Unterwegs mit dem anderen Zauberer - Eine Reise zur Heilung
(Following the other Wizard - A Journey into Healing)
von jodancingtree, übersetzt von Cúthalion



Kapitel 11
Der Herr der Glitzernden Höhlen

Nachdem sie die Furten des Isen einmal überquert hatten, hielten sie sich an die Straße; es war der kürzeste Weg nach Edoras, wo Radagast den König zu finden hoffte. Beim Gedanken an den Empfang durch Éomer krümmte sich Frodo innerlich; er war dem König natürlich schon früher begegnet, und es war nicht daran zu denken, seine Identität zu verbergen. Ich bin froh, dass ich es Nano gesagt habe, dachte er. Ich hätte es gehasst, wenn er es in der Festhalle von Meduseld herausgefunden hätte, weil jemand aufstand, um einen Trinkspruch auf den Ringträger auszubringen! Er seufzte und wünschte sich, er könnte dauerhaft in der Wildnis verschwinden.

Hinter ihnen erklang schweres Getrampel, und Frodo drehte sich um und schaute über seine Schulter zurück. Ein kleines Stück weiter hinten sah er ein Durcheinander aus hellen Farben; Stahlhelme blitzten in der Sonne. Ohne Absprache verließen er und seine Gefährten die Straße und warteten am grasigen Wegesrand, dass die Reisenden sie passierten.

Es war eine Gruppe Zwerge, zwanzig oder mehr, die die Straße entlangmarschierten und dabei sangen. Eine Reihe schwer beladener Maulesel folgte ihnen. Plötzlich fühlte sich Frodo innerlich erwärmt; die Zwerge in ihren scharlachroten und smaragdgrünen Mänteln schienen ihm starken Herzens zu sein, von kraftvoller Freude erfüllt, als wäre es berauschendes, vollmundiges Bier. Er erinnerte sich an Gimli – nicht den grimmigen, kämpferischen Gimli auf der Fahrt, sondern an den nach dem Krieg, in Cormallen: die Augen hell von Humor, seine Stimme wie ein froher, tiefer Gong, als er Pippin befahl, ins Bett zu gehen.

Er dachte, sie wären unbeobachtet, so ganz auf der Seite, aber plötzlich brach einer der Zwerge aus der Reihe, kam gerannt und grüßte sie. „Hammer und Zange, es ist Frodo Beutlin! Also, Kleiner, was machst du so weit weg von Zuhause? Nicht wieder auf der Fahrt, hoffe ich, mit irgendeiner verzweifelten Aufgabe, an der ich mich um des Lebens und der Ehre willen verpflichtet fühlen müsste, teilzunehmen?“

Er hob Frodo vom Pony und umarmte ihn mit übertriebener Vorsicht, bevor er ihn auf dem Boden absetzte. „Ich dachte, es sei Pech, dass wir auf unserem Weg so lange gebraucht haben, aber wie ich sehe, liegt ein gewisser Segen darin, oder ich hätte dich verpasst! Was machst du hier, Frodo?“ fragte er wieder.

Frodo lachte und zog seine zerknitterte Kleidung glatt. „Was, wenn ich sagen würde, ich warte auf dich, Gimli, Sohn des Glóin? Was machst du selbst denn hier – ich dachte, du wärst weit weg in Erebor und erschaffst ein Behältnis für Galadriels Haar!“

„Wenn es darum geht, das ist schon lange fertig, mein Freund. Schau her.“ Der Zwerg hantierte an seiner Kehle herum und zog eine schmale Kette aus gehämmertem Gold hervor, die unter seiner Tunika verborgen gehangen hatte; eine leuchtende Kristallträne hing davon herab. Er hielt sie hoch und Frodo nahm sie in die Hand; der Kristall fing das Licht ein und blitzte vor seinen Augen, und es dauerte einen Moment, ehe er die geflochtenen, goldenen Haare sehen konnte, die sich in dem Edelstein zu einem aufwendigen Knoten verschlangen.

„Ihr Haar leuchtet sogar noch heller als der Kristall, der es umschließt. Du hast ein Meisterwerk geschaffen, Gimli,“ sagte er voll Ehrfurcht.

