Stimme des Hobbits war trostlos. „Beide sind gestorben.“ Radagast seufzte. „Ich will tun, was ich kann. Beeilt euch, so gut ihr könnt, mein Freund, und fragt Celeborn, ob er euch, was auch immer ihr an Büchern über Heilkunde findet, vielleicht schenken mag. Im Westen wird man sie nicht brauchen, aber ich bezweifle, dass er sie zurück lässt, damit sie in einem verlassenen Haus dahin schimmeln. Nun, bei der letzten Abreise, werden alle Schätze Bruchtals davon getragen. Ich erwarte euch im Auenland, aber lasst euch nicht zuviel Zeit.“ Sie setzten sich zum Essen. Malawen hielt immer noch Abstand zu dem Zauberer, und Canohando setzte sich zu ihr. „Er wird dir keinen Kummer mehr machen, Melethril. Guten Tag, mein Junge. Was möchtest du denn?“ fügte er hinzu und blickte zu Farador auf, der zu ihnen gekommen war und sein Frühstück mit sich trug. „Geht ihr wirklich ins Auenland? Was werdet ihr dort machen?“ Der Hobbit setzte sich uneingeladen zu ihnen. Canohando kaute und schluckte; er dachte nach, bevor er antwortete. „ich bin nicht sicher, was ich tun werde. Ich würde gern die Orte sehen, über die Neunfinger gesprochen hat, sein Zuhause, in den Hügel hinein gegraben, und das Haus mit den hundert Fenstern, die den Sonnenuntergang widerspiegeln...“ „Das ist mein Zuhause, das ist das Brandyschloss!“ rief Farador aus und kippte vor Aufregung seinen Tee ins Gras. „Hat er dir davon erzählt, weit weg in Mordor? Oh, du musst das Brandyschloss sehen, gar keine Frage, und ich will der sein, der es dir zeigt!“ Er sprang auf und hastete zu der Stelle hinüber, wo sein Onkel leise mit Radagast und den anderen Hobbits sprach. Canohando schaute belustigt zu: er konnte nicht wirklich hören, was gesagt wurde, aber er konnte Faradors bebende Ungeduld erkennen, bis Fordibras sich endlich umdrehte und fragte, was er wollte, und wie der Gesichtsausdruck des älteren Hobbits sich änderte, als Farador die Sache erklärte. Er schaute mit einem scharfen Blick zu dem Ork hinüber, und Canohando zuckte lächelnd die Achseln. „Er ist willkommen, wenn er mit uns reisen will und du ihn entbehren kannst,“ rief er. „Es täte mir nicht Leid, einen von deinem eigenen Volk dabei zu haben, der für mich spricht, wenn ich das Auenland erreiche.“ Und Radagast fügte seine eigene Einladung hinzu. „Es wäre wirklich besser, wenn einer von euch mit uns zurück kommen würde, nicht nur, um für Canohando zu sprechen, sondern auch für mich! Gandalf war bekannt im Auenland, doch ich bin ein Fremder. Aber ich muss ihr Vertrauen gewinnen, und rasch, wenn ich dort irgend etwas Gutes tun soll.“ So kam es, dass, als die Hobbits ihre Ponys bestiegen, um abzureisen, Farador neben Malawen stand, die Hand zum Abschiedsgruß erhoben; in seinem Bündel steckte ein Brief für den Thain, hastig von seinem Onkel nieder gekritzelt. „Du wirst ihn beschützen,“ sagte Fordibras mit gesenkter Stimme zu Radagast. Er war im letzten Moment noch einmal umgekehrt, als ob er trotz allem Angst hätte, den Jungen bei Fremden zu lassen. „Ich werde so sorgsam über ihn wachen, wie ich es bei Frodo getan habe,“ versicherte ihm der Zauberer. „Er wird bei uns nicht zu Schaden kommen, Fordibras Tuk! Aber ihr, beeilt euch, und erreicht Bruchtal, bevor Celeborn abreist, und bringt an Wissen zurück, was ihr könnt, um uns zu helfen, denn meine Zeit in Mittelerde wird knapp.“ Der Hobbit nickte entschieden. „Das will ich tun. Farador, schau, dass du ihn geradewegs zum Thain bringst; das schlimmste Fieber gab es dort im letzten Sommer, und da fing es auch wieder an, als wir fort gegangen sind. Das kommt zuerst, bitte sehr bevor du mit Canohando eine Rundreise durch das Auenland anfängst!