Unterwegs mit dem anderen Zauberer - Eine Reise zur Heilung
(Following the other Wizard - A Journey into Healing)
von jodancingtree, übersetzt von Cúthalion



Kapitel 12
Rhosgobel

Sie kehrten in diesem Frühjahr nicht ins Auenland zurück. „Wird dein einbeiniger Vogel denn nicht auf dich warten?“ fragte Frodo, aber Radagast schüttelte den Kopf.

„Er wird dieses Jahr nicht mehr da sein, Esel. Sie leben nicht so lange, diese kleinen Singvögel.“

„Dann ist er tot?” fragte Frodo bestürzt. Er berührte seine Schulter, wo Cuina saß, und sie knabberte an seinem Daumen. „Woher weißt du das, Radagast?“ Der Zauberer zuckte die Schultern und gab ihm keine Antwort. Frodo strich mit einem Finger über die weichen Federn auf Cuinas Brust hinunter; sie war erst ein Jahr alt, aber trotzdem ---

Cuina sollte sich einen Gefährten suchen,” sagte er, und Radagast nickte.

„Bist du bereit, sie gehen zu lassen, wenn sie es tut?”

„Aber sicher!” Frodo war gekränkt. “Hast du gedacht, ich würde sie gefangen halten, weil ich ihr das Leben gerettet habe?“ Er würde den Vogel vermissen, wenn er ihn verließ, aber der Zauberer hatte ihn daran erinnert, dass seine Lebensspanne weit geringer war als seine eigene. Er wollte, dass er ein vollwertiges Leben hatte, was immer das auch für einen Vogel bedeutete…

Sie ritten durch frisch nachgewachsenen Wald, die Bäume jung und dicht beieinander, und nach dem Abendessen wanderte er allein vom Lager fort. Als er außer Sichtweite war, pfiff er und Cuina ließ sich auf seinem Kopf nieder. Er nahm sie auf die Hand und hielt sie vor sein Gesicht. „Du musst einen Gefährten finden,“ sagte er zu ihr. Er küsste sie sanft auf den Kopf. „Geh jetzt. Zieh eine Familie auf, Cuina. Vielleicht wirst du uns wiederfinden, wenn wir im Herbst nach Süden gehen.“ Der Vogel reckte sich nach vorne, um an seiner Nase zu knabbern, dann erhob er sich in die Luft und ließ die Spur seines Lieder hinter sich.

Am nächsten Tag kam Cuina einmal zu ihm und ritt eine halbe Meile auf seiner Schulter. Dann flog sie davon und kehrte nicht wieder zurück.

Am Mittsommertag erreichten sie den Gipfel eines grasbewachsenen Hügels und entdeckten einen dunklen Wald, der sich am Horizont erhob wie eine schwarze Mauer. Frodo schluckte nervös. Im Allgemeinen mochte er bewaldete Gebiete, aber dieser Ort erfüllte ihn mit Furcht; er erinnerte ihn an den Alten Wald am Rand von Bockland, erfüllt von heimlicher Bosheit.

„Düsterwald,” sagte Radagast. “Er ist jetzt besser, als er es war, aber nicht gut. Wir werden außen herum gehen.“

Sie wandten sich von dem Wald ab, aber er schien sie tagelang und unheilvoll auf ihrer rechten Seite zu verfolgen. Frodo schaute immer wieder über seine Schulter zurück; er schämte sich seiner Angst, konnte sie aber nicht vertreiben.

Nachts war es noch schlimmer. Im Dunkeln konnte er die Bäume nicht sehen, nur die Stelle, wo der Sternenhimmel von der schwarzen Linie der Bäume scharf abgeschnitten wurde. Er wandte dem Wald den Rücken zu, aber er konnte ihn hinter sich spüren. Endlich setzt er sich hin, so dass er den Wald anschaute, aber mit dem Feuer zwischen sich; er zündete sich eine Pfeife an und rauchte trotzig; er starrte in die Schwärze hinein und forderte sie heraus, ihn einzuschüchtern.

Er schlief in Schüben und der Düsterwald suchte seine Träume heim; aber in der vierten Nacht dachte er, seine Alpdrücke wären zum Leben erwacht. Etwas regte sich am Rand seines Blickfeldes, und er sprang auf, wirbelte zum Angriff herum und zerrte Stich aus seiner Scheide. Der Zauberer war über seinen Sack gebeugt und räumte seine Kochtöpfe weg, und über ihn dräute ein Schatten, unmenschlich und monströs.

