Unterwegs mit dem anderen Zauberer - Eine Reise zur Heilung
(Following the other Wizard - A Journey into Healing)
von jodancingtree, übersetzt von Cúthalion



Kapitel 18
Stürme

Es war noch immer heiß, aber nicht unerträglich, und sie kehrten an ihre Arbeit zurück; sie reinigten blockierte Wasserläufe und pflanzten Goldbeeres Samen in jede feuchte Senke, die sie finden konnten. Und dann kam der Regen. 

Früh in der Morgendämmerung wurden sie von Donner aus dem Schlaf geschreckt, und Lash sprang mit einem Schrei auf. „Rasch! Solchen Donner habe ich nicht mehr gehört seit der Zeit vor dem Krieg des Dunklen Herrschers – wenn es jetzt so regnet, wie es das damals getan hat, wird es bis zum nächsten Mond nicht mehr trocken! Wir müssen einen Unterschlupf finden.“

Sie sammelten ihre wenigen Besitztümer ein und beeilten sich. Eine Meile, bevor sie für die Nacht angehalten hatte, waren sie an einer der zerstörten Festungen vorbei gekommen, und dahin machten sie sich jetzt auf den Weg; der Donner rumpelte auf allen Seiten wie Felsbrocken, die gegeneinander rollten. Der Himmel öffnete seine Schleusen, bevor sie das Tor erreichten, und ließ eine Flut von kaltem Wasser auf ihre Köpfe niederströmen. Sie rannten hinein und stießen in ihrer Hast zusammen, lachend und durchweicht.

Lachend, sogar die Orks. Frodo erinnerte sich an Orkgelächter, als er Gefangener in der Turmkammer gewesen war; damals war es schreckenerregend gewesen und grausam – das unheilige Vergnügen von bewaffneten Kriegern, die etwas Kleines und Nacktes quälten. Aber dies hier war nur die Freude, am Leben zu sein, dem Sturm davonzulaufen und endlich vom Regen erwischt zu werden, klatschnass, aber unversehrt. Er blickte von einem zum anderen, und dachte, dass sie eigentlich gar nicht so hässlich waren – oder vielleicht gewöhnte er sich einfach an sie. Dann begegnete er Yargas Blick, und das Lachen des Orks brach abrupt ab; seine Augen waren so kalt wie Stein.

Die Festung hatte immer noch einen Raum mit nicht eingebrochenem Dach, und dort nahmen sie Zuflucht. Sie fanden einen Vorrat von Holzscheiten neben dem, was der Wachraum gewesen war, und sie machten ein Feuer an und drängten sich rings herum zusammen, um wieder trocken zu werden, zitternd, aber noch immer gut aufgelegt.

„Ich dachte, in Mordor regnet es nie,“ sagte Frodo und versuchte, das Wasser aus seinem Mantel zu wringen.

„Stürme im Herbst,“ sagte Lash. „Oder jedenfalls gab es sie vor dem Krieg. Den Mond der Stürme nannten wir ihn. Ein wenig Regen im Winter, aber nicht den Wind und den Donner. Den Rest des Jahres ist es trocken.“

Radagast hatte den Wasserkessel zum Vollaufen nach draußen in den Regen gestellt, und jetzt hing er zm Erhitzen über dem Feuer. „Du kennst dich aus mit dem Wetter, Lash.“

„Ein Jäger muss das Wetter kennen. Die Tiere kennen es.“

„Du warst ein Jäger? Vor dem Krieg?“

Lash schnaubte. "Davor und währenddessen – Orks lieben Fleisch! Jäger und Spurenleser, aber es gab wenig zu jagen, auf das Ende zu.“

„Und Canohando war Bote.“ Radagast sprach achtlos, zog Becher aus seinem Sack und machte Tee. „Was warst du, Yarga?“

Yarga zeigte ein entsetzliches Lächeln und schaute Frodo an. „Folterknecht, in Lûgbûrz. Wenn dein Sklave dich nicht gerettet hätte, Ringträger, dann wärst du zu mir gekommen.“

Frodos Geist schwankte, und er rang darum, dass es sich nicht auf seinem Gesicht zeigte. Dann war Radagast neben ihm, packte ihn an der Schulter und drückte ihm einen Becher dampfenden Tee in die Hand, und er beruhigte sich.

