Das Vermächtnis (The Legacy)
von Anglachel, übersetzt von Cúthalion

5. Kapitel
Austausch

Mittags, am Sonntag, dem 11. Tag im Halimath

Der Ritt die Hecke entlang verlief gut. Bilbo, Rory und Sara waren ziemlich früh vom Brandyschloss aufgebrochen, bevor die Sonne ganz oben stand, die Straße hinauf Richtung Nordtor. Sie hatten Mac ein paar Meilen weiter in der Nähe seines Hofes getroffen und den Weg zum Tor fortgesetzt. Es war Zeit, dass der Herr den Heckenritt machte, bevor der Winter hereinbrach. Nach einem Zweistundenritt nach Norden wandten sie sich ostwärts und ritten zu der eigentlichen Hecke. Sie folgten ihr nach Süden, überprüften ihren Zustand, machten sich Notizen, wo es vielleicht nötig war, etwas zu richten, und unterhielten sich mit jedem Heuwart den sie am Wege fanden. Sie würden heute nur die halbe Hecke schaffen und sich morgen um die südliche Hälfte kümmern.

Bilbo und Rory ritten Seite an Seite, auf ihren fuchsroten und kastanienbraunen Ponys, während Mac und Sara auf den zusammenpassenden Grauen vorausritten, die Rory ihnen zwei Sommer zuvor geschenkt hatte. Die Brüder waren ein beeindruckender Anblick auf den hübschen Reittieren, und sie behandelten sie gut.

Die Ponys waren nicht die üblichen Auenland-Rösser, kurzbeinig und fassbäuchig. Diese beiden waren aus Bree gekommen und sahen eher wie richtige Pferde aus. Sie waren nicht viel mehr als eine Handbreit höher als die normalen Ponys, aber ihre Beine waren im Verhältnis zu ihrem Körperumfang länger und ihr Brustkorb war schmaler. Ihre Köpfe sahen aus wie die bei den Elbenpferden, die Bilbo vor so langer Zeit in Bruchtal gesehen hatte, und ihre Hälse waren wunderschön gewölbt. Selbst ihre Schweife trugen sie hoch. Diese Reittiere waren ein wertvoller Zuwachs für die Bockländer Herde und hatten im letzten Jahr zwei feine Füllen hervorgebracht. Rory hegte die Hoffnung, im nächsten Frühjahr ein Hengstfohlen zu bekommen, als gute Basis für ein Gestüt.

„Wenn sich die Dinge ändern, wie du sagst, Bilbo...“ hatte Rory auf dem Hinweg recht ernsthaft gesagt, „dann werden wir Ponys brauchen, die bequemer zu reiten sind und weitere Entfernungen an einem Tag zurücklegen als diese plumpen Gesellen.“ Er hatte seinem gleichmütigen Wallach einen liebevollen Klaps auf die Schulter gegeben, und das Pony wieherte seinem Herren zu. Rory hatte eine Art, mit Tieren umzugehen, die an Zauberei grenzte. Pferde liefen ihm hinterher wie Hunde, und Hunde – selbst die großen, wilden – wedelten rasch mit dem Schwanz und leckten ihm die Hand. Die halb verwilderten Scheunenkatzen kamen aus ihren Verstecken unter dem Futterkrippen und im Heu hervor, um sich um Rorys Knöchel zu schmeicheln, zu schnurren und zu miauen. Es war nichts Ungewöhnliches, dass man zu Boden schaute und feststellte, dass eine der Katzen zu Ehren der Gelegenheit eine tote Ratte zu Rorys Füßen fallen ließ.

„Ein langgliedrigeres Pony, dass nicht allzu viel größer ist, wird angenehmer zu reiten sein, obwohl es sich nicht sehr für einen großen Karren eignet. Es sind Sattelpferde, keine Zugtiere.“ Ihre eigenen untersetzten Ponys bummelten voran, während die alten Hobbits schwiegen, ein jeder in seine eigenen Gedanken versunken. Rory seufzte. „Ein hübsches Pony, um durch das Auenland zu reiten, ist eine gute Sache, Bruder. Aber wirklich – wie viel weiter würde irgendjemand gehen wollen? Doch sicher nicht bis jenseits von Bree?“ Rory schaute neugierig und leicht besorgt zu ihm hinüber.

