Unterwegs mit dem anderen Zauberer - Eine Reise zur Heilung
(Following the other Wizard - A Journey into Healing)
von jodancingtree, übersetzt von Cúthalion



Kapitel 30
Das Geschenk

Er folgte den Orks zum Frühstück auf ihre Seite des Hauses hinüber, und Lokka kam ihm mit einem beschämten Lächeln entgegen. Vielleicht war es so, wie Radagast meinte… dass ihre Abscheu gegen ihn von der Furcht vor der Bärenjagd hergerührt hatte.

„Dann bringst du also immerhin Glück, Neunfinger,“ sagte sie und stellte gebratenes Fleisch und frisches Brot vor ihn hin. „Und ich habe einen neuen Sohn.“ Sie zog ein Gesicht und rümpfte die Nase, und Frodo grinste.

„Ist er nach deinem Geschmack, Herrin?“ fragte er.

„Also, wenn Lash sich über seinen Tiersohn freut, und Yargark tut es auch, dann bin ich zufrieden. Das ist ein merkwürdiger Haushalt, aber ich bin glücklich darin.“ Sie wurde rot. „Ich dachte, ihr würdet in euren Tod rennen, ihr alle drei. Vergib mir meine Unfreundlichkeit dir gegenüber, wenn du kannst.“

„Schon vergessen,“ sagte Frodo. „Ist Yargark seinem neuen Bruder schon begegnet?“

„Yargark wachte auf, als ich gerade eine Höhle für Tor-mrog gebaut habe,“ sagte Lasu von seinem Tischende. „Er hat mir geholfen, sie mit Holz zuzudecken und ein altes Bärenfell darin auszubreiten, und dann ist er hineingekrabbelt, um bei seinem Tierbruder zu schlafen. So wie ich das immer gemacht habe, mit meinem,“ fügte er hinzu und riss einen Bissen Brot ab.

„Wie kommt es, dass du einen kleinen Bären hattest, als du jung warst?“ fragte Radagast. „Ist das bei den Orks so üblich?“

Canohando lachte. „Wohl eher, die Mutter umzubringen und sich mit dem Jungen zu vergnügen, bis es stirbt,“ sagte er, und Lash nickte.

„Meine Mutter kam von einem der Bergstämme; mein Vater hat sie bei einem Raubzug mitgenommen. Sie rannte hinaus, als er und die, die ihm folgten, das Junge von Hand zu Hand warfen und es mit den stumpfen Enden ihrer Speere schlugen. Sie rannte geradewegs mitten in sie hinein und fing es in ihren Armen auf; sie schrie, dass der Geist von Klebriges Maul sie zur Strecke bringen würde, wenn sie das Junge ermordeten. ,Und deinen Sohn auch,“ kreischte sie meinem Vater entgegen. ,Und es ist mir gleich, wenn sie dich tötet, du Teufel, aber ich sorge mich um mein Kind!’ Sie brachte das Junge hinein und heilte seine Wunden und fütterte es, und es wurde mein Bruder.“

„Was geschah am Ende mit ihm?“ fragte Radagast.

„Am Ende? Ich ging in den Krieg, Heiler. Die Uruks kamen und riefen uns auf, mit dem Hexenkönig zu marschieren, um den Dunklen Herrscher zurück nach Mordor zu bringen, und ich verließ meine Berge. Du hast gesehen, was aus meinem Land wurde… die Bäume waren niedergehauen und die Erde lag brach. Als ich zurückkam, gab es dort keine Bären mehr.“

Sie schwiegen, und Frodo erinnerte sich an die Ödnis von Mordor, wie er es beim ersten Mal gesehen hatte. Endlich sagte er: „Es wird aber besser. Vielleicht kehren die Bären eines Tages wieder zurück.“

„Aber nicht die Orks – dafür wird Gondor mit Sicherheit sorgen,“ sagte Lash. „Dies ist jetzt unser Zuhause, und es ist gut – die Bäume hier sind seit tausend Jahren oder mehr nicht geschlagen worden. Doch ich will, dass meine Söhne von Klebriges Maul lernen, wie ich es getan habe. Sie sind stark, die Mrog, aber sie schützen die Ihren und bringen sie nicht um. Mein Tierbruder hat mich manchmal sogar gegen meinen Vater verteidigt, und oft gegen andere Orks. Mehr als einmal hat er mir das Leben gerettet.“

„Er hat dich gelehrt zu lieben,“ sagte Radagast ruhig, und Lash schaute weg, als würde das Wort ihn in Verlegenheit bringen.

