Ein wirklich gutes Jahr (Pretty Good Year)
von Mary Borsellino, übersetzt von Cúthalion

Kapitel 4
Alles, was sie brauchen

Heute muss gepflanzt werden, wie an jedem Tag. Dank der emsigen Arbeit von Sam und seiner kleinen Schachtel mit Erde gewinnt das Auenland sein reiches, grünes Leben zurück. Die Sonne scheint hell, aber nicht zu heiß, und es ist einer von diesen Tagen, die die weniger guten bei weitem aufwiegen.
Rosie jagt die Spinnen aus den Ecken von einem der gemütlichen Schlafzimmer. Es wird von einer schweren Eichentruhe an der Wand beherrscht, und es beherbergt den Besitzer des Anwesens. Er versucht gerade, ein Baby zum Aufstoßen zu bringen und gleichzeitig einem Dutzend vertriebener Achtbeiner aus dem Weg zu gehen. Es ist einer von Frodos guten Tagen, seltener vielleicht als noch vor einem Jahr, aber häufig genug, um Rosie und Sam die Hoffnung zu geben, dass er sich möglicherweise doch noch erholt. Er springt vor einer besonders großen Spinne weg und lacht, als Elanor gegen die plötzliche Bewegung protestiert.
„Du willst von keiner von denen gebissen werden, Kleines, vertrau mir. Das ist kein Spaß.“ erklärt er dem Baby und zieht ein Gesicht, das sie zum Kichern bringt.
„Wenn du genug Kraft hast, mit dem Baby zu spielen, dann hast du auch Kraft genug, mir zu helfen.“ grollt Rosie und reicht ihm einen Stapel Leinentücher. „Die müssen gelüftet werden.“
„Ja, meine Dame.“ sagt Frodo mit tiefernster Miene.
„Keine von deinen Frechheiten jetzt, Herr Frodo. Sam mag dich behandeln, als seiest du ein Elbenkönig, aber ich habe eine Familie voller Brüder überlebt, die dachten, sie könnten über mich bestimmen, und ich habe nicht die Absicht, mich jetzt auf diese Art von Spielchen einzulassen.“
„Komm, Elanor, deine Mutter ist schlecht gelaunt.“ flüstert Frodo laut und deutlich dem kleinen Mädchen zu. „Wir gehen hinaus und lassen sie damit allein.“
„Du hättest auch schlechte Laune, wenn du so viel Staub wegputzen müsstest! Es waren nur drei Wochen, in denen ich das nicht geschafft habe mit diesem schrecklichen Husten, und Elanor wurde auch noch krank. Die ganze Zeit habe ich Sam gesagt, er soll alles in Ordnung halten, kein Aufstand, gerade genug, damit ich nicht so viel aufholen muss, wenn es mir wieder gut geht. Ja, Rosie-Weib, sagt er zu mir, sanft wie ein neugeborenes Lamm. Und dann finde ich das hier! Wenn ein Ding nicht aus der Erde wächst oder in einem Topf kocht, weiß er nicht, was er damit anfangen soll.“
„Das ist alles morgen auch noch da, Rosie. Komm in den Garten mit Elanorelle und mir und genieß den Sonnenschein.“
„Na ja… ich sollte schauen, dass ich diese Laken lüfte. Irgendwie pfuscht du ziemlich damit herum.“
„Ganz genau. Ich würde sie wahrscheinlich im Dornbusch vergessen, oder nicht?“ fragt Frodo das Baby, kitzelt es unter den Armen und bringt es zum Quietschen.
„Lass Samweis bloß nicht hören, dass wir einen Dornbusch im Garten haben.“
„Er erfährt nie, dass ich das gesagt habe, wenn du es ihm nicht erzählst.“
„Also Herr Frodo! Schlägst du vor, ich soll Geheimnisse vor meinem Ehemann haben?“ Rosie lässt den Besen fallen und reibt sich mit einem Lächeln die Augenbrauen. „Komm, wir packen ein Mittagessen ein und finden heraus, wo er abgeblieben ist. Ich habe ihn sagen hören, er wäre diese Woche in der Nähe, um ab und an sicherzugehen, ob wir beide uns gut genug fühlen, dass er uns allein lassen kann.“
Sie nehmen einen Korb, gefüllt mit frühem Obst, ein paar Körnerkuchen, die vom Frühstück übriggeblieben sind und eine Flasche frischer Milch für Elanor und machen sich die Straße hinunter auf den Weg. Frodos Wangen färben sich an der frischen Luft, und Rosie ist froh zu sehen, dass er gesund ausschaut. Sie hat sich zuletzt von ihm ferngehalten, um ihn nicht mit ihrem Husten anzustecken, aber jetzt scheint es sicher genug zu sein, und so legt sie den freien Arm um ihn. Sie hofft, dass sie bald weiches Fleisch an seinen Seiten fühlen wird und nicht mehr nur zerbrechliche Rippen.
„Sam, wir kommen dich entführen!“ ruft Frodo, als sie ihn unten in den Feldern erspähen. Sie winken einander grüßend zu, setzen sich in das weiche, feuchte Gras und beobachten die blassgelben Schmetterlinge, die zwischen den Wildblumen herumflitzen. Die scheinen überall zu wachsen, selbst dort, wo das Land besonders vernachlässigt wurde.
„Wir haben Beutelsend fürs erste den Spinnen ausgeliefert.“ erklärt Frodo zwischen zwei Apfelbissen. „Aber nach dem Mittagessen starten wir einen Gegenangriff.“
„Lasst es bleiben, wenn ihr euch nicht danach fühlt,“ sagt Sam und sein Gesicht verdunkelt sich vor Sorge. „ich kann mich darum kümmern, wenn ich nach Hause komme.“
„Du hast ein Kind, Sam, nicht drei.“ schilt Rosie. „Ich glaube, du möchtest die ganze Welt retten, aber wenn wir die Jammerlappen wären, für die du uns hältst, dann wären wir es nicht wert, als erstes gerettet zu werden.“
„Eine Logik, über die sich nicht streiten lässt.“ Frodos Grinsen versteckt sich hinter einem weiteren Mundvoll Essen.
Elanor entdeckt eine pelzige Raupe, die einen Grashalm hinaufklettert. Sie streckt die Hand aus, um sie zu anzufassen und zieht ihre Finger rasch zurück, als sie das Tierchen berührt. Ihre großen Augen wenden sich den drei erwachsenen Hobbits zu, die sie umgeben. Es ist, als würden sie alles für sie in Ordnung bringen, einfach dadurch, dass sie da sind. Sie fangen an zu lachen, und das bringt auch Elanor zum Lachen, weil sie es mag, wenn sie fröhlich sind, und dadurch lachen sie noch mehr. Alles ist vollkommen, nur für diesen Augenblick. Und ein Augenblick, ein Hier und Jetzt, ist alles, was sie brauchen.


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