Bilbo zuckte die Achseln. „Das hinge von dem Reisenden und den Zeiten ab, Bruder. Bree ist nicht so weit weg, um die Wahrheit zu sagen, nur einen Tagesritt auf einem Auenlandpony von der Brücke bis zum Gasthaus. Auf einem Pferd von voller Größe ist es sogar noch näher. Lass das Pferd galoppieren und es sind nicht mehr als ein paar Stunden.“

„Nun ja, Bilbo, auf einem größeren Pferd käme man schneller hin, aber warum sollte man noch weiter reisen wollen?“ konterte Rory.

„Na, warum wollen diese Kerle in den grauen Mänteln ins Auenland?“ entgegnete Bilbo. „Ich habe jetzt keine Antwort für dich, aber sie wollen hierher kommen, und irgendwann könnten Auenland-Hobbits den Wunsch haben, weiter zu reisen als bis nach Bree. Straßen draußen in der weiten Welt kommen selten zu einem sauberen Ende, so wie der Weg nach Steingrube. Meistens führen sie durch Orte hindurch und weiter zu anderen Orten hin, was bedeutet, dass die Straßen ins Auenland an Orten beginnen, die wir uns kaum vorstellen können und uns vielleicht Dinge bringen, über die wir nicht nachdenken wollen.“

Rory schnaubte. „Also, du hast ja den Kopf heute voll wundervoller Gedanken! Warum sollten wir uns um solche Sachen Sorgen machen? Diese endlosen Straßen, die zu ausländischen Orten führen, haben uns eine lange Zeit gute Dienste erwiesen und kaum je irgendetwas ins Auenland hineingebracht.“

„Ah, Rory, da irrst du dich.“ schalt Bilbo. „Jeder Tag zeigt wundersame Dinge auf den Straßen. Auf der Ost-West-Straße wandern immerzu Zwerge entlang...“

„Aber das sind bloß Zwerge, wir wissen alles über sie. Sie sind hier schon so lange wie das Auenland, sie sind nichts Neues.“

Bilbo lachte und schüttelte den Kopf. „Rory, mein lieber Arsch, Zwerge sind hier schon wesentlich länger hindurch gekommen als es das Auenland gibt! Und die Zwerge sind ziemlich neu, verglichen mit den Elben, die auf diesen Wegen wandern, seit der Alte Wald überhaupt noch nicht alt war.“

„Bah, Vetter, du und deine fürchterlichen Elben!“ Rory lachte ebenfalls. „Warum verschwendest du nicht ein bisschen Grips an Dinge, die wirklich sind!“

„Elben sind wirklich! Ich habe sie gesehen! Ich habe mit ihnen gesungen!“

„Nicht dass du dich dadurch sehr gebessert hättest. Oh, sie laufen herum, das will ich dir zugestehen, Bilbo, aber sie haben nichts zu bedeuten. Sie sind zu nichts gut. Wenigstens kann eine Zwerg einen Kessel für dich in Ordnung bringen oder Silber eintauschen für eine Übernachtung und Reiseproviant. Die sind wirklich! Diese Elben allerdings... sie könnten genauso gut Schatten sein.“

„Nun, ich kann dir versichern, dass sie das nicht sind,“ gab Bilbo zurück, dem diese Kränkung seiner geliebten Elben nicht gefiel, „noch befindet sich der Rest der Welt jenseits des Auenlandes! Bloß weil wir etwas nicht sehen oder nicht verstehen, bedeutet das nicht, dass etwas nicht da ist, oder nicht wichtig, oder sich uns nicht unter den richtigen Umständen bekannt macht.“

„Schon gut, schon gut, jetzt werd nicht so gereizt mit mir, Vetter!“ nörgelte Rory. „Wie du willst. Ich mag einräumen, dass es größere Dinge in der weiteren Welt gibt als die, von denen ich weiß, und selbst, dass solche seltsame Dinge eines Tages auf unseren eigenen Türschwellen ankommen könnten, obwohl ich nicht sehe wie. Aber warum sollten wir an diese rauen Orte gehen wollen? Schlimm genug, dass die da sind – warum sollte irgend ein Hobbit, der bei Verstand ist, sie sehen wollen? Ich frage dich noch mal, warum sollten wir weiter reisen wollen als bis Bree?“