„Radagast!“ Frodo warf sich auf das Ding und umklammerte sein Schwert mit beiden Händen. Er würde es töten oder bei dem Versuch erschlagen werden; es würde nicht ohne Vorwarnung über den Zauberer herfallen! Radagast fuhr bei Frodos Aufschrei herum, stieß selbst einen Schrei aus, warf sich auf den Hobbit und riss ihn mit sich zu Boden. Das Schwert verschwand kreiselnd in der Dunkelheit.

„Liegenbleiben, Junge!“ keuchte er. Frodo lag benommen unter ihm, und Radagast setzte sich auf, zog den Hobbit auf seinen Schoß und tastete ihn nach gebrochenen Knochen ab, während er tröstend murmelte. „Schsch, schon gut. Du bist ein tapferer Verteidiger, aber es gibt keine Gefahr. Ruhig, Junge.“

Frodo schloss die Augen und atmete tief ein. Als er sie öffnete, als er klar sehen konnte, da war der Schatten zu einer zottigen Gestalt geworden, die friedlich am Feuer saß… noch immer gewaltig, aber nicht das Monster, für die er sie gehalten hatte.

„Ein Bär,“ murmelte er und blickte zu Radagast auf. „Noch einer von deinen Patienten?“

Radagast gluckste. „Er ist nur im Augenblick ein Bär. Kein Patient, sondern ein Freund. Das ist Grimbeorn, Herr der Täler des Anduin. Du hast doch von den Hautwechslern gehört?“

„Hautwechsler? Bilbo ist einem auf seiner Reise begegnet: Beorn, dem Bienenzähmer.“

„Das hier ist sein Sohn,“ sagte Radagast. Er wandte seine Aufmerksamkeit der Gestalt am Feuer zu. „Vergib ihm, Grimbeorn. Du hast uns überrascht.“ Er kehrte zu seinem Sack zurück, zog eine Honigwabe heraus, die so groß war wie seine beiden Hände und trug sie zu d dem Bär hinüber. „Du bist an unserem Feuer höchst willkommen.“ Grimbeorn nahm die Wabe und verschlang sie mit einem Bissen.

„Geh schlafen, Esel. Du musst keine Angst haben, wenn wir beide über dich wachen.“ Frodo nickte dumpf und rollte sich in seine Decke, und tatsächlich hatte er in dieser Nacht keine Träume.

Als er in der Morgendämmerung erwachte, kochte Radagast bereits das Frühstück, und ein Mann umkreiste mit langen Schritten das Feuer, während er redete. Er war hochgewachsen und breit gebaut, mit einem Vollbart und krausem, wilden Haar, das ihm bis auf die Schultern fiel.

„Die meisten Höhlenorks sind in den Norden gegangen; in dieser Gegend sind nur ein paar ihrer Lager übrig. Mein Sohn hat seine Familie vor einem Jahr zurück in die Berge gebracht, aber ich bin an den Carrock gewöhnt, selbst wenn ich dir nicht versprochen hätte, über dieses Land zu wachen.“

„Ich danke dir dafür,“ sagte Radagast. „Ich werde nicht lange bleiben; wahrscheinlich nur für den Sommer. Ich wäre dankbar, wenn du deine Wache fortsetzen würdest.“

„Das werde ich tun. Steh auf, Kleiner; ich sehe, dass deine Augen offen sind! Du wirst doch nicht wieder mit dem gezogenen Schwert auf mich losgehen?“ Frodo fuhr zusammen und kam langsam auf die Beine; der Blick, der plötzlich dem seinen begegnete, war von lebhafter Intelligenz erfüllt.

„Ich bitte Euch, mir meine Unbesonnenheit zu vergeben,“ sagte er ernsthaft und förmlich. „Ich habe Euch nicht als Freund erkannt, und ich fürchtete, Radagast sei bedroht.“

Grimbeorn lachte, dass seine gewaltigen Schultern erbebten. „Du kennst den Zauberer nur wenig, wenn du fürchtest, ihm könnte etwas zustoßen,“ sagte er, als sein Vergnügen nachließ, aber Frodo stand aufrecht da, ohne zu lächeln.