„Ich habe ein Jahr gebraucht,“ sagte der Zwerg. „Ein Jahr, um darüber nachzudenken, wie ich ihm gerecht werde, und wie ich es Wirklichkeit werden lasse – aber es war ein gut genutztes Jahr. Meine Augen werden die Herrin des Goldenen Waldes nicht mehr sehen, aber ein Teil von ihr bleibt in Mittelerde, und zwar bei mir.“

„Du bist glücklich unter den Sterblichen,“ sagte Radagast, und Gimli bemerkte ihn zum ersten Mal.

„Seid ihr der Gefährte dieses Wanderers, Herr? Ich bilde mir ein zu wissen, wer Ihr seid, obwohl wir uns bis jetzt noch nicht begegnet sind. Der Braune Zauberer von Rhosgobel, nicht wahr? Ihr hattet Eure Heimstatt nördlich der Alten Furt, wo die Waldstraße in die Berge hinaufsteigt, und damit nach Bruchtal; ich erinnere mich, wie mein Vater mit von Euch erzählt hat, als wir dort entlang reisten. Auch Ihr seid weit weg von zuhause.“

Radagast lächelte. „Du bist gut unterrichtet, Sohn des Glóin. In alten Zeiten kannte ich deinen Vater - bevor du geboren wurdest, nehme ich an. Seit jenen Tagen bin ich auf den Straßen unterwegs gewesen, und es ist ein paar Jahre her, seit ich den Rhosgobel gesehen habe.“ Er nickte dorthin hinüber, wo die Zwergengesellschaft nich immer auf der Straße stand und auf Gimli wartete. „Kannst du deine Leute davon überzeugen, ihre Reise für ein Weilchen zu unterbrechen, während du dich mit Frodo triffst? Ich kann eine kleine Erfrischung beisteuern, wenn du gestattest --- “

Gimlis buschige Augenbrauen stiegen in die Höhe. „Eine Erfrischung, für zwanzig kräftige Kerle? Aber man soll einen Zauberer nie fragen, wie er seine Wunder vollbringt! Wir wären Flegel, Eure Freundlichkeit zurückzuweisen, also werden wir es nicht tun. Und wir mögen hoffen, Euch eure Gastfreundschaft zurückzuzahlen, wenn Ihr mit uns noch eine Tagesreise weiter mit zu den Glitzernden Höhlen kommt, denn dort wollen wir hin.“

Die Zwerge versammelten sich um sie auf dem Feld neben der Straße, ließen ihre Rucksäcke auf den Boden fallen und setzten sich darauf, während die Treiber unter ihnen die Maulesel anpflockten, um das raue Gras abzufressen. Radagast langte in seinen Sack, und bald waren Frodo und Nano damit beschäftigt, Bierkrüge und Platten mit kaltem Fleisch herumzureichen, dazu kleine, knusprige Brotlaibe. Die Gäste fielen mit gutem Appetit darüber her, und es dauerte einige Zeit, bis die kleinen Diener genügend zu Atem kamen, um sich hinzusetzen und selbst zu essen.

„Komm her, Ringträger!“ sagte Gimli endlich, setzte seinen Krug ab und wischte sich den Schnurrbart mit dem Ärmel. „Was fällt mir ein, zuzulassen, dass du dir die Beine abläufst und diese ganze Menge bedienst, wo doch wir dich bedienen sollten! Nimm Platz, und Gimli wird sich um alles kümmern, was du brauchst.“ Er war nicht davon abzubringen, und Frodo, der kaum wusste, wo er vor lauter Verlegenheit hinschauen sollte, fand sich selbst auf Gimlis Rucksack wieder wie auf einem Thronsessel, während der Zwerg vor ihm Fleisch auf einen Brotlaib häufte.

„Still, Durinssöhne!“ schrie Gimli, und aller Augen wandten sich ihm zu. „Es ist mir ein Vergnügen, Euch unseren Gastgeber zu präsentieren, Radagast von Rhosgobel, den Braunen Zauberer, von dem ihr vielleicht gehört habt, und Frodo Beutlin --- “

„Gimli, nein!“ sagte Frodo in gequältem Tonfall, und der Zwerg hielt mitten im Satz inne und starrte ihn an. „Ich bin Radagasts Gefährte, das ist alles! Wenn du nur irgendwelche Liebe für mich empfindest, sag nicht noch mehr!“