„Weil es sich lohnt, dorthin zu gehen, Rory. Es gibt wundervolle Dinge da draußen, nicht bloß gefährliche. Elben und Berge und große Flüsse und der Anblick von Dingen und Adler und... oh, alles! Es würde uns gut tun, ein paar Jungen zu haben, und sogar ein paar Mädel, die hinausgehen und begreifen, was für ein kleiner Ort das hier ist. Wenn du darauf bestehst, praktischer zu denken und wenn du besorgt darum bist, garstige Dinge aus dem Auenland fernzuhalten, dann brauchen wir eine Ahnung davon, was für Dinge das sind, und wie wir sie daran hindern können, sich uns zu nähern. Und wie wir mit dem umgehen, was wir nicht fernhalten können. Immerhin können wir nicht eine Hecke wie diese um das ganze Auenland ziehen.“

Rory warf einen gedankenvollen Blick auf die Hecke. „Nein, ich nehme an, das können wir nicht,“ antwortete er langsam, „obwohl es den Versuch wert wäre.“

Weiter voraus signalisierten Mac und Sara, dass sie einen guten Platz für das Mittagessen gefunden hatten. Rory und Bilbo ermunterten ihre Ponys zu einem raschen Trab, um zu den jüngeren Männern aufzuschließen. Binnen weniger Minuten waren sie angekommen und banden ihre Ponys neben den beiden Grauen an. Es brauchte nur ein paar mehr Minuten, um ihre kräftige Mahlzeit auszubreiten: Scheiben von Fleisch und Käse in ausgehöhlten Brothälften und ein paar Schläuche mit Bier von einer blassen Bernsteinfarbe.

Der Nachtisch würde aus den Früchten bestehen, die sie von den Bäumen der Obstgärten nahe der Hecke pflückten – kein Bauer missgönnte dem Herrn seine Auswahl der Frucht und kein vernünftiger Herr versäumte es, die Ernte zu kosten und einem Bocklandbauern Komplimente über seinen feinen Obstgarten zu machen. Es hatte sich herumgesprochen, dass der Herr die Hecke abritt, und die Bauern waren draußen und hielten Ausschau nach ihm; sie boten ihre Meinung und ihren Ratschlag an, gemeinsam mit einem ausgewählten Scheffel Äpfel, Birnen, Quitten und den späten Pflaumen. Rory vergaß nie, wenigstens eine Frucht von jedem Hof zu probieren und machte stets klar, wie erfreut die Herrin sein würde, wenn eine Probe davon in den Küchen vom Brandyschloss auftauchte. Diese Woche würde arbeitsreich für die Küchen werden, mit all den Erntegaben, die eingekocht, in Gläser abgefüllt, getrocknet oder auf andere Weise haltbar gemacht werden mussten. Die Woche darauf würde ebenfalls arbeitsreich sein, wenn die Herrin Briefe an all die Gevatterinnen diktierte zum Dank für ihre Geschenke, in denen sie die Qualität ihrer Ernte pries.

Bilbo beobachtete, dass Sara nur einen kleinen Schluck aus einem der Schläuche nahm, bevor er ihn an Mac weiterreichte. Der Erbe starrte ein wenig nachtragend zu seinem älteren Vetter hinüber, dann vergrub er sich in seinem Essen. Bilbo tat so, als ob er nichts Falsches bemerkte. Seit ihrer Auseinandersetzung vor zwei Tagen war Sara ziemlich kleinlaut gewesen. Bilbo wusste, dass Sara und Rory sich früh am nächsten Morgen in Rorys Studierzimmer eingeschlossen hatten; erhobene Stimmen waren zu hören gewesen. Sämtliche Familienmahlzeiten waren allerdings recht schicklich abgelaufen, wofür Bilbo dankbar war. Die Kinder plauderten, die Erwachsenen hätschelten sie und nichts Unerfreuliches wurde besprochen, nur die schnell näher kommenden Ernteriten und die Aussichten auf ein sehr gemütliches Julfest. Falls Bilbo bemerkte, dass Frodo sicherstellte, mehrere Plätze Abstand zu Sara zu halten, dass er all seine Aufmerksamkeit den Kindern und seiner Großmutter widmete und dass er kaum jemals mit Esmie sprach... nun, er war zu höflich, um es auch nur zu erwähnen. Unnötig zu sagen, dass es keinerlei Gesänge mehr gegeben hatte.

