Ein wirklich gutes Jahr (Pretty Good Year)
von Mary Borsellino, übersetzt von Cúthalion

Kapitel 3
Kleine Blume

Das matte, silbrige Licht eines Sichelmondes warf blaugraue Schatten über Frodos Haut, als er durch die Halle schlich, so leise er es fertigbrachte. Seine Hände zitterten, ein Schauder, der im Tageslicht nachließ und der fast völlig schwand, wenn er lächelte oder lachte. Aber so spät, in der Stille, waren seine Handflächen klamm und seine Knochen erbebten unter alten Spannungen.
Üblicherweise, wenn der Schlaf ihn mied, las Frodo ein wenig bei Kerzenlicht, oder er saß am Fenster und betrachtete das schlummernde Auenland. Auf seinem Weg zu dem zusammengewürfelten Stoß halb durchgelesener Bücher in der Ecke hielt er inne, weil er ein Flackern von Feuerschein aus der Küche bemerkte.
Rosie saß, ruhig atmend im Schlaf, vor dem erleuchteten Herd. Elanor plapperte in den wiegenden Armen ihrer Mutter fröhlich mit sich selbst. Als sie Frodo auf der Türschwelle sah, quietschte die Kleine glücklich und streckte ihre rundlichen Finger nach ihm aus.
„Schh, Kleines, weck deine Mutter nicht auf.“ wisperte Frodo, hob sie vorsichtig hoch und überließ Rosie ihrer warmen, friedlichen Ruhe. „Komm mit mir, die Nacht anschauen.“
Elanor quietschte wieder und streckte sich, um nach der feinen Kette um seinen Hals zu grabschen, dann zog sie statt dessen an seinem Haar.
„Autsch! Also, du hast die Stärke deines Vaters, soviel ist mal sicher.“
Ihre winzigen Finger schlossen sich über den seinen und sie patschte auf den narbigen Stumpf, der sich allmählich von rosa zu weiß verfärbte. Große Kinderaugen sahen zu ihm auf, als wollte sie fragen, wo sich sein Finger versteckte.
„Ich habe ihn aufgegeben, kleine Blume. Ich habe ihn für dich aufgegeben, für deinen Vater und deine Mutter und all die anderen Hobbits, und die Menschen und Elben und Zwerge. Und die meisten von ihnen werden niemals etwas davon erfahren, aber ich bin froh darüber.“ seufzte er, „Eines Tages wirst du groß genug sein zum Tanzen und Lachen, und Sam kann dich lesen und schreiben lehren, und du kannst dir selbst eine wunderschöne Geschichte ausdenken.“
Elanor patschte so lange auf sein abwesendes, verdüstertes Gesicht, bis er wieder lächelte. Er machte es sich in einem Schaukelstuhl bequem, von wo aus er den Garten überblicken konnte und ließ sie auf seinem Schoß auf- und abhüpfen. Ihre kleinen Augen schlossen sich langsam, der Mund war von einem weiten Gähnen gedehnt, während sie einduselte.
„Ich habe so viel aufgegeben, aber es war den Preis wert.“ Der Hobbit hielt sie sanft und flüsterte, während sie schlief. „Kein Ring der Welt ist mächtiger als du, Elanor. Ich hoffe, du weißt das für den Rest deines Lebens.“
Keiner von ihnen hatte sich gerührt, als Sam kurz vor der Dämmerung erwachte, und er lächelte beim Anblick seiner samt und sonders auf Stühlen zusammengerollten Hausgenossen. Die Wärme des Herdes war kaum mehr als eine Erinnerung, während das frühe Sonnenlicht die blaugrauen Schatten mit hellem Gold verjagte.
Behutsam, um sie nicht zu wecken, bugsierte Sam sie einen nach dem anderen in ihre Betten, Rosie und Elanor und Frodo. Er küsste sie auf die Stirn, als er sie niederlegte, als könnte er sie irgendwie in ihren Träumen beschützen.

 
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