Unterwegs mit dem anderen Zauberer - Eine Reise zur Heilung
(Following the other Wizard - A Journey into Healing)
von jodancingtree, übersetzt von Cúthalion



Kapitel 13
Der Tod auf den Fersen

Rhosgobel im Winter war pures Weiß und Gold. Der Schnee türmte sich an den Mauern auf, bis das Haus aussah wie eine riesige Schneewehe rings um den Baum, von den Fenstern abgesehen: die Fenster hielten sie freigeschaufelt, und die Sonne schien durch die nackten Zweige hinunter und erfüllte das Haus mit klarem Licht. Die kleinen Durchblicke aus farbigem Glas glühten wie feurige Juwelen und warfen Regenbögen in die Zimmer; Feuer loderte im Herd und sie lasen einander elbische Poesie vor, bis ihnen davon die Ohren klangen. Wenn sie dessen müde wurden, dann erzählte Frodo Radagast Geschichten aus dem Auenland, all die kleinen und komischen Geschehnisse der vier Viertel, und Radagast holte eine hohe Harfe aus einer Ecke und spielte darauf, bis zur Schlafenszeit; Frodo dachte im Stillen, dass dies das Beste von allem war.

Allzu bald war es Frühling; der Schnee schmolz und kleine Blumen blühten in dem Wäldchen. Eines Tages seufzte Radagast und sagte: „Es ist Zeit zu gehen, Esel. Es gibt Arbeit für mich zu tun, da draußen.“

Frodo war damit beschäftigt, eine alte Karte auf ein Stück Pergament zu übertragen; im Rhosgobel gab es Hunderte von Karten, und er mochte sie mittlerweile ebenso gern wie Bilbo selbst es tat. Endlich hatte er sich entschlossen, eine für sich zu machen und all die Orte zu markieren, an denen er gewesen war. Er schaute auf, die Feder in der Hand. „Wo gehst du dieses Jahr hin?“

Radagast stand auf, um seine Pfeife vom Kaminsims zu holen; er setzte sich, füllte und stopfte sie, die Augen auf das Feuer gerichtet. Endlich nahm er mit einer Zange ein Stück Kohle aus dem Kamin und zündete die Pfeife an. Erst dann wandte er den Blick Frodo zu.

„Du darfst hierbleiben, Esel, wenn das dein Wunsch ist. Tatsächlich ist das der Grund, weswegen ich dich zum Rhosgobel gebracht habe… um dir ein Heim zu geben, wenn du mich nicht weiter begleiten möchtest. Ich gehe nach Mordor.“

Die Feder glitt Frodo aus der Hand; ein Tintenklecks tropfte auf seine sorgsam gemalten Buchstaben und verdarb sein Werk. „Jetzt? In diesem Frühling?“ flüsterte er.

„Ich hatte gehofft, länger zu warten, noch ein Jahr oder zwei. Aber Mordor wächst in meinem Geist; ich werde dort gebraucht, und ich darf nicht länger zögern.“ Er lächelte auf den Hobbit hinunter, das Gesicht sanft. „Du bist beinahe geheilt, Frodo. Du kannst deine Erholung hier in diesem Haus zu Ende bringen, ganz allein, und dann gehen, wohin es dein Herz verlangt. Oder du magst bleiben und das hier zu deinem Zuhause machen; du hast genug gelernt, um die Wunden der wilden Geschöpfe zu behandeln, wenn sie hierher kommen und nach Hilfe suchen. Wärst du gern der neue Vogelzähmer vom Rhosgobel?“

„Ich---“ Frodo starrte Radagast über den Tisch hinweg an. „Ich wäre lieber des Zauberers Esel,“ sagte er endlich. „Wie lange noch, ehe ich mich entscheiden muss?“

„Hmmm.“ überlegte Radagast. „Der Frühling ist da, und ich werde kein Pferd nach Mordor mitnehmen. Ich werde mein Boot nehmen, so weit wie möglich den Anduin hinunter, aber viel von der Reise wird zu Fuß stattfinden.“ Er rauchte gedankenvoll. „Ich kann dir eine Woche geben, um darüber nachzudenken, Esel. Dann muss ich gehen.“

Sie sprachen nicht weiter, und Frodo kehrte zu seiner Karte zurück; aber er hatte das Interesse daran verloren. Er rollte sie auf und ging nach draußen. Ein Eichhörnchen, das er gezähmt hatte, keckerte von einem hohen Zweig herunter, und er hielt ihm eine Nuss entgegen; er hatte sich angewöhnt, immer ein paar Leckereien für die „Nachbarn“ in der Tasche zu haben. Das Eichhörnchen sauste den Baumstamm hinunter und rannte sein Bein hinauf; es saß auf seiner Schulter, während es die Nuss fraß, und sein buschiger Schwanz kitzelte ihn am Ohr.