„Ich habe gesehen, wie Gandalf in Moria fiel,“ sagte er. „Selbst ein Zauberer steht nicht über aller Gefahr.“

Radagast blickte von seiner Kocherei auf. „Erzähl mir nicht, dass du dir auch dafür die Schuld gibst, Esel! Bildest du dir ein, du wärst imstande gewesen, Gandalf vor einem Balrog zu retten?“

Frodo errötete. „Ich hätte ihn am Handgelenk erwischen, ihn davor bewahren können, zu fallen, wenn ich schnell genug gewesen wäre… wenn ich nur nicht wie angewurzelt dagestanden hätte, als er darum kämpfte, sich festzuhalten!“

Radagast kam zu Frodo hinüber und ließ sich auf ein Knie nieder, um ihm ins Gesicht zu schauen. „Tapferes Herz in einem kleinen Leib, das ist mein Esel. Ich zweifle nicht, dass du versucht hättest, ihn festzuhalten, aber weißt du, du hast nicht die nötige Stärke; du wärst mit ihm gemeinsam in den Abgrund gerissen worden. Hab keine Furcht um meinetwillen, Frodo. Der Balrog ist dahin, und ich glaube nicht, dass es für dich je die Notwendigkeit geben wird, mich zu verteidigen – obwohl ich dir für die Bereitschaft danke, es zu tun.“ Er rüttelte Frodo sachte an der Schulter.

Grimbeorn musterte den Hobbit mit einem amüsierten Gesichtsausdruck von oben bis unten. „Mein Vater hat mir von einem kleinen Kerl wie dir erzählt, der mit einer Schar Zwerge gereist ist – kaum größer als eine Maus, sagte er, aber er scheute vor nichts zurück. War er ein Verwandter von dir?“

„Mein Onkel Bilbo,“ sagte Frodo. „Er hat Geschichten von Beorn erzählt, und von seinen Bienen, viermal so groß wie normale Bienen. Haltet Ihr sie immer noch?“

„Das tue ich tatsächlich! Es gibt kein feineres Essen als ihren Honig; vielleicht bringe ich euch diesen Sommer etwas davon. Radagast, gehst du in den Düsterwald hinein?“

„Nicht, wenn es nicht nötig ist. Ist der Weg für Reisende sicher?“

„Sicher genug; es scheint ausreichend Verkehr darauf zu geben… hauptsächlich Elben jetzt, und dann und wann eine Gruppe Zwerge aus den Blauen Bergen. Sie bleiben auf dem Weg; abseits davon würde ich den Weg nicht sicher nennen.“

Radagast zog eine Grimasse. „Es wird lange dauern, ehe die Tiefen des Düsterwaldes sicher sind, wenn sie es überhaupt jemals werden. Nun, ich hab dort nichts zu tun; wenn es einen Durchgang gibt für die, die es wünschen, dann werde ich nicht hineingehen.“

„Sind die Spinnen noch da?“ fragte Frodo.

„Die Spinnen, und andere Dinge, die genauso böse sind,“ sagte Grimbeorn. „Nicht alle üblen Kreaturen wurden ausgetrieben, als der Feind fiel… obwohl sie weniger frech sind als früher.“

„Du wirst Wache halten und mir Nachricht senden, wenn es nötig wird,“ sagte Radagast, und Grimbeorn nickte. An diesem Tag reiste er mit ihnen und ging mit langen Schritten dicht neben ihren Pferden her, ohne auch nur den Hauch von Erschöpfung zu zeigen. An diesem Abend aß er mit ihnen und saß am Feuer, als Frodo schlafen ging. Irgendwann während der Nacht wurde der Hobbit von einem schnüffelnden Grunzen geweckt, und etwas Pelziges streifte ihn. Er blickte auf in die Augen eines wilden Tieres, in denen sich mehr befand als tierischer Verstand, und dann bewegte sich das Geschöpf fort von ihm und in die Dunkelheit hinein. Er lag eine Zeitlang wach, aber der Bär kehrte nicht zurück, und endlich schlief er wieder ein.

Einen Tag später kreuzten sie die Alte Straße, und an diesem Nachmittag kamen sie an einen Ort, wo der Boden zu einer moosigen Vertiefung abfiel, die von großen, alten Bäumen beschattet wurde. Sie waren noch immer nahe am Düsterwald, aber da war eine heilsame Atmosphäre in diesem kleinen Wäldchen, die Frodo aufheiterte; die Luft roch nach irgendeinem würzigen Kraut, das sie unter die Hufe ihrer Reittiere traten, und er atmete sie voller Entzücken ein.