„Ich bin heute in der Schwitzhütte,“ sagte er und stand auf. „Wollt ihr kommen und sie ausprobieren, Heiler, Lichtträger?“

Ein Lächeln ließ Radagast dunkles Gesicht aufleuchten. „Du hast eine Schwitzhütte, Lash? Ich bin viele Jahre nicht mehr in einer gewesen – ich komme ganz bestimmt!“

„Du kommst auch mit, Kümmerling,“ sagte Canohando zu Frodo. „Ich denke, das wird dir gefallen.“

Die Orks gingen fort, um die Hütte vorzubereiten, und Frodo vertrieb sich die Zeit damit, Frodo den Ork auf seinem Knie hopsen zu lassen; er tat so, als wäre es ein Ponyritt und genoss das krähende Gelächter des Babys, während Lokka sich um ihren Haushalt kümmerte.

„Hast du jemals ein Schwitzbad genommen?“ fragte sie nach einer Weile. Als er den Kopf schüttelte, lächelte sie breit und sagte: „Na, mach dir mal keine Sorgen, Neunfinger – ich schau schon nicht aus dem Fenster.“

Er rätselte über den Sinn dieser Bemerkung, hütete sich aber, nach einer Erklärung zu fragen; er würde es nicht riskieren, erneut ihre Verärgerung hervorzurufen. Dann kam Radagast, um ihn zu ihrer Seite des Hauses zu rufen, und er ließ Frodo ein letztes Mal hüpfen und ging mit. Canohando wartete schon; Frodo machte einen Schritt in den Raum und verließ ihn fluchtartig wieder, den Kopf abgewandt. Der Ork lachte brüllend und packte Frodo am Handgelenk; er zog ihn hinein und schloss die Tür hinter ihm.

„Keine Sorge, Kümmerling, du musst ja nicht hinsehen! Mach einfach, dass du aus deinen Kleidern kommst – in eine Schwitzhütte trägst du nur deine Haut und sonst nichts!“

„Schon gut, Junge,“ fügte Radagast hinzu und warf seine braune Robe quer über sein Bett. „So wird es überall im Tiefschneeland gemacht. Jetzt beeil dich; Lash hat die Steine schon für uns erhitzt.“

Frodo gehorchte, widerwillig und voller Scham, und zum ersten Mal, seit er das Auenland mit Radagast verlassen hatte, wünschte er sich, er wäre daheim geblieben. Sobald er nackt war, schubste Radagast ihn nach draußen in den Schnee, und sie folgten Canohando in den Wald hinein, während die bittere Kälte in ihre Haut biss.

Die Schwitzhütte war ein niedriger Holzschuppen auf einer kleinen Lichtung, ein paar Minuten vom Haus entfernt. Drinnen war es zu Frodos Erleichterung fast völlig dunkel; das einzige Licht drang durch Spalten in den Wänden aus Baumstämmen herein, und die Luft war so heiß, dass sie ihm fast den Atem benahm. Es gab einen Bretterboden, in der Mitte weggesägt, um Platz für eine Feuergrube zu machen, die mit großen Steinen eingefasst war – es kam Frodo merkwürdig vor, dass dieser kleine Schuppen einen Fußboden besaß, während es im Haus nur festgestampfte Erde gab – und Radagast streckte sich mit einem Seufzer der Zufriedenheit der Länge nach dicht an der Wand aus.