Gimlis Gesicht war ein Schauspiel; seine Augenbrauen waren fast bis zu seiner Nase hinunter gezogen, aber er nickte und hob erneut die Stimme. „Frodo Beutlin, ein Hobbit aus dem Auenland, der mit ihm reist. Lasst Euch hören, Langbärte – danke für diesen feinen Imbiss in der Wildnis, und ein Willkommen für diese großzügigen Freunde!“

Ein dröhnender Chor von Stimmen schrie seinen Dank, und gestiefelte Füße stampften auf dem Boden. Dann erhoben die Zwerge sich und schulterten ihre Rucksäcke. Die Esel wurden zusammengetrieben und wieder auf die Straße geführt; Nano hielt Radagasts Sack auf und die Gäste ließen Krüge und Platten hineinfallen, während sie an ihm vorbeikamen.

„Wirst du mit uns kommen, Frodo? Du warst während des Krieges nicht hier, um diese Höhlen zu sehen; sie lohnen wahrlich den Besuch, ich verspreche es dir! Und Ihr seid ebenfalls willkommen.“ Gimli verneigte sich vor Radagast. „Wo auch immer Ihr hinwollt, Herr Zauberer, es wird Euch nicht Leid tun, die Glitzernden Höhlen gesehen zu haben.“

„Sind das die Höhlen, für die du Legolas das Versprechen abgenommen hast wiederzukommen?“ sagte Frodo. „Wir werden ganz sicher kommen – nicht wahr, Radagast? Eine Höhle, die einen Elben unter die Erde lockt, muss es wert sein, dass man sie besucht!“

*****


Die Höhlen waren tatsächlich all das, was Gimli über sie gesagt hatte. Der Zwerg führte sie durch einen schmalen Gang nach dem anderen; sie öffneten sich auf gewölbte Räume, wo der obere Teil sich in der Finsternis verlor, bis überall rings um sie her Fackeln angezündet wurden; dann fingen die kristallinen Wände und die Decke das Licht der Fackeln ein und warfen es wieder zurück, bis es war, als seien sie in einem Diamanten gefangen. Zahllose Kammern von gleichartigem Glanz reihten sich wie Perlen auf einer Schnur aneinander; manche von ihnen strahlten ein klares Licht aus, und manche glühten in den Farbtönen von Saphir und Rubin. Frodo war überwältigt. Sein Herz hüpfte angesichts der unvorstellbaren Schönheit dieses unterirdischen Reiches; immer wieder hielt er voller Staunen den Atem an, wenn die Fackeln angezündet wurden und eine neue Höhle rings um ihn her flammend zum Leben erwachte.

Nano jedoch wurde immer stiller, je tiefer sie unter den Berg vordrangen. Seine Augen waren rund und sein Mund stand halb offen; er sah aus, als sei er vor Staunen betäubt, ließ seine Hände über die leuchtenden Türme gleiten, die sich aus dem Steinboden erhoben und zog mit seinen Fingern die Adern aus Gold und Edelsteinen in den Felswänden nach. Nach einer Weile nahm Frodo das Kind bei der Hand, weil es hinter ihnen zurückfiel, aber Nano schien es kaum zu bemerken. Dann kehrten sie um, und Gimli führte sie in einen Arbeitsraum, der von vielen Zwergen bevölkert war. Jeder saß an seinem eigenen Tisch und beugte sich über seine Arbeit. Hier hatte man Fenster in die Decke gehauen, und der Raum wurde von Tageslicht überflutet. Dies waren keine Metallarbeiter, sondern Edelsteinschneider.

„Geh nur schon vor, Junge, schau dich um,“ sagte Gimli zu Nano. „Ich rufe dich, wenn es Zeit ist, weiter zu gehen. Nano schlenderte davon und blieb zuerst an einer und dann an einer anderen Werkbank stehen, still wie ein Schatten, völlig gefangen von dem, was die Handwerker da taten.