„Rhosgobel,“ sagte der Zauberer. Er zeigte nach vorn, und dann bemerkte Frodo das Haus: es kreiste den größten der Bäume ein, ein wuchernder Ort aus Stein und Holz, von hohem Farn umringt und halb überdeckt von blühenden Kletterpflanzen.

„Ist das dein Zuhause? Es kommt mir vor, als wäre es geradewegs aus dem Boden gewachsen, Radagast!“ Er lächelte und sah den Zauberer aus den Augenwinkeln an. „Hast du Zaubersamen um diesen Baum gesät und darauf gewartet, dass dein Haus sprießt?“

Radagast gluckste. „Ich frage mich, was du wohl sagen würdest, Esel, wenn ich mit Ja antworten würde? Würdest du mir glauben? Aber nein, ich habe es mit meinen eigenen Händen erbaut, Stück für Stück. Ich kam in dem Jahr her, als Amon Sûl niedergeworfen wurde; das war eine böse Zeit und es tröstete mich, aufzubauen, während andere damit beschäftigt waren, zu vernichten.“

Frodo starrte ihn an, außer sich vor Staunen, und Radagast grinste. „Ja, Frodo, so alt bin ich! Komm, du wusstest, dass ich aus Gandalfs Orden bin; wie alt, dachtest du, ist er gewesen?“ Er schwang sich von seinem Pferd herunter und zog Rauchwolke das Seilhalfter über den Kopf. „Lass dein Pony frei herumwandern, während wir hier sind, Junge. Rauchwolke wird sich um ihn kümmern.“ Frodo gehorchte; in seinem Kopf wirbelte es von den Fragen, die er nicht ganz zu stellen wagte, und er folgte dem Zauberer durch einen gewölbten Torbogen ins Haus hinein.

Drinnen war es kaum dämmriger, als es unter den Bäumen gewesen war. Die Mauer gegenüber der Tür bestand aus einer Reihe Fenster, die bis fast zum Steinfußboden reichten und das Licht von draußen einließen. Radagast führte den Hobbit durch mehrere Raume, bis sie in ein Zimmer kamen, wo der große Baum geradewegs durch die Mitte des Hauses wuchs und ein kreisrundes Zentrum bildete. Die anderen Wände waren ebenfalls gerundet und mit dunklem Holz getäfelt, abgesehen von einem Bereich, wo sich eine weitere Reihe Fenster auf das Wäldchen hinaus öffnete.

Frodo schaute hinaus und sah Hunderte von Vögeln, groß und klein, manche graubraun und andere so hell und bunt gefärbt wie Blumen. Sie flogen herum, hockten auf Bäumen und Büschen, und ein paar flogen sogar zu den Fenstern und pickten gegen das Glas.

Radagast lachte und klatschte in die Hände. „Vergib mir, Esel; ich muss meine Nachbarn begrüßen! Ich werde etwas für uns zu essen finden, wenn ich wiederkomme.“ Er ging hinaus, und einen Moment später sah Frodo ihn draußen vor den Fenstern wieder; die Vögel ließen sich auf seinen Armen und Schultern nieder, flogen um seinen Kopf und sammelten sich auf dem Boden zu seinen Füßen. Er drehte sich langsam auf der Stelle, er lächelte und nickte, als würde er mit ihnen reden. Mehr und mehr Vögel stießen auf das Wäldchen hinab; es war grün und dämmrig, aber ein Glanz schien von dem Zauberer höchstselbst auszustrahlen, und die Vögel waren ein vielfarbiger Wirbelwind, der ihn umflatterte.

Frodo stand wie angewurzelt am Fenster. Er war weit gereist mit Radagast, war mit ihm vertraut geworden und fühlte sich wohl in seiner Gegenwart, aber hier im Rhosgobel wurde der Zauberer in einem anderen Licht offenbar, geheimnisvoll und bezwingend… als wäre er aus irgendeinem Anderswo jenseits sterblicher Wahrnehmung herausgetreten.