„Vater, die Hecke ist in einem ausgezeichneten Zustand.“ sagte Mac, „besser als letztes Jahr. Das alte Kraut in den Mulden auszureißen war genau der richtige Trick.“

„Obwohl ich glaube, ich kriege immer noch Blasen bei der bloßen Erinnerung an das Ausreißen.“ witzelte Sara, und die Brüder lachten. „Aber wir werden später in diesem Herbst eine gute Jagd kriegen; die kleinen Tiere kommen unten durch die Hecke. Dieses Jahr werden wir Pelze zum Handeln haben. Wir werden Schlingen auslegen müssen, bevor der Frost richtig einsetzt, und bevor alles, das einen Pelz trägt, für den Winter unter die Erde geht.“

„Wo wirst du damit handeln?“ fragte Bilbo. Sara warf ihm einen Blick zu, um zu sehen, ob Bilbo sich über ihn lustig machte, dann zuckte er die Schultern und antwortete.

„Hängt davon ab, wie viele wir kriegen. Wir behalten die meisten Kaninchen- und Dachsfelle, aber wenn wir ein paar von den Wildkatzen erwischen, dann gehen wir nach Weißfurchen auf den Handwerkermarkt. Ein paar Große Leute werden dort sein, und die mögen die Katzenfelle.“

„Ihr bringt sie nicht nach Bree?“ Bilbo war überrascht.

„Müssen wir nicht mehr.“ meinte Mac. „Die großen Leute kommen regelmäßig nach Weißfurchen. Da bekommen sie jetzt ihr Pfeifenkraut her. In den Breeländern sei nicht genug gewachsen, heißt es. Die schicken eine Menge nach Süden, und dann kommen sie nach Osten, um sich unseres zu holen.“

Bilbo konnte sehen, dass dies auch Rory neu war. „Na, das klingt, als könntet ihr einen guten Pelzhandel aufziehen. Was mögen die Großen Leute denn sonst noch?“

„Nun, die runden Großen Leute, die aus den Breeländern, die mögen Katzenfelle und jedes Kaninchenfell, das wir entbehren können. Dann die langen Großen Leute, die, die die Breeländer nicht so sehr mögen, die nehmen jede Schwalbenhaut und jedes Zobel-Fell, das wir sammeln können. Sie mögen die als Futter für ihre Kapuzen und Handschuhe.“ erklärte Sara. „Die mögen alle wirkliche feinen Felle. Ganz düster und mürrisch sind die. Es gibt sogar Volk mit geschlitzten Augen weiter aus dem Süden, aber die kaufen nichts.“

„Und noch mehr Tuch ist von Weißfurchen weggegangen, und getrocknete Häute, und auch Kirschholz.“ sagte Mac abschließend. „Die Großen Leute handeln jetzt ein bisschen mehr. Die Zwerge werden auch freundlicher. Ich nehme an, dafür haben wir dir zu danken, Onkel Bilbo. Bard Bolger, das ist Onkel Willis Ältester, der mit Nassys Schwester Cissy verheiratet ist, der hat seinen Vetter Bertie Bolger besucht, der, der deine Base Poppy geheiratet hat, drüben in deine Richtung in Wegscheid... und Bard hat gesagt, Bertie hätte gesagt, dass die Zwerge im Westen gute Eisenwaren anbieten im Austausch gegen Leder und Getreide aus dem Westviertel.“ Mac nahm einen großen Bissen Brot und Käse, um das Gewicht dieser Neuigkeiten zu betonen.

„Nun, das sind interessante Nachrichten, wirklich, aber wieso dankst du mir? Ich habe doch gar keine Eisenwaren bestellt!“ neckte Bilbo nachlässig; er tat so, als sei er nur flüchtig interessiert, um die beiden jüngeren Männer zum Weiterreden zu ermutigen. Er beobachtete Rory, der sehr konzentriert einen Apfel in einem einzigen, langen Streifen schälte. Bilbo war sich sicher, dass ihn das, was seine hohlköpfigen Nachkömmlinge aufgeschnappt hatten, ziemlich überraschte. Er begann, sich guten Schinken herauszupicken und lauschte begierig.

„Nun, wegen deiner Abenteuer, Onkel Bilbo, wieso sonst?“ erwiderte Mac ein wenig verwirrt. Die Zwerge sagen so was Ähnliches, dass sie beschäftigt sind, weil es keinen Drachen mehr gibt, und dass die Leute Handel treiben. Das ist derselbe Drachen, über den du ständig redest, richtig? Der, den du getötet hast?“ Ein zweiter Riesenbissen folgte dem ersten.