„Wie kam es, dass du am Ende mit Lash in dem Außenposten gewesen bist?“ fragte Radagast, seine Stimme so gelassen wie immer.

„Weg gerannt bin ich.“ Der Ork knurrte sie alle an, auch die anderen Orks. „Ich tötete einen Gefangenen, bevor er redete – ich rannte weg, um mein Leben zu retten.“

„Du hast ihn getötet – wieso? Aus Versehen?“

Yarga bleckte die Zähne. „Er schrie zu laut. Es hat mir in den Ohren wehgetan, und ich habe ihm die Kehle durchgeschnitten.“ Er begegnete Frodos Augen; sein Blick war voller Bosheit. „Vielleicht hätte ich deine Kehle auch durchgeschnitten, Ringträger. Dann hätte der Ring nie den Berg erreicht.“

Lash beugte sich vor zum Feuer und füllte seinen Becher nach. „Und dann würde es nicht regnen. Mir ist der Regen lieber.“

Yarga wandte sich ihm zu, Wut im Gesicht, und Canohando warf sich zwischen sie. Er sagte nichts, während er vom einen zum anderen schaute, und nach einem langen Moment senkte Yarga den Blick. Er ließ zu, dass Radagast ihm seinen Teebecher reichte, setzte sich hin und schlürfte mürrisch sein Getränk. Der Zauberer rief Frodo mit einer Kopfbewegung zu sich und reichte ihm Pfannen, Fleisch und gedörrtes Getreide. Frodo konzentrierte sich ganz auf das Kochen und versuchte nicht über die Blutgier nachzudenken, die er in Yargas Augen gesehen hatte.

*****

Der Sturm dauerte den ganzen Tag an. Als die Nacht sich herabsenkte, erstarb der Wind,  und das einzige Geräusch war der Regen, der laut auf das Pflaster des Vorhofes draußen heruntertrommelte. Frodo stand im offenen Durchgang und sah zu, wie das Licht verging; Wassertropfen platschten von den Steinen auf seine bloßen Füße.

Er war aus eigenem Willen hierher gekommen. Natürlich hatte er nicht damit gerechnet, seiner Vergangenheit auf so drastische Weise zu begegnen… oder was ohne Sam seine Vergangenheit gewesen wäre. Wie ironisch, dass bei einer halben Million Orks in Mordor einer der drei, die übrigblieben, Yarga sein sollte, der sein Folterknecht gewesen wäre! Wahrscheinlich sogar sein Henker. Yargo mochte noch immer zu seinem Henker werden. 

Faramir hatte ihn gewarnt.

Radagast saß am Feuer und schnitzte an einem Holzstock herum. „Komm her, Esel. Lass uns unsere Gastgeber zu einem Züge-Spiel herausfordern.“

Canohando grunzte belustigt. „Wann sind wir zu euren Gastgebern geworden, alter Mann?“

„Als wir Mordor betreten haben, nehme ich an.“ sagte Radagast. Er hatte eine Sammlung hölzerner Scheiben von dem Stock abgeschnitten, mit dem er herumgespielt hatte, und jetzt nahm er die Hälfte davon, legte sie in die Kochpfanne und stellte sie auf das Feuer. „Schließlich ist das euer Land. Ich muss zugeben, dass ich nicht so darüber dachte – es war Saurons Reich und ich hatte vergessen, dass es im Land noch andere Einwohner gab, mit einem besseren Anspruch. Lash hat mich daran erinnert.