“ Die Hobbits machten sich auf den Weg, und Radagast hob seinen Beutel auf und warf ihn sich über die Schulter. „Ork, Elb, Zauberer und Hobbit,“ sagte er nachdenklich, und dann gluckste er. „Ich glaube nicht, dass es je eine solch bunt gescheckte Reisegruppe auf der Straße gegeben hat, seit die Gemeinschaft von Bruchtal aufbrach. Dann kommt, und Farador, du könntest meine Neugier befriedigen, indem du mir erzählst, wie es kommt, dass du dich in deinem Alter so für Orks und Elben interessierst! Ich dachte, solche Geschichten hättest du im Kinderzimmer zurück gelassen!“ Der Hobbit grinste. „Nicht, wenn ich drei der Reisenden als Vorfahren habe!“ sagte er. „Sogar den alten Frodo er hatte ehrlich gesagt keine Nachkommen, aber Meriadoc und Peregrin waren seine Vettern, also bin ich auch mit ihm verwandt. Wir haben das Horn der Mark und Meriadocs alten Harnisch im Brandyschloss, und es gibt eine Abschrift vom Roten Buch und von Frodos Erinnerungen in der Bibliothek in Beutelsend. Übrigens haben sie auch noch den Bärenzahn, den du ihm geschenkt hast, mit euren eingeritzten Bildern,“ fügte er hinzu, an Canohando gewandt. „Die Gärtners heben ihn in einem Glaskasten im Wohnzimmer auf, und die Schwerter, die Frodo und Samweis getragen haben, hängen über dem Kaminsims.“ „Sie haben den Zahn behalten? Aus welchem Grund, Junge? Er gehörte Neunfinger; wieso ist er nicht mit ihm auf den Scheiterhaufen gegangen?“ Die Stimme des Orks klang bestürzt, und Farador berührte ihn am Arm, als wollte er ihn trösten. „Er ist ein Erbstück,“ sagte er. „Wie der Juwel von Königin Arwen. Und weißt du, nebenbei ist er ein Beweis dafür, dass er die Wahrheit gesagt hat über den Ork, dem er in Mordor begegnet ist. Sie wollten ihn nicht mit ihm begraben, und wir verbrennen unsere Toten nicht.“ Canohando grunzte, und den Rest des Tages war er sehr still. Sie erreichten Bree früh am Vormittag, aber sie hielten sich dort nicht auf. Am dritten Morgen kamen sie zum Auenland, aber bevor sie an der Grenze waren, wurden sie von einem Eisentor aufgehalten. An dieser Stelle wurde die Straße von zwei hohen Türmen flankiert, nicht mehr als drei oder vier Stockwerke hoch, aber kräftig gebaut und von militärische Aussehen. Das Tor nahm den Raum dazwischen ein, höher, als ein groß gewachsener Mann mit ausgestrecktem Arm hätte reichen können, und der obere Rand war mit Stacheln versehen, die wie Speerspitzen aussahen, scharf und glänzend. Während die Reisenden sich näherten, kamen ein Dutzend Soldaten heraus und nahmen dahinter Stellung. An eine Weiterreise war eindeutig nicht zu denken, bis sie sich vorgestellt hatten. Die Soldaten wirkten nicht bedrohlich, trotz ihrer Schwerter und Kettenhemden; sie schauten mit undurchdringlichen Gesichtern geradeaus. Nur die Bewegungen ihrer Augen verriet ihre Neugier. Sie starrten von der Elbin zum Ork und zum Zauberer, doch ihre Blicke kehrten immer wieder zu dem Ork zurück. Canohando ließ Malawens Hand los und stellte sich noch etwas aufrechter hin; er erwiderte das Starren der Männer mit ernster Würde. Einen Moment später erschien ein weiterer Mann und kam ihnen entgegen, um sie zu begrüßen. Anders als die anderen, die barhäuptig waren, trug er einen Flügelhelm, und er wandte sich an Farador wie an einen alten Freund. „Na, junger Herr Brandybock, so schnell wieder zurück? Du hast ein paar neue Reisegefährten aufgelesen, wie ich sehe.“ Farador grinste. „Ich wette, du errätst nicht, wer das hier ist, Darak! Er war ein sehr guter Freund von einem Familienmitglied von mir, ein paar Generationen zurück.“ „Wette nicht zu hoch, Meister Hobbit. Ich weiß gut genug, wer der Ork ist, denn wir haben Nachrichten aus Gondor, dass wir ihn erwarten sollen. König Eldarion bittet mich, dich in seinem Namen zu grüßen, Canohando von Mordor, und er gibt dir die Erlaubnis, das Auenland zu betreten, wenn du das Unterpfand vorzeigst, das Königin Arwen dir gegeben hat.“ Canohando trat an das Tor heran; er hielt den Juwel an seiner Kette hoch, und der Mann nahm ihn zwischen die Finger und drehte ihn hin und her, so dass er Lichtfunken auf die dunkle Tunika des Orks warf. „Es ist ein wundersames Ding, wahrhaftig,“ sagte er ehrerbietig. „Im Namen des Königs heiße ich dich willkommen, Schatten der Königin Arwen. Aber wer sind die, die mit dir reisen: ein Elbenkind und ein Zauberer?