„Was habt Ihr geplant für diesen Jungen?“ fragte Gimli Radagast mit gesenkter Stimme. „Ihr seid sein Vormund, nehme ich an? Wolltet Ihr ihn einem Lehrmeister übergeben, damit er ein Handwerk lernt, oder wie?“

„Ich hatte vor, ihn zum König von Rohan zu bringen. Er ist hochherzig und reitet, als sei er dafür geboren – in des Königs Diensten sollte er sich gut machen. Hast du mir einen anderen Rat anzubieten, Sohn des Glóin?“

„Seht ihn Euch an.“ Gimlis Blick streifte Nano, der sich an einen Tisch lehnte und jeder Bewegung des Arbeiters dort mit dem Augen folgte; unbewusst ahmten die Hände des Jungen die Bewegungen des Zwergen nach, dessen Werk er beobachtete. „Das Edelsteinfieber hat ihn gepackt, Vogelzähmer. Er mag wie die Pferdeherren der alten Zeit reiten, aber jetzt, da er den Geburtsort der Steine gesehen hat, wird er nach einer eigenen Werkbank hungern. Wenn Ihr ihn mir anvertraut, dann werde ich ihm einen Meister finden, der ihn lehrt, Rubine und Smaragde zu schneiden, bis sie der Stirn einer Königin würdig sind. Ich meine, dass dies hier die Arbeit ist, für die er geboren wurde.“

Radagast nickte gedankenvoll, und Frodo ging zu Nano hinüber und legte ihm eine Hand auf die Schulter. Nano warf ihm ein halbes Lächeln zu, als er seine Gegenwart bemerkte, aber er nahm kaum die Augen von dem Handwerker vor ihnen.

„Zeig ihm, wie man einen Schnitt setzt, Dali,“ sagte Gimli; er war unbemerkt hinter sie getreten. Der Zwergenhandwerker hob zum ersten Mal den Kopf und betrachtete Nano von oben bis unten; besonders lange ruhte sein Blick auf den Händen des Jungen.

„Komm her,“ sagte er barsch. Nano stellte sich neben ihn, und der Zwerg kramte in einer Kiste seitlich der Werkbank herum, bis er einen Felsbrocken gefunden hatte, der so groß war wie Frodos Faust. Er war matt und rau; nichts ließ vermuten, dass sich in seinem Inneren Schönheit verbarg. Er hielt ihn Nano auf der Handfläche entgegen. „Wo würdest du deinen ersten Schnitt machen?“ fragte er.

Nano nahm ihn, drehte ihn hin und her und befühlte ihn, als hätte er Augen in den Fingerspitzen. „Hier,“ sagte er endlich.

Der Handwerker lächelte ganz leicht; er hielt ihm ein kleines, scharfes Werkzeug und einen Holzhammer entgegen. Nano nahm beides, stützte den Felsbrocken an der Werkbank ab und schlug heftig zu. „Nicht so, Junge, oder du verlierst einen Finger!“ Der Zwerg legte seine eigenen Hände um die von Nano und führte sie. Zusammen schlugen sie zu, zweimal, dreimal, und der Felsbrocken fing an zu splittern; noch ein kräftiger Schlag und eine großer Span fiel davon ab.

„Schau ihn dir jetzt an,“ sagte der Handwerker, und Nano untersuchte die Facette, die er zum Vorschein gebracht hatte; er strich darüber hin, berührte die glatte Oberfläche mit der Zunge und polierte sie mit dem Finger. Er sah mit leuchtenden Augen zu seinem Lehrmeister auf.

„Er ist rot!“ rief er aus, und der von Edelsteinfieber gepackte Junge und der Meisterschneider tauschten ein Lächeln vollkommenen Verstehens.

Radagast sprach Gimli ins Ohr. „Ich werde ihn bei dir lassen, Sohn des Glóin. Ich bin nicht sicher, ob ich ihn von hier fortzerren könnte!“

Als sie Nano am nächsten Tag fragten, ob er den Wunsch hätte, in den Höhlen zu bleiben und das Edelsteinschneiden zu erlernen, da war er außer sich vor Begeisterung. „Den König kann ich später auch noch sehen – Dali macht ein Halsband für die Königin, und wenn es fertig ist, wird er es persönlich nach Edoras liefern. Er hat mir schon gesagt, dass ich mitkommen kann, wenn ich hier bin. Wird er mein Lehrer sein?“

„Wie ich sehe, hat er Gefallen an dir gefunden,“ sagte Gimli. “Dali ist einer der Besten; wenn er sich damit einverstanden erklärt, dein Meister zu sein, dann hast du wirklich Glück! Aber du wirst ihm voll und ganz gehorchen müssen, Junge, Wir errichten hier in den Glitzernden Höhlen eine neue Kolonie; es gibt Arbeit für jedes Paar Hände, und keine Zeit für Narrheiten. Radagast sagt mir, du wärst ein bisschen wild.“ Er blickte finster auf Nano hinab, und seine Worte waren nicht misszuverstehen.