Ich könnte es tun, grübelte Frodo. Ich könnte der neue Vogelzähmer sein; ich könnte hier den ganzen Rest meines Lebens bleiben und glücklich sein.--- Glücklich? sagte ein anderer Teil seines Geistes, und er antwortete mit Festigkeit: Ja, ich bin glücklich. Ich muss nicht nach Mordor gehen.

Aber dann würde Radagast alleine gehen. Konnte selbst der Zauberer nach Mordor gehen wollen? Was, wenn er allein gehen musste? Er schauderte. Ich wäre gestorben, ohne Sam, aber selbst wenn ich nicht---

Allein in Mordor zu sein – das war etwas, worüber er nicht einmal nachzudenken wagte.

In Wahrheit war seine Entscheidung in diesem Moment getroffen, aber er wartete eine volle Woche ab, um sicher zu sein. Nachts lag er im Bett und ließ mit voller Absicht Szenen aus Mordor an seinem inneren Auge vorüberziehen; er war vor dem Gedanken an dieses verfluchte Land zurückgescheut, seit er in Ithilien aufgewacht und herausgefunden hatte, dass er unglaublicherweise noch lebte. Jetzt lud er die Erinnerungen zu sich ein. Kannst du Mordor noch einmal ertragen, Frodo Beutlin? Selbst mit Radagast als Gefährten, kannst du es ertragen, dorthin zurückzugehen? Aber wenn du es nicht kannst, dann wird Radagast allein gehen.

Am Ende der Woche kam Frodo zum Frühstück und trug sein Reisebündel. Er füllte einen Lederbeutel mit Pfeifenkraut aus dem Topf auf dem Kaminsims, wickelte seine Pfeife ein, stopfte beides, Beutel und Pfeife, oben auf sein Bündel und schnürte es zu.

„Bereit zum Aufbruch.“ sagte er.

Radagast legte die Gabel hin, die er benutzte, um Würstchen in der Pfanne zu wenden; er kam zu ihm, beugte sich hinunter, hielt ihn an den Schultern und schaute ihm in die Augen. „Bist du sicher, Esel? Du musst das nicht tun; ich brauche keinen Schutz, weißt du?“ Er lächelte, aber seine Augen waren verdächtig hell.

„Du magst keinen Schutz brauchen, aber du brauchst einen Gefährten. Niemand sollte allein nach Mordor gehen, Radagast, nicht einmal du!“

„Ich wäre sehr froh, wenn ich nicht allein gehen müsste, und einen besseren Gefährten könnte ich mir nicht wünschen.“ Der Zauberer lächelte auf ihn hinunter, aber seine Augen waren besorgt. „Allerdings muss ich auf dem Weg einmal Halt machen; du solltest besser hören, wo, bevor du dich verpflichtest, Esel.“

„Ich habe schon--“ begann Frodo, aber Radagast hielt eine Hand hoch, und er schwieg.

„Vielleicht stellst du dir vor, dass ich in Gondor eine Pause einlege und mit dem König spreche, bevor ich nach Mordor gehe. Es wäre höflich, das zu tun, und es wäre hart für dich, aber du würdest es aushalten. Vielleicht würde es dir sogar gut tun.“ Er hielt inne und schwieg so lange, dass Frodo sich wunderte.