„Getötet... oh liebe Güte, nein, Mac. Ich habe niemals etwas Derartiges getan!“ Bilbo lachte. „ich habe bloß einen ausgespäht und dann einem von den Großen Leuten Bericht erstattet, und der war derjenige, der herausfand, wie man mit Smaug klarkam.“ Heimlich fühlte sich Bilbo recht geschmeichelt, dass Mac dachte, er sei tatsächlich für das Töten von Smaug verantwortlich.

„Na,“ sagte Sara gedehnt, ohne aufzuschauen, „vielleicht ist es der selbe Drache, vielleicht aber auch nicht. Vielleicht hast du bloß von einem Drachen gehört, der getötet wurde“, ein durchbohrendes, beleidigtes Starren, „aber die Zwerge scheinen deinen Namen richtig gut zu kennen, und beim Handeln ist es was wert, klarzustellen, dass man weiß, wer Herr Beutlin ist. Dieses seltsame Volk kennt dich wohl gut genug.“ Sara wandte sich seinem Fleisch zu.

Rory hatte einen nachdenklichen Gesichtsausdruck, während er auf seiner Mahlzeit herumkaute, dann nickte er leicht. „Ja, es ist wahr... da sind ein paar mehr Zwergenkronen im Umlauf, als ich mich seit längerer Zeit erinnern kann. Nicht bloß die aus Bronze oder Kupfer. Ich besitze selbst zwei Silberkronen, und ich habe gehört, dass im Grünen Drachen eine goldene aufgetaucht ist.“ Er schaute Bilbo an.

Bilbo lächelte. Ja, du sturer alter Ziegenbock, die Veränderungen sind schon da. Vielleicht hörst du mir ja jetzt zu. „Nun, tatsächlich stimmt das. Lob Tapmann hat letzten Frühling eine Goldkrone bekommen, als ein Trupp Zwerge zwei Nächte lang fast das ganze Gasthaus mit Beschlag belegt hat, während sie auf die Ankunft von ein paar anderen warteten. Er hat sie zwei Tage lang verköstigt, dann hat er ihnen ein paar Packponys und Vorräte verkauft. Hat eine Goldkrone gekriegt, und auch ein paar Kupfermünzen. Nicht ganz klar, was er damit macht, es sei denn, er handelt vielleicht mit ein paar Zwergen, die zurück in die andere Richtung reisen.“

„Nun, ich wünschte, wir könnten einen Zwerg bekommen – nur einen, weißt du? – der hinunter nach Bockland käme, um ein paar Sachen in Ordnung zu bringen.“ sagte Mac, der seinen Mundvoll Essen bewältigt hatte. „Wir haben reichlich zu tun, und Ham und seine Söhne sitzen den ganzen Tag in der Schmiede in Neuburg fest. Seine Frau hat ihm fast jedes Jahr einen neuen Jungen geschenkt, aber selbst mit seinen Jungs und einem Lehrling oder zwei gibt es mehr Hufeisen, Pflüge und Äxte zu machen als er hier in Bockland zustande bringt. Es wäre nett, wenn einer deiner Freunde, ein anständiger Zwerg, den du kennst, hier durch Bockland wandern und ein paar Metall- oder Steinarbeiten erledigen könnte.“

Bilbo versuchte, sich Balin oder Glóin vorzustellen, edle Zwergenherrscher und Meisterschmiede, die herumliefen und die Töpfe der Gevatterinnen in Ordnung brachten wie umherziehende Kesselflicker, und es gelang ihm nicht. Er dachte an die Mengen von Waffen und Harnischen, die in Erebor gelagert wurden und an sein eigenes Mithrilhemd mit Kristallen und Perlen, dass im Mathomhaus in Michelbinge lag. Er verglich die Streitäxte der Zwerge damit, was ein Hobbit benutzte, um Holz zu spalten... und er wusste, dass manche Veränderungen länger brauchen würden als andere, worüber er ziemlich glücklich war. Muss ein guter Junge wie du, Mac, wirklich wissen, wie sich ein Zwergenharnisch anfühlt? Oder wie ein Schwert geformt sein muss, damit das Blut daran abfließt? Wie ein Elbenpfeil sich geradewegs durch die lederne Brustplatte eines Orks bohrt?

