Unterwegs mit dem anderen Zauberer - Eine Reise zur Heilung
(Following the other Wizard - A Journey into Healing)
von jodancingtree, übersetzt von Cúthalion



Kapitel 6
Entkommen

„Sie sind mir die Mühe nicht wert!“ sagte Nano außer sich. „Ich werde mit euch gehen. Lasst den Bruder meines Vaters Obmann sein, und mag die Pestilenz wiederkommen und ihnen allesamt den Garaus machen!“

Frodo hatte sich Sorgen gemacht für den Fall, dass der Junge sich weigern würde, mit ihm und Radagast abzureisen, aber diese wilde Verurteilung ließ ihn frieren. Wahrhaftig, Menschen waren eine gnadenlose Rasse, unerbittlich in ihrem Hass! Er schaute zu Radagast hinüber und fragte sich, wie der wohl auf Nanos Ausbruch reagieren mochte, aber der Zauberer schwieg. Nur die dünne Linie seiner Lippen verriet, was er dachte.

„Wie kommen wir hier weg?“ fragte Frodo endlich. „Werden sie nicht versuchen, uns aufzuhalten, oder sogar den Pferden die Beine lähmen? Wo sind die Pferde denn eigentlich?“ Plötzlich wurde ihm klar, dass er weder Streicher noch Rauchwolke gesehen hatte, seit er krank geworden war.

„Sie sind im Wald – Rauchwolke kommt in der Wildnis allein zurecht, und Streicher hat genug Verstand, bei ihm zu bleiben. Hardart mag närrisch genug sein, dass er versucht, uns aufzuhalten, aber ich habe nach einem Freund um Hilfe geschickt. Mach dich wieder an dein Buch, Esel; Nano und ich kochen das Abendessen.“

Der Freund kam bald nach Einbruch der Dunkelheit. Da war ein Kratzen an der Tür und Nano ging hin, um zu öffnen, aber Radagast kam ihm zuvor. „Zurück mit dir, Junge, geh da hinüber zum Kamin. Dieser Gast kommt zu mir.“

Er öffnete die Tür einen Spalt weit, und eine schwarze Nase schob sich herein, gefolgt von einem struppigen, grauen Leib. Nano schnappte nach Luft, aber der Wolf sah ihn nicht an, sondern tappte quer durch das Zimmer zu Frodo.

„Grauling,“ murmelte Frodo. Er streichelte den massiven Kopf und tastete mit der Hand an der Schulter des Raubtieres entlang. „Alles geheilt, wie ich sehe, und das Haar wächst auch wieder.“ Er küsste das weiche Fell über den Augen des Wolfes. „Schön, dich zu sehen, Grauling!“

Der Wolf ignorierte Nano, der steif dastand, als hätte er jede Fähigkeit, sich zu rühren, verloren, und ging zu Radagast hinüber. Er starrte zu dem Zauberer hoch; seine Augen schienen aus dem Feuer Funken zu schlagen und Radagast legte ihm eine Hand auf den Kopf.

„Hast du sie alle mitgebracht? Halt Wache für uns, mein Freund. Beim zweiten Sonnenaufgang werden wir fortgehen – dann werden wir dich brauchen.“

Grauling leckte ihm die Hand, schlüpfte in die Nacht hinaus und ließ die Tür offen stehen. Sie glaubten, auf der dunklen Lichtung noch mehr Wölfe sehen zu können, die sich in dem dämmrigen Licht hin- und herbewegten, das durch die Fenster der anderen Häuser fiel.

„Wir könnten gleich morgen früh gehen, Radagast. Es geht mir gut genug, um zu reisen.“ sagte Frodo.

Der Zauberer berührte ihn mit der Hand an der Stirn und schaute ihm in die Augen. „Vielleicht, vielleicht. Aber ein weiterer Tag Ruhe wird dir gut tun, Esel, und mir auch. Wir werden im Haus bleiben, während Grauling im Dorf Streife läuft. Es wird auch ihnen gut tun, zu sehen, dass Radagast nicht wehrlos ist. Sie sind wahrhaft hart geworden, wenn sie uns mit Drohungen heimzahlen, das wir bei ihrer Pflege unser Leben gewagt haben!“

Also ruhten sie sich aus; tatsächlich schlief Frodo fast den ganzen Tag über – er war noch nicht so kräftig, wie er es gern glauben wollte. Einmal weckte ihn Nano auf und zog ihn zum Fenster hinüber; er sah Radagast draußen beim Brunnen, wie er den Wassereimer hochzog, um den Tiertrog zu füllen. Ein Dutzend großer Wölfe stießen und drängelten sich, bis sie an der Reihe waren zu trinken. Und selbst das waren noch nicht alle; es gab immer noch mehr, die zwischen den Häusern umher strichen, beobachtet von bleichen Gesichtern in den Fenstern.