Endlich seufzte er. „Nein, Esel, nicht nach Gondor. Mit Elessar und seinem Königreich habe ich nichts zu tun – er hat sich lange darauf vorbereitet, zu herrschen, und er braucht keine Hilfe von mir. Meine Aufgabe ist es, alle Heilung die ich kann, dem Land zu bringen, und auch einem gewissen Hobbit… und einem braunen Wanderer, der selbst seinen Geistern entgegentreten muss, um heil zu sein.“

„Einen braunen Wanderer,“ wiederholte Frodo. „Du? Du bist doch schon heil, mehr als irgendjemand, den ich je gekannt habe!“

„Und doch bin ich kopflos und voller Angst davongerannt, als die Neun Minas Morgul verließen, um nach dem Ring zu suchen. Du hast ihnen widerstanden, obwohl du verwundet warst, und eine Jungfer und ein anderer Halbling warfen den König von Angmar nieder. Ich habe angesichts meiner Berufung versagt, Esel, mehr, als du es jemals getan hast.“

Frodo hatte keine Antwort darauf, außer die Hand auszustrecken und die Hand von Radagast einen Moment festzuhalten. Er begriff zu wenig von des Zauberers „Berufung“, um zu sagen: Nein, du hast nicht versagt.

„Also, wo gehst du hin?“ fragte er.

„Meiner Furcht endlich ins Gesicht sehen. Gehst du mit mir nach Minas Morgul? Die Geister sind jetzt fort, aber ich kann mir keinen anderen Weg denken, mit ihnen umzugehen.“

Frodo spürte eine Gänsehaut auf seinen Armen, aber seine Stimme war gleichmäßig. „Wohin auch immer, ich gehe mit dir, Radagast. Du hast mir mein Leben zurückgegeben.“

„Nun ja, das hast du mir zurückgezahlt; du hast mir meinen Mut wiedergeschenkt.“ Er legte seine Hände auf Frodos Kopf, und seine Berührung war ein Segen. „Was immer ich auch für dich getan habe, Esel, du hast genauso viel für mich getan. Wenn du sicher bist, dass du jetzt mit mir kommen willst, dann werde ich froh und geehrt sein, dich zur Gesellschaft zu haben.“

Noch am selben Tag brachen sie auf. Radagast war so in Eile, wie Frodo es noch nie bei ihm gesehen hatte; auf dieser Reise gab es kein zwangloses Dahintreiben. Mordor war das Ziel, über Minas Morgul, und sie würden es so rasch erreichen, wie es möglich war.

Sie konnten das Boot nicht so weit den Fluss hinunter nehmen, wie Radagast gehofft hatte. Der Anduin war von der Schneeschmelze aus den Bergen angeschwollen, eine trübe, rauschende Flut, und ihr schmales Boot ritt darauf wie ein ins Wasser geworfener Stock. Frodo schwankte zwischen Entsetzen und Heiterkeit, während sie sich stromabwärts hielten und der Nachen sich wie ein Kreisel drehte, wenn Radagast mit seinem Paddel nicht schnell genug war. Der wilde Ritt kam plötzlich zum Stehen, als sie um eine Biegung herum auf eine Blockade getrieben wurde, die die gesamte Flussbreite überspannte; sie krachten in das Durcheinander aus umgestürzten Bäumen und Zweigen hinein, ehe es dem Zauberer gelang, ans Ufer umzuschwenken.

Radagast wurde ins Wasser geschleudert und das Paddel flog ihm aus den Händen. Frodo hatte sich an das Dollbord geklammert und der Aufprall warf ihn auf den Rücken; sein Kopf knallte schmerzhaft auf den Bootsboden. Er richtete sich sofort wieder auf und rief den Namen des Zauberers, aber Radagast kletterte bereits auf die Holzstämme, durchweicht, aber scheinbar unverletzt.

„Zeit zum Laufen,“ sagte er. „Reich mir meinen Sack, Esel, und dein Bündel; wir lassen das Boot da, wo es ist.“ Sie suchten sich einen unsicheren Weg über die Blockade hinweg ans nächste Ufer, hielten sich dabei mit beiden Händen fest und setzten jeden Fußtritt mit Sorgfalt. Als sie festen Boden erreicht hatten, begann Frodo sofort damit, Holz für ein Feuer zu sammeln. Radagast betrachtete ihn amüsiert.

„Ist denn alles, was geschieht, für einen Hobbit Anlass genug für eine Mahlzeit, sogar ein Plumps in den Fluss?“ fragte er.

