Unterwegs mit dem anderen Zauberer - Eine Reise zur Heilung
(Following the other Wizard - A Journey into Healing)
von jodancingtree, übersetzt von Cúthalion



Kapitel 9
Mutwillen am falschen Ort

Sie blieben den größten Teil des Winters am Meer, erkundeten die Küstenebene von Andrast und badeten in der warmen Strömung, die die Halbinsel umspülte. An manchen Tagen warf selbst Radagast seine braune Robe ab und kam ins Wasser; er war sogar ein noch kräftigerer Schwimmer als Frodo, und gemeinsam gelang es ihnen, Nano zu verlocken, dass er das Gesicht ins Wasser tauchte und ein wenig herumpaddelte. Wenn Radagast mit ihnen hinein kam, umschwärmten die kleineren Fische sie wie die Schmetterlinge einen blühenden Busch und stupsten sie unter Wasser sachte an.

Die Küstenebene war allerdings schmal, und Berge senkten sich in der Mitte der Halbinsel. Nano hätte sie ebenfalls erforscht; er war ein geborener Kletterer und die Höhen zogen ihn magnetisch an, aber Radagast rief ihn zurück, wenn er sich zum Fuß der Berge bewegte. Eines Tages entschlüpfte das Kind, erklomm einem Felsvorsprung etwa vierzig Fuß über ihnen und schrie triumphierend zu ihnen hinunter; der Zauberer lief den Abhang in einer Geschwindigkeit hinauf, die für jemanden in seinem Alter unglaublich schien und zerrte den Jungen nicht allzu sanft wieder nach unten.

„Du bleibst weg von da oben, Frechdachs!“

Nano zuckte beim Ton des Zauberers zusammen und Frodo schaute ihn verblüfft an; er hatte Radagast noch nie wütend gesehen. Selbst als Nanos Onkel sie bedroht hatte, war ihm der Zauberer eher bedauernd und belustigt vorgekommen als irgend etwas anderes; weshalb konnte der unschuldige Mutwillen des Kindes dermaßen seinen Zorn erregen? Aber Nano ließ sich nicht so leicht einschüchtern; ein paar Tage später war er wieder verschwunden, und sie konnten ihn nicht finden.

Radagast schritt am Fuß der Berge auf und ab und biss an seinen Fingernägeln herum, Frodo auf den Fersen. „Dann verfolgen wir ihn eben,“ sagte Frodo vernünftig. „Weit kann er nicht gekommen sein, Radagast. Meine kleinen Vettern sind manchmal fortgelaufen, wenn sie ausgeschimpft wurden, und ich habe sie dann draußen im Wald gefunden. Komm, wir suchen ihn und tunken ihn zur Strafe für seinen Ungehorsam im Meer unter!“ Er lächelte, aber der Zauberer wandte sich ab in Richtung Strand.

„Das ist nicht so einfach, Esel. Hilf mir jetzt – wir brauchen Feuerholz, eine Menge davon, und rasch! Stapel es am Strand auf, soviel du nur davon sammeln kannst.“

Frodo starrte ihn einen Moment an, dann beeilte er sich zu gehorchen. Zusammen bauten sie einen Turm aus Holz mit aufgehäuftem Zunder in der Mitte. „Zünde ihn an,“ sagte der Zauberer angespannt und wandte sich zum Rand des Wassers. Er brachte ganze Arme voll Seetang zurück, die in langen, gewundenen Reihen an die Küste gespült worden waren; sobald das Feuer erst einmal gut brannte, breitete er das feuchte Material über die Holzscheite aus. Die Flammen schossen über die Höhe von Frodos Kopf hinauf, und eine Rauchsäule stieg in den Himmel.

„Hol mehr Holz,“ befahl Radagast. “Wir müssen es in Gang halten. Wenn nur jemand das Zeichen sieht ---“ Frodo machte sich auf den Weg zurück in den Wald und fragte sich, wem der Zauberer wohl ein Zeichen geben wollte. Sie waren niemandem sonst begegnet, seit sie vor Monaten das Meer erreicht hatten. Er suchte nach mehr Feuerholz, als er einen Schrei hörte und herumfuhr… nur um Nano zu sehen, der von der merkwürdigsten Gestalt, die er je gesehen hatte, an ihm vorbei getragen wurde.

„Esel! Esel, hilf mir!“

Frodo rannte auf ihn zu und lockerte dabei sein Schwert in der Scheide, aber bevor er noch mehr als ein paar Schritte gemacht hatte, legte sich von hinten ein Arm und ihn und hielt ihn auf der Stelle fest.

„Steh, kleiner Mann,“ sagte eine Stimme über ihm. „Wilde Männer bringen Kind zu dem Braunen. Tun ihm nicht weh.“

Frodo hörte auf, sich zu wehren. Der Arm, der ihn festhielt, verschob sich und eine Hand packte ihn im Nacken und drängte ihn vorwärts, aber die andere Hand schloss sich um sein Handgelenk und hielt seinen Schwertarm dicht gegen seine Brust gepresst. Von hinten gestoßen, kam er auf den Strand hinaus und zum Feuer. Da stand Radagast mit Nano zu seinen Füßen; ihm gegenüber stand ein kleiner, krummer Mann mit fetten Armen und plumpen Beinen. Er trug irgendeine Tierhaut, wie einen Rock um seine Mitte geschlungen, sonst aber keinerlei Kleidung.