„Würden die jeden töten, der hinausgeht – abgesehen von Radagast, meine ich?“ Nano sprach flüsternd, als könnten die Wölfe ihn hören.

„Ich glaube, dass sie Radagast gehorchen würden, und er würde ihnen nicht befehlen, dass sie töten sollen. Aber ich vermute, dass jeder, der dort hinausginge, einen Heiler brauchen würde, ehe er davonkommt.“

„Außer dir, Esel. Der Wolf hat sich aufgeführt, als wäre er dein Freund.“

Frodo grinste. „Grauling ist mein Freund, glaube ich, aber die anderen kenne ich nicht. Ich werde drinnen bleiben, bis Radagast mir sagt, dass ich hinausgehen soll – und du solltest besser das Gleiche tun!“

Er holte sich etwas Brot und Käse, solange er auf den Beinen war, aber binnen kurzem legte er sich wieder hin und war bald fest eingeschlafen.

*****

Als Radagast ihn aufweckte, zeigte sich nur ein schwaches Licht in den Fenstern. „Komm frühstücken, Esel; wir werden heute weit reisen. Ich möchte viele Meilen zurücklegen, bevor wir für die Nacht anhalten.“

Frodo streckte sich und schlüpfte in seine Kleider. „Du erwartest doch sicher nicht, dass uns jemand verfolgt – bewacht von den großen Wölfen aus dem Wald?“

„Menschen jagen zuweilen Wölfe,“ sagte Radagast. „Ich mag die Stimmung in diesem Dorf nicht, und wenn sie sich Nanos Onkel als Obmann nehmen, dann sind sie möglicherweise zu allem fähig. Wir haben uns dabei erschöpft, ihnen das Leben zu retten; es täte mir Leid, wenn sie Grauling und seinem Rudel zum Opfer fallen würden.“

„Oder dass Grauling sich noch einen Pfeil einfangen würde,“ sagte Frodo. Er ging quer durch das Zimmer, um Nanu zu wecken. „Komm, Junge, hoch mit dir, oder ich esse mein Frühstück und deins noch dazu!“ Er zog die Decken von Nanos Bett und gluckste über den eulenhaften Ausdruck des Jungen, der blinzelte und sich die Augen rieb.

“Gehen wir jetzt fort?”

“Bei Sonnenaufgang,” sagte Radagast. “Gibt es irgendetwas, was du noch aus deinem eigenen Haus holen möchtest?”

Nano schüttelte den Kopf. „Ich habe mitgenommen, was ich wollte, als ich das Haus das letzte Mal verlassen habe; jemand hätte die Sachen sonst gestohlen.“ Er zog seinen Gürtel fest und zog ein Jagdmesser aus der Scheide, die daran hing. Die Klinge war aus feinem Stahl, der Knochengriff wunderschön geformt. Er hielt es hoch, damit sie den Hirschkopf sehen konnten, der auf dem Griff eingraviert war. „Es gehörte meinem Vater“, sagte er. „Und das hier hat meiner Mutter gehört.“ Er berührte eine Kette aus grob geschnitztem Bernstein, die um seinen Hals hing.

Radagast nickte. “Gut – dann hast du also deine Schätze. Lasst uns essen und uns auf den Weg machen.“

Sie traten hinaus und in eine Nebelwand hinein; das Morgenlicht hatte eine eigentümliche, goldene Farbe. Es gab weder Zeichen und Geräusch aus irgendeinem der Häuser, an denen sie vorüberkamen, aber die grauen Gestalten der Wölfe waren überall um sie herum, und Grauling tappte steifbeinig zwischen Frodo und Radagast. Frodo ließ seine linke Hand auf dem Rücken des Tieres ruhen und liebkoste das raue Fell, aber Nano hielt seine Rechte in einem schmerzhaften Griff. Er konnte die Angst des Jungen an dem Prickeln seiner Finger ermessen, aber niemand, der ihn ansah, hätte gewusst, dass Nano sich fürchtete. Er hielt den Kopf hoch erhoben und ging mit festen Schritten an Frodos Seite.