Frodo verdrehte die Augen. „Nur, wenn einer von beiden durchweicht ist und zittert, Radagast! Dann scheint mir eine heiße Mahlzeit eine vernünftige Idee für jedermann zu sein, Hobbit oder nicht. Erschüttert denn nichts, was geschieht, je deine Fassung?“

Der Zauberer lachte schallend. „Du bist wahrhaftig zu einem Heiler geworden, wenn du mich zu deinem Patienten nimmst! Sehr schön, Meister Arzt, ich suche mir trockene Kleidung, während du dieses Feuer in Gang bringst.“

Sie waren am westlichen Ufer des Anduin gelandet, nicht dort, wo Radagast hinwollte, aber der Fluss war zu wild, um hinüberzukommen, selbst ohne den Verlust des Bootes.

„Macht nichts – sobald wir weit genug nach Süden kommen, sollte das Wasser ruhiger sein,“ sagte er. Sie aßen und ruhten sich eine Weile aus; dann gingen sie zu Fuß weiter. Ein paar Tage später kamen sie unter den Bäumen hinaus auf wogendes Grasland; die frischen Halme suchten sich bereits ihren Weg durch die trockenen Stängel des letzten Jahres.

Der Frühlingshimmel war hoch und von blassem Blau; hie und da brach ein aufgeschreckter Vogel ein Stück weiter vor ihnen aus dem Grün hervor und beschwerte sich kreischend, während er davonflog. Radagast pflegte ihm nachzupfeifen, und Frodo lachte, wenn er sah, wie der Vogel mitten in der Luft umschwenkte und den Kurs änderte, um sie in weitem Bogen zu umfliegen. Manchmal landete er tatsächlich auf dem ausgestreckten Arm des Zauberers, ehe er in sein verborgenes Nest irgendwo im Gras zurückkehrte.

Sie wanderten viele Tage, und die Landschaft veränderte sich kaum. Die Luft schien klar genug zu sein, um sie zu trinken, berauschend wie edler Wein, und weit entfernt im Westen konnten sie eine verschwommene Bergkette sehen. Frodo fühlte sich so stark und so wohl wie seit Jahren nicht mehr… und dann war es vorbei, ganz plötzlich, so, als fiele er von einer Klippe.

Es war ein strahlender Nachmittag, ungewöhnlich warm für die Jahreszeit, und der Sonnenschein strömte herab wie dünnflüssiger Honig. Frodo hatte sein Hemd ausgezogen, damit die Wärme über seine Haut streichen konnte; es fühlte sich himmlisch an, als würde er im Licht baden. Das Gras reichte ihm bis fast zu den Oberschenkeln; es schwankte und neigte sich in der sanften Brise.

Er war glücklich. Über seinem Kopf ertönte ein Schrei, und als er aufblickte, sah er einen riesigen Adler, der vor dem Blau dahinsegelte wie der verkörperte Geist von Leben und Freiheit. Er war so schön, dass ihm die Tränen in die Augen stiegen, und er machte einen unbeholfenen, kleinen Tanzschritt, ein wenig behindert durch das hohe Gras. Er trat auf irgendetwas, etwas, das sich unter seinem Fuß wand, und es biss ihn.

Es war wie Feuer, das durch seinen Fuß brannte, kaltes Feuer, das durch seine Adern schoss und sich einen Weg zu seinem Herzen hin fraß. Letztes Mal war es mein Nacken, dachte er, während er stürzte. Er kannte das Gefühl von Gift, das durch seinen Kreislauf flutete.

Radagasts Gesicht war über ihm, und er klammerte sich wie ein Ertrinkender an den Frieden in den Augen des Zauberers. Selbst jetzt noch - Frieden. „Du hast gesagt, irgendwann würde ich den Tod endlich einholen,“ flüsterte er.

„Wünscht du dir das immer noch, Frodo?“ Die Stimme des Zauberers war sanft.

Frodo schüttelte leicht den Kopf; sein Körper gehorchte nur schleppend seinem Willen, Seine Augen hielten sich an Radagasts Gesicht fest, dem einzigen festen Punkt in einer Welt, die schwindelerregend schlingerte und sch um ihn drehte.

„Dann lass uns den Tod wegschicken, damit er woanders sein Werk tun kann, jedenfalls für heute.“ Der Zauberer sprach mit Autorität, und er bückte sich und hob ihn mit einer einzigen, fließenden Bewegung hoch. Frodo verlor seinen festen Punkt und fiel in die Finsternis.

Als er die Augen wieder öffnete, konnte er nichts sehen, und er dachte, er wäre erblindet. Da war irgendetwas über seinem Gesicht, und er langte nach oben und zog daran. Es kam in seiner Hand herunter – nur ein Schal, mit dem man ihm die Augen verbunden hatte.