„Wenn ich gewusst hätte, dass du eine Schwitzhütte hast, dann hätte ich dich gleich am ersten Tag, an dem wir hier waren, gebeten, sie anzufeuern. Das ist das Allerbeste im Schneeland, glaube ich.“

„Das ist eine andere Sache, die ich von meiner Mutter habe,“ sagt Lash. Er schöpfte eine Handvoll Wasser aus einem Behälter, der dicht am Feuer stand und sprenkelte es auf die heißen Steine, dass es zischte. „Wir haben unsere erste gebaut, sobald ich stark genug wurde, um zu helfen – mein Vater hat sie dafür verspottet, aber ich liebte die Hitze und ich wollte nicht zulassen, dass er sie abriss.“

„Du musst ein tapferer Bursche gewesen sein.“

Lash lachte, „Tapfer, oder närrisch. Für einen Ork war er gar nicht so schlecht. Er verschlief einen Gutteil des Winters, wie ein Bär, und er belästigte uns nicht sehr. Im Sommer war es schlimmer, aber dann war mein Tierbruder wach, um uns zu beschützen.“

Frodo saß gegen die Wand gelehnt, die Augen genussvoll geschlossen. Er war sich nicht bewusst gewesen, wie tief die Kälte in seine Knochen vorgedrungen war, bis er diesen segensreichen Ofen betrat, und er saugte die trockene Hitze beglückt auf. Seine Nacktheit kümmerte ihn nicht länger; bei dem Vergnügen, bei lebendigem Leibe gebacken zu werden, spielte sie keine Rolle mehr.

„Den Kümmerling werden wir hinaustragen müssen, alter Mann,“ murmelte Canohando.

„Esel? Geht es dir gut?“ Die Stimme des Zauberers schien von weither zu kommen, und Frodo antwortete, ohne die Augen aufzumachen.

„Es ist wundervoll. Ich glaube, ich bleibe bis zum Frühling hier drin.“

Sie lachten ihn aus, und er schmunzelte. Lash leerte einen Eimer Wasser über die Steine, und eine Dampfwolke wallte auf. Frodo brach der Schweiß aus, und er fühlte sich, als würde er davondriften.

„Wach auf, Kümmerling,“ Canohando schüttelte ihn, und er öffnete die Augen. Lash und Radagast waren verschwunden; er war allein mit dem großen Ork. In der Hütte war es ein wenig kühler geworden, aber noch immer herrlich warm. Und Canohando starrte ihn an… oder eher Arwens Juwel, der auf seiner Brust hing. Der Ork streckte einen Finger aus, um ihn zu berühren, und Frodo wartete darauf, dass er zurückfuhr – alles von elbischer Machart hatte die Orks immer abgestoßen. Aber Canohando streichelte den Edelstein mit seinem Finger, dann nahm er ihn sachte in die Hand und fuhr mit dem Daumen über die Oberfläche.

„Erzähl mir noch einmal, wo du dieses Ding bekommen hast.“ Da war etwas in der Stimme des Orks, das Frodo schlagartig hellwach werden ließ… ein Echo seiner rohen Trauer aus der ersten Nacht, als er ihnen von Yargas Tod berichtet hatte.

„Es wurde mir von Arwen Abendstern geschenkt, der Tochter von Elrond Halbelb, der Königin von Gondor. Sie sagte, es würde mich trösten, wenn die Erinnerung an die Dunkelheit schwer auf mir läge, und das hat es getan.“

„Die Erinnerung an die Dunkelheit - “ Canohandos Stimme war heiser, und er beugte den Kopf, um den Edelstein gegen seine Stirn zu drücken. „Diese Erinnerung liegt schwer auf mir, Neunfinger.“ Er schauderte wie vor Kälte, obwohl es in der Hütte immer noch sehr warm war.