„Warum sollten Zwerge in Bockland Kessel flicken wollen, wenn sie all diese Drachenschätze haben?“ spöttelte Sara. „Onkel Bilbo hat gesagt, da war ein ganzer Berg von Gold und Edelsteinen, der jetzt ihnen gehört. Was haben sie es nötig, zu arbeiten? Die müssen jetzt alle Edelzwerge sein, genau wie Onkel Bilbo ein Edelhobbit ist. Richtig?“ Er forderte Bilbo mit scharfem Blick heraus, obwohl er ein freundliches Grinsen aufgesetzt hatte. „Sie reisen hin und her, aber sie müssen wie Hohe Herren sein oder so, die ihre Leute besuchen.“

Bilbo fand diesen Vetter ziemlich ermüdend, und es gefiel ihm nicht, ständig von seinen Handelsneuigkeiten abgelenkt zu werden. „Nun, die meisten Zwerge, mit denen ich gereist bin, werden als Helden und hohe Herren angesehen und von ihrem Volk hoch geachtet, also bezweifle ich, dass sie es nötig haben, Kesselflickerei zu betreiben... aber es gibt immer ein paar von den Jüngeren, die ihren Weg in die Welt erst machen müssen. Ich könnte einen guten Kerl finden, der gegen einen Monat Arbeit nichts einzuwenden hat. Und manchmal ist ein Berg Gold weniger wert als ein Scheffel Getreide, wenn man in einem Berg lebt und sein eigenes Essen nicht anbauen kann. Die Zwerge graben und schmieden, um gute Sachen zu haben, mit denen sie erhandeln können, was sie sonst noch brauchen. Sie haben manche Schätze, aber nicht so viel, wie man denken könnte. Die finden Wege, ausgegeben und weniger zu werden. Was sie tatsächlich an Vorräten sammeln, sind Waffen und Kriegsgerät.“

„Aber hast du nicht immer noch einen guten Vorrat von diesem Drachenschatz, Onkel?“ fragte Sara so frech er es nur wagte. „Oder bringen diese Zwerge dir einfach mehr davon, wenn du noch welches brauchst? Wenn du gar keinen Drachen getötet hast, wofür sind die dir dann bloß so dankbar?“

„Genug davon!“ schnappte Rory, bevor Bilbo antworten konnte. „Ich werde keine Frechheiten von dir dulden, Saradoc, vor allem nicht einem Verwandten und Gast gegenüber. Du wirst dich auf der Stelle entschuldigen!“

„Nun nun, Rory, sei nicht so hart zu dem Jungen,“ sagte Bilbo beruhigend, obwohl er in Wirklichkeit Lust hatte, dem impertinenten Welpen ordentlich eins überzuziehen. „Du weißt, was Geschichten von Gold und Abenteuer mit den jungen Leuten anstellen... vertreiben jeden Verstand aus ihrem Kopf.“ Er schenkte Sara, der aussah, als hätte er gerade in eine grüne Quitte gebissen, ein gütiges Lächeln. Mac kicherte und versetzte seinem Bruder einen Stoß gegen die Schulter. „Und was meinen eigenen ,Schatz’ angeht,“ Bilbo verdrehte die Augen und lachte herzlich, „er wird nicht mehr größer. Ich habe eine kleine Belohnung bekommen, aber hauptsächlich jede Menge Dank dafür, dass ich Smaug ausgespäht habe.“

Rory war noch immer nicht glücklich über Sara, und er befahl ihm, die Ponys für den Ritt fertig zu machen. Nicht sehr lange danach waren sie wieder auf dem Weg, die Brüder voraus, die älteren Hobbits hinterher. Rory ritt eine Weile schweigend, dann seufzte er.

„Es tut mir leid, Bruder. Sara hat wenig Manieren.“

„Denk nicht mehr dran, Rory. Er ist nicht irritierender als viele, die die Nase in meine Angelegenheiten stecken, und eine ganzes Stück weniger ärgerlich als die meisten.“

Sie ritten ein paar hundert Meter weiter. Bilbo war sich sicher, dass Rory noch etwas mehr besprechen wollte und nur seine Zeit abwartete.

„Es ist nicht recht. Er redet ganz schön häufig über den Schatz, von dem die Leute glauben, dass du ihn hast; zu oft für meinen Geschmack. Es ist nicht recht für einen erwachsenen Hobbit in seiner Stellung, hinter etwas her zu sein, das ihm nicht gehört.“

Bilbo zuckte die Achseln. „Es ist eine verlockende Sache, um darüber nachzudenken, Rory, und ich habe es wirklich gemeint, als ich sagte, Sara sei gar nicht so schlecht. Ich denke, er wäre ziemlich enttäuscht, wenn er meinen sogenannten Schatz tatsächlich sehen könnte.“ Er lächelte zu Rory hinüber, der ihm einen ungläubige Blick zuwarf.