Die Abenddämmerung sank herab und die Wolke aus Vögeln fing an, dünner zu werden; bald saßen nur noch ein paar wenige auf den Armen und Schultern des Zauberers; der Glanz verging. Radagast kam wieder herein, und Frodo starrte ihn schweigend an.

„Noch immer im Dunkeln, Esel? Warte, bis ich eine Laterne angezündet habe.“

Es gab keinen Unterschied in seiner Stimme oder seinem Benehmen, aber Frodo ließ sich nicht täuschen. Gandalf war eindrucksvoll gewesen, manchmal sogar ein wenig furchteinflößend, bei all seiner Freundlichkeit und seiner offensichtlichen Zuneigung zu den Hobbits. Aber Radagast – er hatte selbst gesagt, dass Gandalf größer war als er, und Frodo hatte ihn nach seiner eigenen Einschätzung hingenommen. Radagast war lustig und verspielt, manchmal sogar ein ganz kleines bisschen lächerlich, aber nun waren Frodo die Augen aufgegangen. Die Macht des Braunen Zauberers mochte vielleicht von anderer Art als die sein, die Gandalf oder Saruman innegewohnt hatte, aber geringer war sie nicht; er stammte in der Tat aus dem selben Orden!

Der Rhosgobel war ein Irrgarten zahlreicher Räume, die ohne die Hilfe von Durchgängen oder Korridoren ineinander übergingen. Sie hatten Steinfliesen oder Böden aus flachen Holzbohlen, und viele der Zimmer waren von Bücherregalen gesäumt – Frodo hatte niemals zuvor so viele Bücher gesehen; die wohlbestückte Bibliothek von Beutelsend schrumpfte im Vergleich damit zu einem Nichts zusammen. In fast jeder Kammer öffneten sich Türen hinaus ins Freie, und überall gab es Fenster, ganze Wände aus Fenstern, die den Wald geradewegs ins Haus hineinzuziehen schienen. Daneben gab es Dutzende von runden Öffnungen aus farbigem oder durchbrochenem Glas, die keinen Ausblick gewährten, sondern wandernde Juwelen aus Licht rings um die Räume aussandten. Einige dieser kleinen Fenster waren sogar in die Decke eingesetzt worden; eines davon gab es in Frodos Schlafkammer. Jeden Morgen, wenn er erwachte, warf es einen hellen Heiligenschein auf den Boden dicht neben seinem Bett.

Und er erwachte mit Freuden. Einen Tag oder zwei war er in der Gegenwart des Zauberers ein wenig scheu gewesen, aber Radagast war derselbe, der er immer gewesen war; es gab keine weiteren Hinweise auf irgendetwas jenseits der Wirklichkeit, und bald schlug sich Frodo das, was er gesehen hatte, aus dem Kopf.

Er verliebte sich fast sofort in das verwinkelte, alte Haus; Fröhlichkeit schien in seinen Mauern zu wohnen. Das grüne Licht, das durch die Bäume schien, beruhigte ihn, und die Buchreihen zogen ihn unwiderstehlich an. Und immer waren da im Hintergrund Vögel, die an den Fenstern vorüberflitzten und in den Bäumen jubilierten. Eine gewisse Enge in ihm begann sich zu lockern.

„Ich habe mich um einige Dinge zu kümmern, bevor wir von hier aufbrechen,“ sagte Radagast ihm kurz, nachdem sie angekommen waren. „Ich fürchte, ich werde beschäftigt sein. Kannst du dich selbst unterhalten? Es gibt hier nichts, mit dem du nicht umgehen dürftest, als wäre es dein eigen, und kein Geschöpf, das dir ein Leid zufügt. Sei nicht besorgt, wenn ich ab und zu für ein paar Tage weg bin.“

Frodo saß rauchend in einem tiefen, gepolsterten Sessel, der aus gebogenen Zweigen gemacht war; er ließ seine Augen an beiden Seiten des Kamins entlang gleiten. „Ich werde damit zufrieden sein, deine Bibliothek zu erforschen, Radagast,“ sagte er mit einem Grinsen. „Das ist das Einzige, was ich in diesem letzten Jahr vermisst habe: ein Buch in meinen Händen.“

Er verbrachte einen stillen Sommer, denn der Zauberer war häufiger abwesend als er zuhause war. Frodo saß bis spätabends da und las, und er schlief, bis die Sonne hoch am Himmel stand. Er räuberte die Speisekammer, wenn er Hunger bekam und erkundete die Umgebung (allerdings nicht bis den Düsterwald hinein), wenn er das Lesen müde wurde.