Oben auf dem Hügel, wo die Bäume anfingen, wurde der Nebel dünner und trieb davon. Blätterhaufen raschelten um ihre Knöchel, als sie einem schmalen Pfad vom Dorf weg folgten. Es gab ein durchdringendes Pfeifen und ein Flügelwirbel stieß auf Frodo hinunter und kam auf seinem Kopf zur Ruhe.

„Cuina!“ Er lachte und streckte die Hand nach oben, und sie ließ sich auf seinem Finger nieder. „Oh Cuina!“ Er hielt sie an sein Gesicht, rieb sein Gesicht an ihren glatten Federn und sie knabberte sachte an seiner Nase.“ Hast du diese ganze Zeit auf uns gewartet? Du bist wirklich eine treue Freundin!“

„Hab ich dir’s nicht gesagt, Esel?“ meinte Radagast. „Und es war nicht rein um meinetwillen, dass Grauling uns seine Wölfe zur Hilfe mitgebracht hat.“

Nano starrte den Vogel staunend an. „Ist das dein Schoßtier?“ fragte er.

Frodo dachte nach. „Nein, kein Schoßtier. Sie war meine erste Patientin, nicht wahr, Radagast? Und jetzt ist sie meine Freundin.“

Sie wird deine Freundin sein, solange sie lebt. Und es ist ein Jammer, dass es den Menschen manchmal an der Dankbarkeit der wilden Tiere mangelt,“ sagte Radagast, und Frodo nickte.

„Glaubst du, das sie uns verfolgen werden, Nano?“

„Diese Feiglinge?“ höhnte der Junge. „Bis irgendwann morgen werden sie sich kaum trauen, Wasser aus dem Brunnen zu holen. Wie lange bleiben die Wölfe bei uns?“

„Einen Tag oder höchstens zwei – dann müssen sie jagen, um ihren Hunger zu stillen,“ sagte Radagast. “Aber bis dahin sind wir beritten und kommen schneller voran.“

Den Tag über drängten sie voran, und als sie bei Einbruch der Nacht anhielten, zog der Zauberer gemeinsam mit ihrem eigenen Essen auch Fleisch für die Wölfe aus seinem Sack und legte es in einiger Entfernung von ihrem Lager auf die Erde. Am nächsten Tag brachen sie wieder zu Fuß auf, aber als der Vormittag halb vorüber war, kamen sie auf eine kleine Lichtung im Wald. Das Gras war sauber abgeweidet, und da waren Rauchwolke und Streicher und hießen sie wiehernd willkommen.

Es gab ein wenig erregtes Jaulen unter dem Wölfen, und Grauling knurrte. Pferd und Pony drängten sich dicht an Radagast, beobachteten wachsam die Wölfe und stampften mit den Hufen.

Die Zauberer ließ sich neben Grauling auf ein Knie nieder. „Ich danke dir, Freund,“ sagte er. „Du hast deine Schuld an uns wohl zurückgezahlt, und wir werden es nicht vergessen. Nimm jetzt deine Leute und geh auf die Jagd, und wir werden unserem eigenen Pfad folgen. Mögt ihr in diesem Winter gut fressen und warm lagern!“

Der Wolf legte für einen Moment seinen Kopf auf die Schulter des Zauberers, dann drehte er sich um und stieß mit der Nase in Frodos Hand, bis der Hobbit seinen Kopf streichelte.

„Leb wohl, Grauling, und danke!” sagte er. Grauling zog sich zurück und verschmolz mit dem Wald, der sie umgab, und innerhalb von Augenblicken war nirgendwo mehr ein Wolf zu sehen. Radagast hob Nano auf Rauchwolkes Rücken, und schwang sich hinter ihn, und Frodo bestieg Streicher.

„Nun – auf in die Südländer, bevor uns der Winter einholt!“ rief der Zauberer; er grub seine Fersen in die Flanken des Pferdes und Rauchwolke galoppierte davon. Frodo lachte laut und nahm die Knie zusammen.

„Komm schon Streicher – zeig ihm deine Hinterhufe!“


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