„Bilbo, ich kenne meine Zahlen, und ich weiß, was Dinge kosten. Ich weiß auch, dass du diesen Schatz auf großzügige Weise verteilst. Was immer du auch behauptest, es ist ein größeres Vermögen, als ich je davon gehört habe, dass ein Hobbit es besaß. Selbst wenn du keinen Pfennig mehr davon übrig hättest – und ich weiß, du bist zu vernünftig, als dass du alles ausgegeben hättest! – was du gehabt hast, war ein ganzer Haufen.“

Bilbo begegnete Rorys Blick und hielt ihn ein wenig fest, dann schüttelte er den Kopf und seufzte. „Du bist zu gewieft für mich, Vetter. Ja, es war ein ganzer Haufen. Mehr, als ich jemals brauchen würde, also was schadet es, mein Glück um mich zu verbreiten? Ich habe genug behalten, um es den Rest meines Lebens bequem zu haben, selbst wenn ich so lange lebe wie unser Großvater. Was macht es am Ende schon aus?“

„Es macht etwas aus, wie du es verwendet hast, Bilbo. Ich kenne eine Menge Hobbits – und einer davon reitet da vorne vor uns – die mit diesem Gold herumgeworfen hätten und es dazu benutzt hätten, Leute zu beeindrucken und andere einzuschüchtern. Die es benutzt hätten, sich ein bisschen Respektabilität zu kaufen.“ Bilbo warf ihm einen harten Blick zu und Rory lächelte zurück. „Aber du hast es nicht getan, und dafür liebe ich dich umso mehr. Nicht dass ich überrascht wäre, weißt du? Ich hätte jedermann sagen können, was du tun würdest. Jeder, der dich wirklich kennt, hätte gewusst, was du tun würdest. Du magst verrückt sein, aber so unvorhersehbar bist du nicht.“

„Na dann Dankeschön.“ erwiderte Bilbo, bereits besserer Laune.

„Obwohl ich manchmal denke, dass es besser gewesen wäre, wenn du diesen Drachen nicht umgebracht hättest, Bilbo,“ fuhr Rory in ernstem Ton fort. „und nicht bloß deswegen, wie du selbst dabei hättest getötet werden können.“

„Rory, ich habe Smaug nicht umgebracht! Ich habe ihn bloß ausgespäht!“

„Du hast geholfen, ihn umzubringen, und gemeine Bestien auszuspähen ist keine kleine Aufgabe. Aber worauf ich hinauswill, Bruder, ist: Wer immer ein Schwert durch den Drachen gejagt hat...“

„Einen Pfeil. Bard von Esgaroth hat einen Pfeil durch ihn hindurchgejagt.“

„... wer immer ein Schwert durch ihn hindurchgejagt hat,“ wiederholte Rory, „es tut nichts zur Sache; Tatsache ist, der Drache ist tot, und Zwerge und Große Leute gehen die Straße hinauf und hinunter, und es gibt einiges mehr an Gold und Silber und Edelsteinen, als wir je zuvor gesehen haben, und manche von unseren jungen Leuten sind von diesem Tand und den paar Münzen allzu angetan.“

Bilbo drehte sich im Sattel herum, um Rory anzusehen. Sein Vetter hatte die Zügel seines Poys auf den Hals des Tieres fallen lassen und saß Bilbo zugewandt, eine Hand auf der Hüfte, die andere auf die Pausche gestützt. Das Pony zottelte ungelenkt weiter und folgte den beiden Grauen.

„Ein paar Hobbits – die meisten von ihnen jung, aber nicht alle – haben jetzt zwergische Herzen. Sie schauen einen Schatz nicht auf die Weise an, wie du es tust, Bilbo. Sie schnappen danach, klammern sich daran, betrachten ihn als ebenso liebenswert wie etwas, das lebt und atmet. Es hat immer Geizhälse gegeben und habgieriges Volk, ich weiß, aber dieses Verlangen ist größer. Immer, seit du zurückgekommen bist, mit deinem Schatz und deinen Geschichten, ist es so, als gäbe es in manchen Herzen eine Begierde, die nicht gestillt werden kann. Sie denken nicht an das Abenteuer und haben nie die Gefahren im Sinn, die du bestanden hast.“