Lash blickte auf, als er seinen Namen hörte. Er saß im Schneidersitz an die Wand gelehnt; der Kopf war ihm auf die Brust gesunken, als ob er döste.

„Schon gut, Lash. Schlaf ruhig weiter,“ sagte Canohando, und der kleine Ork machte die Augen wieder zu. „Erklär mr das, alter Mann.“

Radagast drehte die Holzstückchen in der Pfanne um; er ließ sie dunkel werden, aber nicht an dem Metall festbacken. „Lash kennt Mordor. Er kennt das Land und das Wetter. Die Geschöpfe, die hier leben sollten – er freut sich, den Regen zu sehen. Er wird auch froh sein, die Tiere zurückkehren zu sehen, wenn sie es denn tun.“

„Er wird sich freuen,“ sagte Canohando zustimmend. „Und dann wird er sie töten.“

Radagast lachte. „Er wird genügend töten, um satt zu werden, ganz sicher. Aber er wird genug von ihnen am Leben lassen, damit er auch nächstes Jahr noch essen kann, und das Jahr danach.“ Er zog die Pfanne vom Feuer und ließe seine Holzscheiben herauspurzeln. Sie waren viele Schattierungen dunkler als die, die nicht erhitzt worden waren. 

„Mach uns ein Spielfeld, Esel, hier auf dem Boden. Kennst du dieses Spiel, Canohando?“

Frodo hatte einen halb verbrannten Stecken aus dem Feuer und markierte ein Spielfeld auf den Boden. Züge, nannte Radagast es. Im Auenland nennen wir es Könige – ich denke nicht, dass ich Canohando zu einem Königsspiel einladen würde. Er schwärzte jedes zweite Quadrat und setzt sich auf die Fersen zurück, als der Ork kam, um sein Werk zu begutachten.

„Züge, hm? Oh ja, ich kenne dieses Spiel. Wir nennen es Orks und Tarks!“*

„Sehr schön, komm und spiel mit. Du und Frodo gegen Yarga und mich, nachdem Lash schläft.“

Angesichts der Mannschaftsaufteilung warf ihm Canohando einen scharfen Blick zu, aber er erhob keinen Widerspruch und sagte in seiner eigenen Sprache etwas zu Yarga, der in einer Ecke saß und einen Pfeil fiederte. Die vier ließen sich einander gegenüber vor Frodos Spielfeld nieder, und Canohando sammelte die geschwärzten Holzstücke ein.

„Jetzt bist du ein Ork, Kümmerling,“ sagte er. Er blickte unter seinen Augenbrauen zu Yarga hinüber. „Und du bist ein Tark.“ Er grinste den anderen Ork an, und Yarga grollte tief in der Kehle.

„Wir sind weiß, und ihr seid schwarz,“ sagte Radagast ruhig. „Du kannst aus Yarga keinen Tark machen, nicht einmal aus mir.“

„Und ich kann dich nicht weiß machen, alter Mann – deine Haut ist sogar noch dunkler als meine! Dann nennen wir es doch schwarz und weiß – Yarga ist kein Tark, nicht einmal im Scherz.“ Ein Blick ging zwischen den Orks hin und her, als würde Canohando Abbitte tun, und Yarga öffnete seine Fäuste und schaute auf das Spielfeld hinunter. 

Sie spielten, bis das Feuer hinunterbrannte. Nach der ersten Runde wollte Yarga die Mannschaften neu einteilen, aber Radagast wollte das nicht zulassen. „Ich brauche dich, damit du mir hilfst,“ sagte er. „In eueren freien Stunden während des Krieges müsst ihr viele Runden davon gespielt haben; ihr seid viel geschickter als Esel und ich. Es wird überhaupt kein Spiel geben, wenn ihr beide auf der selben Seite seid.“

„Aber das sind wir, alter Mann,“ sagte Canohando leise, und er sprach nicht über das Spiel. „Täusch dich nicht. Yarga und ich, wir sind auf derselben Seite."


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