„Wir haben jeden einzelnen von ihnen erschlagen, als Yarga starb, und es war Gerechtigkeit, denn sie kamen als Zerstörer. Aber wenn ich mich an ihn erinnere, wie er in Schmerz und Blut verreckte, dann könnte ich wieder töten, und zwar jeden in meiner Reichweite. Ich könnte alle Länder von hier bis zu deinem kleinen Auenland durchziehen und Tod und Feuer mit mir tragen, wenn ich mich an ihn erinnere.“

Er hielt sich den Juwel an den Kopf, als wäre er ein Kräuterumschlag, mit dem man Gift aus einer Wunde zog; sein verklebtes Haar streifte an Frodos Kinn entlang. Die Kette zerrte an Frodos Nacken, und er langte nach oben, um sie zu öffnen.

„Warte, Canohando.“

Rasch jetzt, noch ehe er darüber nachdachte. Es war Jahre her, seit dunkle Erinnerungen ihn gequält hatten. Er war jetzt geheilt – gewiss war er geheilt! – und wenn nicht, dann war er der Heilung näher als Canohando. Er bekam die Schließe auf und befreite die Kette, dann beugte er sich vor und tastete unter den Haaren des Orks herum, damit er sie an seinem Hals zumachen konnte.

„So wie Arwen ihn mir gegeben hat, gebe ich ihn dir, Canohando. Möge er dich so trösten, wie er mich getröstet hat, und dich an den Kümmerling erinnern, der allezeit dein Freund sein wird.“

Der Ork sank nach hinten auf seine Fersen; seine Hand hielt den Juwel an seine Brust gedrückt, und seine Augen suchten Frodos Gesicht. „Du – schenkst mir das? Den Edelstein der Königin von Gondor? Wieso?“

„Um dich zu trösten. Um dich zu stärken, gegen die Dunkelheit. Sie ist immer da, weißt du; wir kämpfen gegen sie an, bis wir sterben. Und Orks leben länger als Hobbits.“ Er lächelte. „Vielleicht wirst du ihn länger brauchen als ich.“

Canohando befingerte den Juwel und rieb ihn gegen seine Lippen, und schon jetzt stahl sich Frieden in seine Augen. „Wenn ich irgendwelchen Männern aus Gondor begegne, dann werden sie denken, ich hätte dich erschlagen und ihn dir geraubt.“

Der Gedanke war Frodo bereits gekommen. „Ich werde dem König schreiben und ihm erzählen, dass ich ihn dir geschenkt habe. Und welcher andere Ork sonst könnte ein solches Ding tragen, außer höchstens noch Lash? Sie werden dich Elbenfreund nennen, Canohando,“ fügte er spitzbübisch hinzu.

Der Ork lachte schallend und schlug Frodo auf die Schulter, wobei er ihn fast umwarf. „Man hat mich schon Schlimmeres genannt! Komm, wir haben hier lang genug geschwitzt. Jetzt hinaus in den Schnee!“

Er zog Frodo hoch, von wo er saß, und schob ihn durch den niedrigen Eingang hinaus; er nahm einen Birkenzweig, der neben der Tür im Schnee steckte. Er schlug mit dem Zweig auf Frodos Rücken und Schultern ein, und Frodo rannte lachend vor ihm davon und warf sich in den Schnee, um ihm zu entkommen. Es fühlte sich großartig an, kühl und prickelnd nach der Hitze, und er sprang auf und schoss wieder zurück, um sich einen eigenen Birkenzweig von etwa einem Dutzend neben dem Eingang der Hütte zu holen; er jagte Canohando hinterher und schlug seinerseits auf ihn ein.

*****

Als er dem Zauberer sagte, was er getan hatte, schaute Radagast ihn lange an, und Frodo errötete unter seinem Blick.

„War es falsch, dass ich ihm den Juwel gegeben habe?“

Der Zauberer schüttelte den Kopf. „Du bist der Einzige, der das beantworten kann, Frodo. Aber dies will ich dir sagen: der Edelstein wird noch lange, nachdem du fort bist, an Canohando seine Arbeit tun, und nicht zum Bösen. Arwen Undomiel hat ihn dir nicht ohne Grund gegeben; er besitzt eine starke Wirkung.“

Frodo nickte zufrieden. „Auch ich habe ihn nicht ohne Grund verschenkt, Radagast.“

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