„Ich werde nicht wild sein!“ Nanos Stimme war voller Eifer. „Ich werde tun, was immer Dali auch sagt, wenn er mich nur unterrichtet. Ich verspreche es, Herr Gimli!“

Gimlis Lippen zuckten. „Dieser Ehrentitel klingt gut, aber noch habe ich ihn nicht verdient. Warte fünfzig Jahre, bis wir aus diesen Höhlen das Wunder gemacht haben, das sie einst sein werden! Im Moment tu einfach nur, was man dich heißt, und ich werde Dali bitten, dich als Lehrling anzunehmen.“

*****


„Ich danke dir, Gimli.“ Frodo setzte seinen Humpen ab und legte die Hand darüber, um den Zwergen davon abzuhalten, dass er ihn noch einmal füllte. „Ich hab genug; ihr braut ein Bier hier in den Höhlen, das einem in den Kopf steigt – noch mehr, und du wirst mich in mein Bett rollen müssen! Danke, dass du Nano ein Heim und eine Zukunft schenkst.“ Er grinste. „Der Junge hatte kaum die Zeit, mit mir zu reden, als ich ihn auf einem Flur getroffen habe, so gefangen ist er von seiner Arbeit mit Dali. Ich hoffe, er wird sich gut machen bei dir.“

„Das wird er, daran habe ich gar keinen Zweifel. Ich werde ihn im Auge behalten; wenn er mir ruhelos vorkommt, dann lasse ich ihn auf irgendeinen Botendienst reiten, und er muss sein Pferd ohnehin jeden Tag bewegen. Wenn er es leid wird, an seiner Werkbank zu stehen, dann dürfte das seinen Übermut dämpfen, denke ich. Nano macht mir keine Sorgen.“ Gimli starrte Frodo brütend an, und das Herz des Hobbits sank.

„Du hast mir nicht gesagt, Frodo, was du eigentlich hier machst, so weit weg von daheim.“

Frodos Finger suchte nach dem Juwel an seiner Kehle und spielten damit, während er überlegte, was er antworten sollte. Gimli streckte die Hand aus und legte sie um den glitzernden Stern, dann beugte er sich vor, um ihn zu untersuchen. „Elbenarbeit ist das. Wo hast du es her?“

„Arwen hat ihn mir geschenkt. Sie sagte, er würde ein Trost sein…“ Frodo wünschte sich, er hätte den Edelstein in seinem Hemd gelassen; es missfiel ihm, dass irgendjemand ihn berührte, selbst ein Freund. Er zwang sich, nicht zurückzuweichen.

Gimli hielt den Edelstein hoch, um das Licht einzufangen. „Nimmst du ihn einen Moment ab, damit ich ihn mir näher anschauen kann? Nein?“ Sein scharfer Blick richtete sich auf Frodo, aber dann lächelte er und ließ den Elbenstern aus seiner Hand fallen. Frodo steckte ihn rasch weg, außer Sichtweite.

„Nun, ich kann es dir nicht übel nehmen. Du und ich, wir wissen beide, was aus den Silmarili wurde, in Thingols Schatzkammer.“* Frodos Augen wurden weit vor Entsetzen; er öffnete den Mund, um zu protestieren, aber Gimli hieß ihn still zu sein. „Nein, es ist ein liebliches Ding, aber nicht so kostbar wie jene anderen – und ich bin kein Dieb. Aber ich glaube, Frodo, dass es dir noch nicht so gut geht, wie du es vorgibst.“

Frodo senkte den Blick. “Es geht mir gut genug… viel besser als vor einem Jahr, als ich Radagast begegnet bin. Diesen Frühling bin ich noch kaum je krank gewesen.“

Gimli füllte seinen eigenen Krug nach und nahm einen langen Zug. „Hattest du erwartet, krank zu werden?“

„Nun, das war ich, in jedem Frühling und Herbst seit der Fahrt. Letzten Frühling war es am schlimmsten, und dann traf ich Radagast und folgte ihm. Es geht mir jetzt besser, wenn auch nicht so gut, wie ich es vorgebe!“ Er lächelte kläglich.