Bilbo wusste nicht so recht, wie er darauf antworten sollte. Rory beobachtete ihn eine Weile, dann sagte er: „Bruder, ich habe darüber nachgedacht, was du gesagt hast, selbst als ich dich wegen deiner verdrehten Worte und verrückten Ideen aufgezogen habe. Die Veränderung besteht nicht immer nur aus Wölfen und Orks, nicht? Du hast darüber gesprochen, dass die Schwierigkeiten kommen werden. Ich sage, dass – nur vielleicht – ein paar Schwierigkeiten schon da sind.“

Bilbo nickte. „Ja, aber nicht nur Schwierigkeiten, Rory. Veränderung ist nicht einfach schlecht, obwohl ich glaube, sie ist immer ziemlich gefährlich.“

Rory grunzte seine Zustimmung, rutschte nach vorn und nahm die Zügel des Ponys auf. Der Wallach schüttelte den Kopf und bewegte sich ein wenig schneller. „Aber manche Dinge ändern sich nicht, Bilbo, und sie werden es nie. Wie eifersüchtige Verwandte und tratschende alte Hennen. Und als du zurückgekommen bist, hast du so viele Zungen und Geschichten in Gang gesetzt und soviele Gerüchte umherfliegen lassen. Sieht dir ganz ähnlich, Beutlin, alles aufzurühren und der Mittelpunkt der Aufmerksamkeit zu sein. Die Dinge, die gesagt wurden!“

Bilbo stöhnte. „Ich weiß, ich weiß, erinnere mich nicht daran. Es gab Zeiten, da dachte ich, ich müsste wieder fortgehen, wenn ich irgendwie Frieden finden wollte von den schnüffelnden Nasen und gewetzten Zungen!“

„Von manch gefühllosem Volk wurde behauptet, du würdest dir mit deinem ganzen Reichtum eine feine, junge Frau kaufen.“ fuhr Rory in einem allzu unschuldigen Tonfall fort, „und manche waren sich ganz schön sicher, Esmie wäre diejenige welche.“

„Nun, manche haben ganz schön daneben gelegen, oder nicht?“ grummelte Bilbo.

„Und Esmie mitten unter ihnen.“ stimmte Rory beifällig zu.

Bilbo brachte sein Pony abrupt zum Stehen und packte die Zügel von Rorys Wallach. „Was meinst du denn damit?“ verlangte er zu wissen.

„Bloß, dass Sara und Esmie bei manchen Dingen so ziemlich einer Meinung sind.“ antwortete Rory, der sich nicht im mindesten an Bilbo’s grimmigem Benehmen störte. „Ich glaube nicht, dass du verstehst, wie sehr sie sich manchmal gleichen.“ Er legte den Kopf ein wenig schräg und hob eine Augenbraue. „Ich glaube nicht, dass du sie je mit einem Jungen durchbrennen siehst, Vetter. Sie mag ihre Bequemlichkeit zu sehr, um das zu riskieren. Hat einiges von einem Zwergen im Herzen.“ Er kratzte sich gedankenvoll das Kinn. „Obwohl das ein mächtig schlaues Lied war. Es hat Sara fast zwei Tage lang nüchtern gehalten.“ Die beiden starrten einander an, dann brachen sie in Gelächter aus.

„Du verdammter Beutlin, immer machst du Ärger!“ gluckste Rory, wandte sein Pony herum und ritt hiter den Brüdern her.

Sie zogen noch ein paar Stunden weiter, begutachteten die Hecke, unterhielten sich mit den Bauern und beratschlagten sich von Zeit zu Zeit mit Sara und Mac, wenn sie etwas sahen, um das sich gekümmert werden musste. Endlich sank die Sonne und sie ritten nach Westen in Richtung Brandyschloss.

„Bilbo?“

„Ja, Rory?“

„Hast du das ernst gemeint, als du gesagt hast, dass die Zwerge Kriegsgerät ansammeln?“

„Ja, Rory. Sie haben viele Waffen, viele Rüstungen, und sie machen sogar noch mehr davon für die Elben und für Menschen.“

„Wieso? Wieso tun sie das?“

„Weil sie wissen, dass die Veränderung kommt. Sie glauben, dass Krieg am Horizont aufzieht. Allerdings ist dies etwas, das die Zwerge immer glauben.“

„Was glaubst du?“

„Ich neige dazu, bei diesen Angelegenheiten den Elben zu glauben, nicht den Zwergen.“

„Und was glauben sie?“

„Sie fliehen ganz und gar aus diesen Landen.“

„Oh.“

Den Rest des Weges zum Brandyschloss legten sie schweigend zurück.


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