„Noch einer,“ sagte der, der Frodo gefangen genommen hatte. „Mit Waffe.“ Er zerrte Stich aus seiner Scheide, bevor er Frodo vorwärts stieß, so dass er neben Nano zu Boden fiel.

„Sie sind keine Gefahr für euch,“ sagte Radagast. „Das Kind ist halsstarrig, aber nicht böswillig. Der Halbling hat ein sanftes Herz, aber er hat auch den Mut, seine Freunde zu verteidigen.“

„Das ist Druwaith Iaur, Brauner.“ Die Stimme des Wilden Mannes rumpelte tief in seiner Brust. „Wenig Platz jetzt in Welt für Druedain, aber diese Berge bleiben uns.“

Radagast seufzte. “Du bist im Recht, Dwann-Guri. Ich hätte sie vielleicht nicht herbringen sollen; Ich wollte für den Winter eine Zuflucht am Meer, wo keine Leute sind. Wir hätten euch nicht gestört, wenn der Junge von den Bergen weg geblieben wäre.“

Nano war zu Frodo hinüber gekrabbelt und presste sich gegen ihn, und Frodo legte einen Arm um ihn und tätschelte ihm den Rücken.

„Kind jetzt aus den Bergen bleiben.“ Dwann-Guris Stimme war grimmig. „Kommt wieder hinein, kann nie wieder hinaus.“

Radagast nickte. “Hörst du das, Nano? Diese Berge sind die Heimat der Druedain. Das nächste Mal bringen sie dich nicht zu uns zurück.“

“Ich verstehe.” Nanos Stimme wurde von Frodos Hemd gedämpft, und Frodo setzte sich und zog das Kind mit sich.

„Achte auf deine Manieren, Junge,“ flüsterte er. Er stand auf und zwang Nano, ebenfalls aufzustehen. „Jetzt dein Versprechen,“ sagte er leise. „Und deine Entschuldigung. Du bist an einen Ort gegangen, wohin du nicht durftest.“

Nano schaute zu dem wilden Mann auf. „Vergib mir. Ich werde euch nicht mehr belästigen.“

“Gut. Du kommst noch einmal, wir finden Frau für dich; du bleiben, wirst auch Wilder Mann.“

Frodo verbiss sich beim Anblick von Nanos Gesichtsausdruck ein Lachen, aber als Nächstes wandte sich Dwann-Guri an ihn. „Du… mit Waffe… wessen Blut darauf?“

Frodo schüttelte verwirrt den Kopf. „Es ist kein Blut darauf; die Klinge ist sauber.“

„Blut darauf gewesen; nicht jetzt. Wessen Blut?” Die Augen des Wilden Mannes bohrten sich unausweichlich in seine, und Frodo hob hilflos die Hände.

“Das Blut von Orks. Und – das von Kankra, denke ich. Die Spinne von Cirith Ungol.” Der bloße Name blieb ihm in der Kehle stecken, aber Dwann-Guri lächelte.

„Gut,“ sagte er. Er gestikulierte zu seinem Gefährten hinüber, und der andere Wilde Mann reichte Stich mit dem Griff zuerst an Frodo zurück. „Töte Gorgun, wenn du sie findest. Bleib weg aus den Bergen.“

Einen Moment später waren sie fort und verschwanden still wieder in den Wäldern. Frodo schob sein Schwert zurück in die Scheide und wandte sich an Nano. „Du hast dein Versprechen gegeben,“ sagte er.

„Und ich werde es halten! So eine Sorte Frau will ich nicht haben!“

Frodo schaffte es, dass sein Gesicht unbewegt blieb, obwohl er später zusammen mit Radagast lachte, als Nano schlief. „Ich denke, das Versprechen wird er halten,“ sagte er.

„Oh ja,“ sagte Radagast. „Selbst ohne die Drohung hätte er es gehalten, glaube ich. Er ist kein schlechtes Kind, nur dickköpfig und ohne Erziehung. Er mag aufwachsen und uns Ehre machen, wenn er überlebt.“

„Er gerät schnell in Gefahr, nicht? Hätten sie ihn wohl getötet, Radagast? Die Wilden Männer?“

„Sie dulden nicht, dass Außenseiter in ihre Berge kommen, Esel. Ich hatte meine Zweifel, dass hier noch irgendwelche Druedain leben, oder ich hätte euch gar nicht erst nach Andrast gebracht, aber trotzdem, es ist weiser, kein Wagnis einzugehen, was sie betrifft.“ Er paffte gedankenvoll an seiner Pfeife. „Wir müssen ein Heim für Nano finden, weißt du. Kannst du es ertragen, dich eine Weile in bewohnten Gegenden aufzuhalten?“

Frodo lächelte schwach. „Ich bin nicht krank. Wohin sollen wir gehen?”

„Um die Leute seiner Mutter zu finden? Sie könnte von irgendeinem Stamm von hier bis zum Anduin und nordwärts gekommen sein. Elessar mag sich vielleicht erinnern, aber das würde bedeuten, Nano an den Hof zu bringen, und dafür ist er nicht bereit. Die Valar wissen, wie wild er ist, und wagemutig – er könnte sich in Rohan wohlfühlen.“

“Dann bringen wir ihm wohl am besten das Reiten bei. Er braucht ein eigenes Pony.“

Radagast lachte. „Ein Pferd, Junge, kein Pony! Er wächst schnell; bald wird er für jedes Pony zu groß sein.“


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