Die Bücher umspannten jedes Thema, das sich denken ließ, von der Dichtkunst zur Heilkunde, in einer Myriade von Sprachen. Er fand sogar ein kleines Bändchen, das in der Schwarzen Sprache von Mordor geschrieben zu sein schien; er konnte es nicht lesen, aber als er die Elbenbuchstaben laut vor sich hinsagte, war das Ergebnis der Inschrift auf dem Ring entsetzlich ähnlich. Er rang nach Luft und stellte das Buch an seinen Platz zurück, dann ging er sich die Hände waschen. Narr, schalt er sich, was immer da auch geschrieben steht, es kann nicht durch deine Haut dringen! Und doch grub er die Finger in das Tontöpfchen mit weicher Seife und schrubbte seine Hände, bis sie wund waren.

Radagast kam einen Tag später zurück, und Frodo fragte ihn zaudernd nach dem Buch. „Zeig es mir,“ sagte er, und Frodo holte es herunter, wobei er es nur mit den Fingerspitzen berührte. Aber der Zauberer nahm es in beide Hände, als würde er es liebkosen, und sein Gesicht war traurig.

„Es macht dir Sorge, weil es in der Schwarzen Sprache geschrieben ist,“ sagte er, und Frodo nickte. Radagast schlug es auf und las einen Absatz laut; der Klang war rau und voller Kummer.

„Tief, tief liege ich, und Schmerz ist mein einz’ger Freund, durch den ich weiß, dass ich lebe. Und nur Finsternis bedeckt mich, barmherzige Finsternis, dass ich nicht sehen möge, was ich geworden bin. Und ein matter Stern erinnert mich daran, was ich war.“ übersetzte der Zauberer leise. „Es ist ein Klagelied, vor langer Zeit von einem der Erstgeborenen geschrieben, der von Morgoth gefangen genommen wurde. Die Schwarze Sprache war die einzige Zunge, die ihm geblieben war, aber er wollte nicht schweigen. Nun ist er zu den Hallen von Mandos gegangen, und er hat seine Leiden hinter sich gelassen.“

Frodo schaute ihn erstaunt an. „Wie bist du dazu gekommen, Radagast?“

„Er war ein Freund,“ sagte der Zauberer. Er stellte das Buch auf das Regal zurück und wollte nicht mehr darüber sagen. „Hab keine Angst vor irgendetwas, was sich in diesem Haus befindet, Esel,“ sagte er wieder. „Hier gibt es nichts, das dir schaden könnte.“

Als die Zeit kam, dass der Sommer zu Ende ging, hatte Frodo das Gefühl, als hätten seine Füße tiefe Wurzeln in den Rhosgobel geschlagen. Er überraschte ihn nicht länger, dass Radagast Jahr für Jahr hier geblieben war, während die Jahrhunderte vorüber glitten; das Wunder war, dass der Zauberer diesen Ort überhaupt je verlassen hatte! Ich würde mit Freuden hierbleiben, dachte er, bis ans Ende meiner Tage. Bald danach kehrte Radagast erneut zurück.

„Ich habe morgen einen Gang zu erledigen, den Fluss aufwärts, und ich nehme mein Boot,“ sagte er. „Würdest du gern mitkommen?“

Das Boot stellte sich als ein langes, schmales Gefährt heraus, kaum breit genug für eine einzelne Person, aber lang genug, dass Frodo sich der Länge nach darin ausstrecken konnte; er ließ die Hände seitlich ins Wasser hängen und betrachtete die wechselnden Formen der Wolken, während Radagast paddelte.

„Wie würde es dir gefallen, den Winter dieses Jahr im Nordland zu verbringen?“ fragte Radagast.

Frodo setzte sich überrascht auf. „Hier im Rhosgobel?“ Seine Stimme verriet sein Entzücken, und der Zauberer lächelte.

„Ich bin eine lange Zeit von Zuhause fort gewesen, und mein Werk in Mordor wird mich jahrelang von hier fernhalten. Ich wäre froh, eine Weile zu bleiben, wenn du gegen diese Idee keine Einwände hast.“

Frodo lachte. „Keinen Einwand, nicht um alles in der Welt!“


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