“ Er betrachtete Radagast zweifelnd. „Wir haben keine Befehle, was sie angeht.“ Farador schien sich gekränkt aufzublasen; er streckte sich zu seiner ganzen Länge, so dass er sich auf Augenhöhe mit der Gürtelschnalle des Soldaten befand. „Du würdest doch einen Elb nicht aus dem Auenland fernhalten! Dies ist Malawen von Lothlórien, kein Kind sie ist Canohandos Weib, und mein Gast. Und ganz gewiss ist Radagast ein Zauberer, ein Freund Gandalfs des Grauen in vergangenen Zeiten. Er ist gekommen, um uns gegen das Fieber beizustehen, von dem mein Onkel dir erzählt hat, und weswegen wir nach Bruchtal wollten, um nach einer Heilung zu suchen. Du wirst ihnen den Eintritt nicht verweigern, oder muss ich tatsächlich Hals über Kopf los reiten, um die Erlaubnis des Herrn vom Brandyschloss beizubringen?“ Radagast mischte sich ein. „Wie wäre es, wenn wir an deiner Stelle einen Boten schicken?“ Er spitzte die Lippen und pfiff ein paar klare, fließende Noten. Einen atemlosen Moment später stürzte sich eine Krähe aus dem Himmel auf seinen ausgestreckten Arm. Sie betrachtete ihn keck, legte den Kopf zu beiden Seiten schräg, als ob jedes Auge an die Reihe kommen sollte, und beendete die Inspektion damit, dass sie den Schnabel öffnete und ein raues Krah! von sich gab. Der Zauberer lächelte und ließ einen Finger über den Bauch des Vogels hinunter gleiten. „Ja, ja, du Schelm. Ich habe einen Botengang für dich; hab ein wenig Geduld. Schreib eine Notiz an deinen Vater, Farador. Nicht zu lange, bitte sehr, wir wollen unseren Boten nicht überlasten.“ Er wühlte in seinem Beutel herum und brachte ein Stück Papier zum Vorschein, kaum größer als seine Handfläche und so dünn, dass es fast durchsichtig war. „Hast du Feder und Tinte, Hauptmann?“ Schreibmaterial wurde zur Verfügung gestellt, und Radagast rollte die fertige Notiz in einen schmalen Zylinder und band den an das Bein des Vogels. Nach einem Moment des Überlegens holte er ein zweites Stück Papier heraus und behandelte es auf die selbe Weise. „Für das Gleichgewicht, und für die Antwort,“ erklärte er. Er beugte sich über die Krähe, bis seine Stirn beinahe den glänzenden Kopf berührte, und murmelte ein paar Worte, die sie nicht wirklich hören konnten. Dann hob er die Hand und der Vogel stieg in die Höhe und verschwand rasch über den Bäumen, die die Straße säumten. „Also gut, jetzt warten wir,“ sagte Farador fröhlich „Gibt es irgendwas zu essen, Darak? Das Frühstück liegt gute zwei Stunden zurück, und ich vermute, es werden weitere zwei, ehe wir zum Schloss kommen. Nachdem du uns warten lässt, ist es nur gerecht, dass du uns auch fütterst.“ „Zwei ganze Stunden ohne Nahrung? Es ist ein Wunder, dass du nicht am Straßenrand ohnmächtig umfällst, mein Junge!“ Darak betrachtete den Hobbit mit einer Mischung aus Ärger und Belustigung. „Ja, wir haben Brot und Fleisch, obwohl ich nicht sicher bin, was sonst noch verfügbar ist.“ Er schloss die anderen in seine Einladung ein. „Nachdem ihr keine Hobbits seid, kann ich mir nicht vorstellen, dass ihr so ausgehungert seid wie mein junger Freund. Meine Männer und ich haben die Pflicht, diese Straße zu bewachen, und wir müssen vorsichtig sein, aber ich möchte nicht, dass irgendjemand sagen muss, wir würden keine Höflichkeit kennen.“ Er verschwand in dem Turm zur rechten Hand, und einen Moment später öffnete sich auf ihrer Seite des Tores eine Tür. Darak winkte sie hinein. „Ihr haltet gute Wacht über die Straße, aber könnten Feinde nicht auf irgend eine andere Weise durch schlüpfen?