„Radagast? Was soll die Binde?“ Er musste sich anstrengen, damit seine Stimme laut genug war, dass man sie hören konnte; es war scheinbar keine Kraft dahinter. Aber der Zauberer hörte ihn und kam sofort zu ihm herüber. Er berührte seine und strich an beiden Seiten seines Halses hinunter.

„Wie fühlst du dich, Esel? Die Binde war dazu da, dass du weiterschläfst, während ich dich behandelt habe. Kannst du dich aufsetzen?“

Er konnte es, mit Hilfe und Stütze. Irgendwo zwischen beidem brachten sie es zustande, dass er an einem Felsbrocken lehnte, eine Decke hinter ihm als Polster gefaltet und eine andere wärmend um sich gewickelt. Radagast brachte einen Becher mit einer warmen, würzigen Brühe und verfütterte sie an ihn, einen Mundvoll nach dem anderen.

Wieder schlief er, und als er aufwachte, war es Morgen. Er roch etwas, das kochte, und sein Inneres zog sich vor Hunger zusammen. Vorsichtig versuchte er, seine Glieder zu bewegen, und er stellte fest, dass er zwar auf die Knie kam, aber kein Gewicht auf den verletzten Fuß legen konnte.

„Warte einen Moment, Junge, dann helfe ich dir.“ Der Zauberer brachte ihn auf die Beine, bugsierte ihn ans Feuer und drückte ihm eine Schüssel mit Essen in die Hände. Er machte kurzen Prozess damit und blickte mit einem Lächeln auf.

„Mehr, bitte?“ sagte er.

Radagast gluckste, während er die Schüssel nachfüllte. „Wenn du deinen Appetit verlierst, dann weiß ich, dass du nicht mehr geheilt werden kannst.“ sagte er. „Was macht der Fuß, Esel?“

„Wund. Tut weh.“

„Wir bleiben ein paar Tage hier, bis es dir besser geht.“

„Radagast?“ Frodo zögerte. Er fürchtete, dass die Frage ihm einen Rüffel eintragen würde, aber er musste es wissen. „Hast du – die Schlange getötet?“

Der Zauberer warf ihm einen langen Blick zu. „Wieso sollte ich sie töten?“ fragte er.

„Weil sie – sie – sie hat mich gebissen. Sie hätte mich fast umgebracht.“

„Du bist in ihr Haus gekommen, hast nicht darauf geachtet, wo du hintrittst und einen Tanz auf ihrem Rücken aufgeführt. Hättest du unter diesen Umständen denn nicht zugebissen?“

Frodo senkte den Kopf; seine Hand knetete eine Stelle in seinem Nacken, die in schmerzhafter Erinnerung pochte. Radagast kam herüber und setzte sich zu ihm. Er schob seine Hand beiseite und massierte die alte Wunde mit sanfter Festigkeit.

„Dies war kein Monstrum von bösem Willen wie Kankra, Esel – nur ein wildes Ding, das sich bedroht gefühlt hat. Schau beim nächsten Mal, wo du hingehst.“

„Dann ist mein Leben also nicht mehr wert als das einer Schlange?“ Nicht für einen Zauberer, dachte er. Ein Hobbit ist einfach noch ein Stück Leben in der Wildnis, um das er sich kümmert, bis es endlich stirbt.

„Ach nein, Frodo.“ Radagasts Hände drehten sachte Frodos Kopf, bis er dem Zauberer tief in die Augen starrte. „Dein Leben ist von großem Wert, obwohl du das vor einer Weile selbst nicht gedacht hast. Du bist von großem Wert, für mich und alle, die dich lieben.

„Gestern hast du den Tod tatsächlich eingeholt, und du hättest mit ihm gehen können. Ich bin froh, dass du nicht gehen wolltest! Ich hätte über deinen Verlust getrauert, Esel, vielleicht genauso sehr wie dein kleiner Gärtner daheim im Auenland.“

Er zog den Hobbit an sich, und Frodo schmiegte sich an ihn, legte die Arme um den Zauberer und rieb seine Wange an der weichen, braunen Robe. Er begriff, dass ihm Radagast sehr teuer geworden war, so sehr wie vor Jahren Gandalf. Es war gut, jemanden zu lieben, und geliebt zu werden.


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