„Hmmpf. Nun, das sind wenigstens gute Nachrichten. Also, wo gehen der Zauberer und du hin, von hier aus? Obwohl du willkommen wärst zu bleiben, Frodo, so lange du es wünschst; dein ganzes Leben lang, wenn es dir so gefällt.“

„Ich danke dir.“ sagte Frodo und packte die Hand des Zwergen mit festem Griff. „Du bist ein treuer Freund, Gimli, und ich hatte wirklich keine Angst, dass du mit mein Schmuckstück raubst! Ich halte mich daran fest; Arwen hatte Recht, es tröstet mich tatsächlich. Aber das ist nicht genug, und Radagast ist ein guter Arzt. Wenn es für mich denn irgendeine Hoffnung auf Heilung gibt, auf wirkliche Heilung, dann bin ich sicher, sie liegt bei ihm. Ich werde ihm folgen, wo immer er mich auch bringt.“

Sie blieben einen Monat, wie es sich herausstellte. Zeit genug für Nano, sich in seinem neuen Zuhause gut einzuleben, Zeit genug, dass in verborgenen Werkstätten tief in den Höhlen neue Kleidung für Frodo genäht werden konnte.

„Wie ein Straßenjunge siehst du aus, mein Hobbit,“ meinte Gimli zu ihm. „Ein paar von meinen Gefährten haben Frauen hier; es sind geschickte Näherinnen, und sie werden Kleidungsstücke für dich machen, die auch das Reisen in wilden Gegenden überstehen. Es ist nicht angemessen, dass der Ringträger herumläuft, als wäre er ein Bettler.“

Frodo zog ein Gesicht. „Ich bin bloß Frodo Beutlin, Gimli; ich trage den Ring nicht mehr! Aber wenn deine Gevatterinnen mir einen Satz Kleider machen wollen, dann werde ich dieses Geschenk freudig annehmen.“

Er bekam die Schneiderinnen nie zu Gesicht, aber die Kleidung wurde ihm ein paar Wochen später gebracht, und sie passte gut und war das Bequemste, was er je getragen hatte. Auch sein Elbenmantel wurde ihm zurückgegeben, so sauber und frisch wie an dem Tag, als er ihn in Lórien empfangen hatte.

„Bereit, weiter zu reisen?“ fragte Radagast ihn ein paar Tage später. „Der Sommer kommt näher, und wir haben Angelegenheiten in Norden zu erledigen.“

„In dieses Sachen bin ich zu allem bereit!“ sagte Frodo, „Ich glaube, dass sie ein gewisses Maß an Wagemut und Liebe zum Abenteuer in ihre Stiche gelegt haben müssen, Radagast; ich bin bereit, auszuziehen und gegen Drachen zu kämpfen!“

Der Zauberer lachte schallend. „Jetzt glaube ich dir, dass du Bilbos Vetter bist! Sehr schön, mein Abenteuerlustiger, lass uns auf Abenteuer ausziehen!”

Nano vergoss beim Abschied ein paar Tränen, und Frodo hielt ihn fest an sich gedrückt. „Sei ein guter Junge, und gib Dali allen Grund, auf seinen Lehrling stolz zu sein.“

„Das werde ich. Ich werde alles tun, dass du stolz auf mich bist, Esel!“ Nano umarmte ihn heftig und Frodo hielt ihn von sich weg und zog den Kopf des Jungen zu sich hinunter, damit er ihn auf die Stirn küssen konnte.

„Ich bin schon stolz auf dich. Vielleicht sehe ich eines Tages Königin Arwen wieder, und wohlgemerkt, ich werde schauen, ob sie einen Edelstein trägt, den du geschnitten hast!“

Nano kicherte unter Tränen. “Woher willst du wissen, dass ich es war?”

„Na, selbstverständlich werde ich sie fragen! Du wirst ein berühmter Edelsteinschneider sein, und Königinnen werden den Schmuck, den du gemacht hast, mit Stolz tragen!“ Und so ließ er einen grinsenden Nano zurück, der einer strahlenden Zukunft entgegensah, aber er und Radagast ließen die Höhlen hinter sich und ritten nach Osten, wo die Sonne gerade erst über die Bäume stieg.

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*Thingol rief Zwerge aus den Blauen Bergen zu sich, um die Silmarili in das Halsband Nauglamir zu fassen, aber die Zwerge berauschten sich an ihrem eigenen Werk; sie erschlugen Thingol in seiner eigenen Schatzkammer.“

(Quelle: Encyclopedia of Arda)


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