“ fragte Canohando. „Wir halten nicht nur Wacht über die Straße. Wir schicken Patrouillen aus, die den Umkreis auskundschaften. Obwohl ich dir nicht zusichern kann, dass alles narrensicher wäre, falls ein streunender Wanderer versuchen sollte, hinein zu kommen. Doch die Hobbits geben selbst Acht; sie haben ihre Grenzwächter, wie sie sie immer hatten, und der Herr und der Thain können kurzfristig eine hübsche, kleine Armee auf die Beine stellen, wenn nötig. Mehr als fünfzig Jahre ist es allerdings nicht mehr nötig gewesen. Es ist bekannt, dass der König die Hand über das Auenland hält; das ist abschreckend genug für die meisten Übeltäter.“ Canohando gab keine Antwort. „Sie hatten eine Räuberbande oben in Nadelhohl, als ich in meinen Zwiens war,“ warf Farador ein. „Aber die Hobbits haben sie bis zu ihrem Versteck verfolgt und die Waldläufer benachrichtigt; sie wurden vertrieben, ehe sie mehr tun konnten, als ein paar Schafe zu stehlen. Das Auenland ist wirklich ein schläfriger Ort. Eines Tages gehe ich auf Reisen und erlebe Abenteuer, wie Onkel Ordi und der alte Bilbo.“ „Diesmal hast du deine Gelegenheit versäumt,“ sagte Darak. „Ich bin überrascht, dass du zulässt, dass sie dich zurück schicken; du warst aufgeregt genug, dass sie dich mitgenommen haben.“ Farador schnaubte. „Oh, hier gibt es gerade mehr Abenteuer, nachdem Canohando geradewegs aus Frodos altem Buch ins Tageslicht hinaus wandert! Ich werde ihm das Auenland zeigen, von der Brandywein-Brücke bis zur Sarnfurt, und alles dazwischen.“ „Tust du das tatsächlich?“ Darak lächelte den Jungen an, doch dann bedachte er den Ork mit einem bohrenden Blick. „Du zeigst ein ungewöhnliches Interesse an der Verteidigung des Auenlandes,“ sagte er, und seine Worte waren beides, Frage und Herausforderung. Canohando langte in den Beutel an seinem Gürtel und zog die Rolle heraus, die Arwen ihm gegeben hatte. Er reichte sie Darak. „das Auenland ist die Heimat meines Bruders, und ich möchte es gut beschützt sehen. Es war Neunfinger, der mir den Juwel gab, und nicht die Königin. Doch ich war ihr Schatten, und sie gab mir dies, damit ich es dir zeige, falls ich an die Grenze kommen sollte.“ Darak ging zum Fenster hinüber, rollte das Stück Pergament auseinander und betrachtete prüfend die kleine Karte; dann drehte er sie um, damit er den Brief lesen konnte. Ein Soldat kam leise herein, breitete ein frisches, weißes Tuch über einen Tisch in der Mitte des Raumes und stellte Platten mit kaltem Fleisch und weißen Brotscheiben auf. Er ging hinaus und kam einen Moment später mit einem Krug Bier auf einem Tablett zurück, umringt von einem Kreis aus Tonkrügen. Farador führte Malawen und den Zauberer zum Tisch hinüber, spielte den Gastgeber und stellte sicher, das sie hatten, was sie wollten, bevor er sich selbst bediente. Doch Canohando ging zu Darak; er wartete darauf, dass er Arwens Brief zurück bekam. Der Hauptmann hörte auf zu lesen und blickte auf, die Augenbrauen zusammen gezogen. „Du hast es gelesen,“ sagte er. „Du weißt, was darin steht.“ Canohando zuckte die Achseln. „Ich kann nicht lesen, aber sie sagte mir, was sie geschrieben hat: das ist ihre Erlaubnis für mich, das Auenland zu besuchen.“ Der Mann beäugte ihn gedankenvoll und tippte sich mit der Rolle gegen das Kinn. „Ich würde gern eine Abschrift dieses Briefes an den König schicken,“ sagte er endlich. „Hast du etwas dagegen einzuwenden?“ "Nein, nicht, wenn ich den behalten darf, den meine Herrin geschrieben hat. Ich kann die Worte nicht lesen, aber er ist mir trotzdem kostbar.“ Darak nickte. „Das geht sehr gut. Ich werde die Abschrift sofort machen lassen und dir das Original wiedergeben. Nimm dir einen Becher Bier, während du wartest, Herr Ork. Es ist ein warmer Morgen.“ Er ging hinaus, und Canohando holte sich einen Becher und ging zu dem Sitz auf dem steinernen Sims hinüber; durch das Fenster blickte man am Tor vorbei auf die Wälder jenseits der Straße. Malawen lehnte sich an sein Knie, und er ließ seine Wange auf ihrem hellen Haar ruhen. „Ich denke, ich habe nie wirklich geglaubt, dass ich es je mit eigenen Augen sehen würde,“ sagte er leise. „Es war nur eine schöne Geschichte, die mein Kümmerling erzählte und jetzt ist es da.“
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